Zur Deckung dieser Abgänge wurde bisher die vorhandene außerordentliche Reserve der Stadtcasse herangezogen. Mit Jahresschluss 1898 betrug dieselbe noch 65.476 fl., so dass sie zur Deckung des diesjährigen Abganges fast gänzlich aufgebrauch Zur Deckung des im Jahre 1900 ganz gewiss werden wird wieder vorhandenen Deficites sind sodann keinerlei Fonde mehr zur Verfügung. Das im Jahre 1900 und in den folgenden Jahren zu befürchtende Deficit im Stadthaushalte wird aber aller Voraus icht nach noch größer sein als in den früheren Jahren, da die von der österr. Waffenfabriksgesellschaft zu erhoffende Umlage für eine Reihe von Jahren eine ganz unbedeutende sein wird So peinlich es ist, auf eine Mehrbelastung der Bewohner Steyrs im gegenwärtigen Zeitpunkte, in welchem die wirtschaftlichen Verhältnisse in allen Schichten der Bevölkerung keine günstigen genannt werden können, hinwirken zu müssen, erfordern die inanzverhältnisse der Stadt doch unabweisbar und dringend ihre Sanierung. Die Finanz=Section, welcher die Ordnung des tädtischen Haushaltes in erster Linie obliegt, ist deshalb ver¬ verpflichtet, Ihnen Anträge zu stellen, bei deren Annahme und endlicher Sanction das Gleichgewicht im Stadthaushalte wieder hergestellt werden kann, wenn bei allen Ausgaben, wie bisher mit weiser Sparsamkeit vorgegangen wird. Nach eingehender Berathung stellt die Finanz=Section nachfolgende Anträge: Der Gemeinderath wolle beschließen: 1. Es sei die der Stadtgemeinde Steyr mit dem Gesetze vom 8. April 1897, L.=G.=Bl. Nr. 8, be¬ willigte Einhebung einer Umlage von 80 kr. von jedem Hekto¬ iter des im Gemeindegebiete verbrauchten Bieres auf 1 fl. 60 kr. u erhöhen. 2. Es sei auf Grund des § 50, Punkt 3, Absatz 3, des Gemeindestatutes der Stadt Steyr ein Landesgesetz zu er¬ wirken, durch welches der Stadt Steyr die Einhebung einer Umlage von 80 kr. von jedem Hektoliter Obstmost und 1 fl. 60 kr für jeden Hektoliter Wein bewilligt wird, welche in das Stadt gebiet eingeführt werden und durch eine Verzehrungssteuer und die hiezu bewilligten Zuschläge nicht belastet sind. 3. Es sei auf Grund des § 57 des Gesetzes vom 5. September 1880, L.=G.=Bl Nr. 12, betreffend die öffentliche Armenpflege in den Gemeinden, ein Landesgesetz zu erwirken, durch welches die Stadt Steyr ermächtigt wird für den städtischen Armenfond von den Ver lassenschaften aller in Steyr verstorbenen Personen eine Gebür, und zwar von Verlassenschaften über 500 fl. bis 5000 fl. 1% von Verlassenschaften über 5000 fl. bis 20.000 fl. 2 0, von Ver¬ lassenschaften über 20.000 fl. 3% einzuheben. — Zur Motivierung dieser Anträge ersuche ich die Herren, mir noch kurze Zeit ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Es wird die Frage aufgeworfen werden, warum gerade jetzt, also in einem ungewöhnlichen Zeit¬ punkte, Vorschläge zur Sanierung der Finanzlage der Stadt ge macht werden? Hierauf habe ich zu antworten, dass es erst vor kurzer Zeit gewiss geworden ist, es werde die österr. Waffen¬ abriksgesellschaft auf eine Reihe von Jahren hinaus keine iennenswerte Umlage zahlen, wodurch eine sofortige Vorsorge ür diesen Ausfall in den laufenden Einnahmen der Stadt un abweislich nöthig geworden ist. Auch tagt gegenwärtig noch der oberösterr. Landtag, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die in Vorschlag gebrachten Gesetzesvorlagen noch in dieser Session zur Berathung und Annahme gelangen. Es könnte weiter die Frage auftauchen, warum die Einnahmen der Stadt nicht durch Er höhung der directen Gemeindeumlage vermehrt werden? Es ist bekannt, dass die Gemeindeumlage schon jetzt 60%, der Staats¬ steuern beträgt und dass jeder Steuerträger, mit Ausnahme der Personaleinkommensteuer=Pflichtigen, 104 %/ der Staatssteuer an UImlagen zu entrichten hat. Durch die Erhöhung der directen Gemeindeumlage würden einzig und allein nur jene Steuer= und Umlagenzahler wieder getroffen, welche durch Staats=, Landes¬ und Gemeindeabgaben ohnedies schon so schwer belastet sind dass sie zum großen Theile eine Mehrbelastung gar nicht mehr u ertragen vermöchten. Die Mitglieder der Finanz=Section konnten sich aus diesem Grunde nicht entschließen, auf eine Er¬ höhung der directen Gemeindeumlage einzurathen, und haber für die Erhöhung der Bierconsumsteuer gestimmt, weil diese auf einer viel breiteren Basis als jene beruht und weil sie noch immer leichter gezahlt wird, als die in größeren Raten zur Ein¬ hebung gelangende directe Gemeindeumlage. Um der Nothlage der Stadt abzuhelfen, müsste die letztere auf 90 9 hinauf¬ eschraubt werden. Es wäre unverantwortlich, diese große Last den schon so stark Besteuerten aufzubürden, während ein Theil der Bevölkerung der Stadt hiedurch gar nicht berührt würde, weil er von der Umlagenzahlung befreit ist, obwohl er sich nicht immer in ärmlichen Verhältnissen befindet. Durch die Erhöhung der Verbrauchsumlage für Bier auf 1 fl. 60 kr. per Hektoliter würde unter Berücksichtigung des sicher eintretenden geringeren Consumes in den folgenden Jahren eine jährliche Mehreinnahme von circa 15= bis 20.000 fl. erzielt werden. Leider ist hiedurch dem Abgange im Stadthaushalte nicht vollständig abgeholfen namentlich dann nicht, wenn die Stadt jenen Anforderungen nach Thunlichkeit zu genügen sucht, die heutzutage an ein größeres Gemeinwesen mit Recht gestellt werden können, und dessen jetzt mit Rücksicht auf die missliche Finanzlage der Stadt nicht immen vollkommen entsprochen werden konnte. Die Finanz=Section hat deshalb die oberwähnten zwei weiteren Anträge gestellt. Der Antrag auf die Bewilligung einer Verbrauchsumlage für Obst¬ nost hat weniger den Zweck, der Stadt eine bedeutende Mehr einnahme zu sichern, als um einem Gebot der Billigkeit zu ent prechen. Während die Gastwirte für den von ihnen zum Aus schank gebrachten Obstmost und Wein einen 30 procentigen Zuschlag zur Verzehrungssteuer an die Gemeinde entrichten müssen, ist der von Privaten zum Consum eingeführte Obstmost und Wein voll¬ tändig abgabenfrei. Um nicht die Gastwirte allein zur Tragung einer Abgabe für die Gemeinde zu verpflichten und um sie oncurrenzfähiger zu machen, hat die Finanz=Section den Antrag auf Einhebung dieser Umlage gestellt, die nur solche Personer rifft, die nicht ohnedies eine Verzehrungssteuer für Obstmost und Wein zu zahlen haben. Der gestellte dritte Antrag soll den Zweck haben, eine Stärkung der Einnahmen für den Armenfond der Stadt zu erzielen, wodurch indirect die Stadteasse entlastet werden würde. Die Stadt Steyr muss nämlich aus ihren aufenden Einnahmen jährlich durchschnittlich 20.000 fl. für den Armenfond leisten, die durch die Bewilligung der vorgeschlagenen neuen Gebür wenigstens zum Theile ersetzt werden könnten. Nach § 57 des Gesetzes vom 5. September 1880, L.=G.=Bl. Nr. 12, betreffend die öffentliche Armenpflege in den Gemeinden, ist die Einführung neuer Einnahmsquellen für den Armenfond durch Erwirkung eines bezüglichen Landesgesetzes zulässig, und da olche Gebüren in Wien und Graz, ja sogar in Oberösterreich, nämlich in der Stadt Schärding, schon eingehoben werden, dürften der gesetzlichen Bewilligung zur Einhebung dieser neuen Gebür für Armenzwecke gerade keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegenstehen. Aus diesen Gründen glaubt Ihnen die Finanz Section die Annahme der gestellten Anträge empfehlen zu müssen. Der Herr Vorsitzende eröffnet hierüber die Debatte Herr Gemeinderath Dr. Redtenbacher bemerkt zum Punkte 3 des Sectionsantrages, dass er sich aus seinem Geschäfte eine Zusammenstellung gemacht habe, wonach in Steyr auf einen Notar circa 30 Abhandlungen mit einem Nachlassvermögen vol etwa 200.000 fl. entfallen, somit bei beiden Notaren hier ein Nachlassvermögen von 400.000 fl. pro Jahr zur Umlagenvor chreibung kommen würde. Wasjedoch die Einhebung einer Umlage von Verlassenschaften über 500 fl. bis 5000 fl. mit 1“ von 5000 bis 20 000 fl. mit 2%0 und von über 20.000 fl. mit zo., anbelange, so cheine ihm dieser Antrag deshalb nicht geeignet, weil die Durchführung eines solchen Gesetzes mit Schwierigkeiten verbunden sei, da hohen Ortes kaum die Geneigt heit vorhanden sein dürfte, eine derartige hohe Erbschaftssteuer zu bewilligen. In Schärding, wo er die Ehre hatte Notar zu ein, bestehe auf Grund eines alten Privilegiums auch eine der artige Umlage, aber nur mit 1%0 vom reinen Nachlasse. Er be¬ antrage daher, dass der Sectionsantrag dahin abgeändert werde dass ein Nachlass bis zu 600 fl. von einer solchen Umlage frei bleibe und dass von über 600 fl. nur eine Umlage von 1%. ein¬ gehoben werde Herr Gemeinderath Anzengruber ist mit dem Antrage auf Erhöhung der Bierumlage von 80 kr. auf 1 fl. 60 kr. nicht einverstanden. Die Wirte könnten diese Umlage nicht auf sich nehmen, und das Bier theurer zu geben, das würde wieder die Arbeiter und den Geschäftsmann belasten Herr Gemeinderath Wöll sagt, er habe vergessen, sich bei der Sections=Sitzung zu erkundigen, ob bei dieser Umlagen¬ Erhöhung auch das Braunbier inbegriffen sei. Wenn dies de Fall ist, so sei er für die Ausschließung des Braunbieres von der Umlagen-Erhöhung, weil diese Gattung Bier erstens wenig consumiert und zweitens nur von minder bemittelten Leuten ge nossen werde. Herr Gemeinderath Dr. Angermann bemerkt: Der Zweck der Vorlage der Finanz=Section sei doch der, den finanziellen Verhältnissen der Gemeinde, die unverschuldeterweise ungünstige sind, aufzuhelfen. Die Vertreter der Gemeinde haben die Pflicht, mit den ihnen gesetzlich gewährleisteten Mitteln jene Umstände n Erwägung zu ziehen, welche geeignet erscheinen, die finanzielle Lage der Gemeinde zu bessern, bezw. einen geordneten Haushall zu ermöglichen. Die hiezu eingesetzte Commission habe alle mög lichen Umstände in Betracht gezogen, welche beitragen sollen, die finanziellen Verhältnisse der Gemeinde zu sanieren, und man ist zu jenem Resultate gelangt, welches in der Vorlage der Finanz¬ Section enthalten ist. Was den Antrag wegen Erhöhung der Biersteuer anbelangt, so finde er diesen Antrag vollkommen ge¬ rechtfertigt. Das Bier ist ein allgemeiner Consumartikel und die Erhöhung der Bierumlage ist eine so geringe, dass man nicht sagen kann, es werde auch der Aermste schwer davon getroffen. Viel ungerechtfertigter wäre es, zu jenem Mittel zu greifen, wodurch die Gemeinde=Umlage erhöht würde, was wenigstens in der Höhe von 30¼ geschehen müsste, um den Zweck zu erreichen, weil dadurch wieder nur jene Gemeinde=Mitglieder betroffen würden, welche ohnedies schon kolossal belastet sind. Wenn dagegen der Gemeinderath die Erhöhung der Bierumlage auf fl. 60 kr. per Hektoliter beschließt und dieser Beschluss vom Landtage genehmigt wird, so hätten die Wirte einen Aufschlag von 1 fl. per Hektoliter, das ist per Liter 1 kr. zu machen, was die Consumenten gewiss weniger verspüren werden, als die Geschäftsleute eine Umlagen=Erhöhung. Die Biersteuer wird ich auf die große Masse des Publicums vertheilen und man müsse doch zu jenen Mitteln greifen, die auf einer breiten Basis beruhen. Auch die Einführung einer Umlage für Obstmost und Wein für Privale scheine ihm vollkommen gerechtfertigt und jabe auch den Zweck, die den Wirten bisher gemachte Concurrenz herabzumindern. Er empfehle daher die Anträge 1 und 2 der Finanz=Section zur Annahme. Was die Einhebung einer Umlag
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