Ratsprotokoll vom 30. Juli 1899

Raths=Protokoll aufgenommen über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderathes der k. k. k. s. Stadt btehr am 30. Juli 1399. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Herr Bürgermeister Johann Redl. Der Vicebürgermeister: Herr Victor Stigler. Die Herren Gemeinderäthe: Dr. Franz Angermann, Leopold Anzen¬ gruber, Alexander Busek, Heinrich Gupf, Ferdinand Hand stanger, Leopold Haller, Karl Heindl, Josef Hiller, Dr. Jo¬ hann Hochhauser, Josef Huber, Leopold Köstler, Franz Lang, Matthias Perz, Ferdinand Reitter, Otto Schönauer, Gott¬ fried Sonnleitner, Franz Tomitz. Josef Tureck, Karl Wöll. — Schriftführer: städt. Official Franz Schmidbauer. Entschuldigt ist Herr Gemeinderath Dr. August Redtenbacher. Der Herr Vorsitzende theilt mit, dass an ihn sol¬ gende Zuschrift eingelangt sei: An den sehr geehrten Herrn Bürgermeister der l. f. Stadt Steyr! Eine große Anzahl von Stadt= und Ge¬ meindevertretungen Deutsch=Oesterreichs hat bereits in außerordentlichen Sitzungen gegen die Einführung des Aus¬ gleiches mit Ungarn und gegen die neuen Steuern auf Grund des § 14 Protest erhoben und namens der Bevölkerung Stellung gegen dieses verfassungs¬ widrige Vorgehen der Regierung genommen. Auch unsere Landeshauptstadt hat bereits eine diesbezügliche Resolution gefasst. Wir glauben daher, dass die Vertretung der Stadt Steyr, als zweitgrößte Stadt Oberösterreichs, in dieser ernsten Zeit gleichfalls in dieser Frage Stellung nehmen und namens der Bevölkerung eine solche Resolution ehestens beschließen soll. Wir erlauben uns daher den Antrag einzubringen: Der sehr geehrte Herr Bürgermeister wolle zu diesem Behufe ehestens eine außerordentliche Gemeinderathssitzung einberufen und diesen Gegenstand auf die Tagesordnung setzen. Steyr, den 28. Juli 1899. Die Rechtssection des Gemeinderathes: Dr. Angermann, Sections¬ Obmann, Dr. Hochhauser, Handstanger, Schönauer, Aelschker.“ Auf Grund derselben habe er sich bestimmt gefunden, für heute eine außerordentliche Sitzung einzuberufen. Er erklärt sodann den Gemeinderath für beschlussfähig, bestimmt zu Verificatoren dieses Protokolles die Herren Gemeinde¬ räthe Josef Huber und Leopold Köstler und ertheilt dem Obmann der Rechtssection, Herrn Dr. Franz Angermann, das Wort. Herr Vicebürgermeister Stigler verlangt das Wort und sagt: Darf ich mir die Frage erlauben, warum der Herr Gemeindesecretär bei dieser Sitzung nicht anwesend ist? Der Herr Bürgermeister gibt hierauf die Erklärung, dass der Herr Secretär dienstlich an der Anwesenheit verhindert ist. Der Obmann der Rechtssection Herr Dr. Franz Angermann hält nun folgenden Vortrag: „Löblicher Gemeinderath der l. f. Stadt Steyr! Der löbliche Gemeinderath der l. f. Stadt Steyr hat seinerzeit, als der Ausgleich mit Ungarn in seinen Grundprincipien bekanntgemacht worden ist, conform wie andere zahlreiche Vertretungen von Gemein¬ wesen Oesterreichs, gegen diesen Ausgleich Stellung genommen und wurde in der damals einstimmig gefassten Resolution ausgesprochen, dass die Durchführung dieses Ausgleiches mit Ungarn die nachtheiligsten wirtschaftlichen Folgen für die österreichische Hälfte der Gesammtmonarchie herbeizuführen geeignet sei. Dieser Ausgleich ist nun mit all seinen Schäden und Nachtbeilen doch zustande gekommen, und zwar nicht einmal auf verfassungsmäßigem Wege durch Zustimmung des Parlamentes, sondern mit Hilfe des § 14, also ohne dass die Vertreter des Volkes in Oesterreich in die Lage kamen, gegen diesen Ausgleich ihre Stimme zu erheben. Die Bevölkerung ist daher in diesem Zeitpunkte, wo ihre Vertreter nicht versammelt sind, auf jene Vertretungskörper angewiesen, die eben jetzt tagen und berufen sind, die Interessen der Bevölkerung in allgemeinen und in besonderen Fragen zu vertreten. Das ist auch bei der Vertretung der l. f. Stadt Steyr der Fall, da es ihre Aufgabe ist, im Sinne des Gemeindestatutes die Interessen der Gemeinde¬ mitglieder sowohl in Gemeindesachen als auch sonst zu wahren. Da nun der factisch abgeschlossene Ausgleich mit Ungarn nach zwei Seiten hin mit großen Nachtheilen für die Bevölkerung verbunden ist, und zwar in politischer Richtung, weil so wichtige und weittragende Abmachungen obne die durch die Verfassung gewährleistete Zustimmung der Volksvertreter zustande gekommen sind, und in wirt¬ schaftlicher Richtung, weil dieser Ausgleich solche Schäden nach sich zieht, wodurch insbesondere das ärmere Volk sehr schwer getroffen wird, wie dies die Einführung der neuen Zucker= und Petroleumsteuer beweist, so stellt die Rechtssection den Antrag: Der löbliche Gemeinderath der lf. Stadt Steyr wolle erstens nachstehende Resolution beschließen: „Der Gemeinderath der lf. Stadt Steyr erhebt namens der Bevölkerung Steyrs entschiedenen Ein¬ spruch gegen den von der Regierung mit Ungarn abgeschlossenen Ausgleich und gegen die Anwen¬ dung des § 14 des Staatsgrundgesetzes auf die Er¬ lassung der Ausgleichsgesetze und die Einhebung der eingeführten neuen indirecten Steuern, und erwartet von den Abgeordneten des deutschen Volkes, dass sie mit allen zu Gebote stehenden gesetzlichen Mitteln die parlamen¬ tarische Zustimmung dieses für Oesterreich so nach¬ theiligen Ausgleiches mit Ungarn verhindern und die Anwendung des § 14 auf Erhebung der neu eingeführten Steuern nachträglich nicht genehmigen werden.“ Zwe tens: „Der Herr Bürgermeister wird beauftragt, diese Resolution dem Herrn Statthalter von Oberösterreich mit dem Ersuchen um Vorlage an das hohe k. k. Mini¬ sterraths=Präsidium zur Kenntnis zu bringen.“ Der Herr Vorsitzende bringt diese zwei Anträge der Rechtssection zur Abstimmung und werden dieselben einstimmig angenommen. Hierauf Schlufs der Sitzung 11 ¼ Uhr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2