Ratsprotokoll vom 3. März 1899

Raths-Protokoll aufgenommen über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderathes der k. k. l. f. Stadt Steyr am 3. März 1899. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Herr Bürgermeister Johann Redl. Die Herren Gemeinderäthe: Edmund Aelschker, Dr. Franz Anger¬ mann, Alexander Busek, Heinrich Gupf, Leopold Haller, Josef Hiller, Karl Heindl, Anton von Jäger, Leopold Köstler, Franz Lang, Matthias Perz, Ferdinand Reitter, Dr. August Redten¬ bacher, Otto Schönauer, Gottfried Sonnleitner, Franz Tomitz, Josef Tureck. Ferner sind anwesend: Herr Stadt=Secretär Franz Gall und als Schriftführer Herr Franz Schmidbauer. — Ent¬ schuldigt sind die Herren Gemeinderäthe Josef Huber und Karl Wöll. Beginn der Sitzung 3 Uhr nachmittags. Der Herr Vorsitzende constatiert die Beschlussfähigkeit des Gemeinderathes, bestimmt zu Verificatoren die Herren Gemeinderäthe Matthias Perz und August Rettenbacher und erklärt die Sitzung für eröffnet. Sodann gibt der Herr Vorsitzende bekannt, dass die Interpellation des Herrn Gemeinderathes Wöll und die ihm schon vorher bekannten Vorkommnisse im St. Anna¬ Spital ihn veranlasst haben, die Spitalscommission einzuberufen, um mit derselben zu berathen, wie diese Angelegenheit zu ordnen sei. Die Spitals=Commission habe sich dahin ausgesprochen, dass sie die Einsetzung eines Diseiplinar=Comités zur Ent¬ scheidung in dieser Angelegenheit für nothwendig erachte. Ob¬ wohl nach dem Gemeindestatute die Disciplinargewalt dem Bürgermeister zustehe, so stelle er doch als Vorsitzender der Spitalscommission den Antrag, ein Disciplinar=Comité zu wählen, welches ihm berathend zur Seite stehen soll. Herr Gemeinderath Dr. Angermann stellt den Zusatz¬ antrag, die Wahl des Disciplinar=Comités mittelst Stimmzettel vorzunehmen, damit der Vorgang ein ganz unparteiischer sei. Diese beiden Anträge werden einstimmig angenommen. Der Herr Vorfitzende unterbricht zum Zwecke der Vor¬ nahme der Wahl die Sitzung und ersucht die Herren Gemeinde¬ räthe Perz und Tureck um Vornahme des Serutiniums. Nach erfolgter Einsammlung der Stimmzettel durch den Herrn Stadt¬ secretär Gall und Vornahme des Serutiniums verkündet Herr Gemeinderath Tureck das Wahlresultat, wonach in das Disei¬ plinar=Comité gewählt erscheinen: Herr Vicebürgermeister Victor Stigler mit 17 und die Herren Gemeinderäthe Dr. Franz Angermann mit 16, Josef Tureck mit 15 und Edmund Aelschker mit 16 Stimmen. Herr Gemeinderath Dr. Angermann erbittet sich sodann zur Frage des Disciplinar=Verfahrens das Wort und führt aus: Nach § 78 des Gemeindestatutes sind dem Herrn Bürgermeister die Beamten und Diener der Gemeinde und der Gemeinde¬ anstalten untergeordnet und er übt über sie die Disciplinargewalt. Es ist aber weder im Gemeindestatut noch in der Geschäfts¬ Ordnung eine Bestimmung enthalten, in welcher Weise die Disciplinargewalt ausgeübt werden soll, welche Strafen in Anwendung zu bringen sind und welche Folgen dieselben haben. Nachdem es einerseits für den Herrn Bürgermeister schwer ist, in derartigen persönlichen Fragen einzugreifen, ohne nur annäherungsweise eine Directive zu haben, durch welche Mittel die Disciplinargewalt ausgeübt wird, anderseits die Beamten und Diener dem Urtheile und der Willkür einer einzelnen Person nicht ausgesetzt werden sollen, so sei es an der Zeit, dass der Gemeinderath diesen Mangel behebt und ein eigenes Disciplinar¬ verfahren schafft, welches ein= für allemal als Norm zu gelten hat. Als Grundlage für das Disciplinarverfahren bei der Stadt¬ gemeinde Steyr könnten jene Vorschriften genommen werden, welche bereits für die politischen Beamten bestehen. Selbstver¬ ständlich würde das Gemeindestatut hiedurch nicht geändert, da die Vorschriften für das Disciplinarverfahren nur als Anhang zur Geschäftsordnung angesehen werden sollen. Die Disciplinar¬ Commission wäre immer auf ein Jahr zu wählen, welche unter dem Vorsitze des Herrn Bürgermeisters die Behandlung der Disciplinarfälle in die Hand nimmt. Er stelle daher den Antrag: Der löbliche Gemeinderath wolle beschließen: Es werde die Rechtssection angewiesen, ehethunlichst einen Entwurf über das Disciplinar=Verfahren für die Beamten und Diener der Stadtgemeinde dem Gemeinderathe zur Berathung und Beschlussfassung vorzulegen, welcher als Anhang zur Ge¬ schäftsordnung des Gemeinderathes zu betrachten sein wird. Hiefür wolle auch die Dringlichkeit anerkannt werden. Herr Gemeinderath Schönauer glaubt, wenn die Gemeinde¬ beamten nach den Normen der Staatsbeamten angestellt sind, so könne man bei Ausübung der Disciplinargewalt sich auch an jene Vorschriften anlehnen, welche für die Staatsbeamten exi¬ stieren. Herr Gemeinderath Dr. Angermann erwidert hierauf, im Gemeindestatute sei nur gesagt, dass die Gemeindebeamten in Bezug auf Anstellung, Entlassung, Pensionierung 2c. den Staatsbeamten gleichgehalten werden, aber in Bezug auf die Disciplinargewalt sei nichts enthalten. Nach seiner Ansicht sei es besser, wenn man sich im Disciplinarverfahren auf eigene statutarische Bestimmungen berufen kann, als immer zu sagen, dieser oder jener Fall ist analog den Bestimmungen des Disei¬ plinarverfahrens für die Staatsbeamten behandelt worden. Der Herr Vorsitzende bringt die Dringlichkeit des An¬ trages des Herrn Gemeinderathes Dr. Angermann zur Ab¬ stimmung, welche einstimmig anerkannt wird.

Sodann bringt der Herr Vorsitzende den Antrag selbst zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Herr Gemeinderath Dr. Angermann bringt namens der I. Section den Dringlichkeitsantrag ein, in Angelegenheit der Regulierung der Lehrergehalte an den jetzt tagenden oberöster¬ reichischen Landtag sofort nachstehende Petition abgehen zu lassen: „Hoher oberösterreichischer Landtag! Der hohe oberöster¬ reichische Landesausschuss fand sich bestimmt, bei einem hohen Landtage eine Regulierung der Lehrergehalte in Antrag zu bringen, welche weder den berechtigten Bestrebungen der Lehrer¬ schaft nach Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage entspricht, noch der den Unterrichtsinteressen des ganzen Landes drohenden Calamität eines Lehrermangels vorzubeugen vermag, und die Erhöhung der Quartiergelder vorschlägt. Der Gemeinderath der Stadt Steyr, welcher zur Förderung der Volksschulbildung große Summen aufgewendet hat und noch aufwendet, fand sich veranlasst, zu dieser für die Wohlfahrt seiner Gemeinde¬ Mitglieder so wichtigen Frage Stellung zu nehmen, und in seiner Sitzung vom 3. März l. J. zu dem einhelligen Beschlusse bestimmt, einem hohen oberösterreichischen Landtage das ehr¬ furchtsvolle Ansuchen zu unterbreiten, dass die Bezüge der ober¬ österreichischen Lehrer wohl nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes, aber doch in ausgiebiger Weise erhöht und in absehbarer Zeit die Gleichstellung derselben mit den Bezügen der unteren vier Rangelassen der Staatsbeamten in Aussicht genommen werden, dem Antrage auf Erhöhung der Quartiergelder jedoch, wenn dieselbe in einer Höhe gedacht sein sollte, welche die diesbezügliche bisherige Belastung der Stadt¬ gemeinde überschreitet, keine Folge gegeben werden möge.“ Nachdem über gestellten Antrag die Dringlichkeit dieses Gegenstandes seitens des versammelten Gemeinderathes anerkannt worden, wird über seitens des Herrn Vorsitzenden veranlasster Abstimmung die Absendung vorsteheuder Petition einstimmig be¬ schloßen. — Z. 5618. Herr Gemeinderath Lang referiert namens der III. Section über das Ansuchen der Sparcassedirection in Steyr um Ge¬ nehmigung einer auszuführenden Auswechselung einer Anzapfung an die städtische Wasserleitung, beziehungsweise Erhöhung der Rohrstärke von 26 Millimetern auf 40 Millimeter, ferner um Be¬ stimmung des neuen Wasserquantums für das im Bau begriffene Amtsgebäude, und betont insbesondere, dass bei dem heutigem Stande der Wasserleitung die Section auf eine Abzweigung von 40 Millimetern Rohrstärke nicht einrathen können, weil hiedurch die anderen Interessenten im Wasserbezuge bedeutend verkürzt werden könnten. Der Sectionsantrag lautet: Mit Rücksicht, dass die Wasserleitung in der nächsten Zeit durch die vorgenommenen Erweiterungen und Verbesserungen eine gründliche Revision in den Wasserbezugsrechten erfordert, kann auf die Genehmigung des vorliegenden Ansuchens nicht eingerathen werden. Der Herr Vorsitzende bringt die Dringlichkeit dieses Gegenstandes zur Abstimmung und wird dieselbe einstimmig anerkannt. Sonach wird der Sectionsantrag einstimmig ange¬ nommen. — Z. 5329. Herr Gemeinderath Tureck berichtet namens der Finanz¬ Section über das Ansuchen des Herrn Heinrich Menzinger, Gold= und Silberarbeiters in Steyr, um Begleichung der Krank¬ heits= und Leichenkosten seines Bruders Anton Menzinger, ge¬ wesenen städtischen Bauzeichners, im Betrage von 159 fl. 28 kr. aus der Stadtcasse Der Sectionsantrag lautet: Nach dem der Verstorbene ein fleißiger und pflichttreuer Beamter war, außerdem der Gemeinde durch seinen Tod keine weiteren Verpflichtungen erwachsen, be¬ antragt die Section: Der löbliche Gemeinderath möge zur Aus¬ zahlung der angesprochenen Krankheits= und Leichenkosten per 159 fl. 28 kr. ausnahmsweise seine Zustimmung ertheilen. Der Herr Vorsitzende bringt die Dringlichkeit dieses Gegenstandes zur Abstimmung und wird dieselbe einstimmig anerkannt. Sonach wird der Sectionsantrag einstimmig ange¬ nommen. — Z. 46./Präs. Hierauf Schluss der Sitzung.

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