Ratsprotokoll vom 14. Februar 1899

Wahlrechte ausgenommen sind. Da aber seitens seines Principales bestätigt ist, dass er für höhere Dienstleistungen mit Monats¬ gehalt angestellt ist, kann er mit Rücksicht auf den letzten Absatz des § 73 der Gewerbeordnung nicht unter gewerbliche Hilfs¬ arbeiter begriffen werden und sollte also eigentlich in der Wähler¬ liste des II. Wahlkörpers Aufnahme gefunden haben. Die Section beantragt: „Der löbliche Gemeinderath wolle beschließen, es werde der Einwendung des Herrn Johani Orthner, Handlungscommis in Steyr, gegen die Wählerliste pro 1899 wegen Nichtaufnahme stattgegeben und derselbe nach seiner Steuerleistung in die Wählerliste eingetragen.“ Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. — Z. 3733. 6. Julius Petretto und Julius Hüller, Buchhandlungs gehilfen bei Herrn Fleischanderl, reclamieren ihr Wahlrecht und ersuchen um Aufnahme in die Wählerliste pro 1899. Der Amtsbericht hierüber lautet: „Da Julius Petretto und Julius Hüller in der Sandbök'schen Buchhandlung in Steyr laut Bestätigung ihres Principales für höhere Dienstleistungen gegen Monatsgehalt angestellt sind, dürfen sie mit Rücksicht auf die ausdrückliche Vorschrift des § 73, letzter Absatz, der Gewerbe¬ Ordnung nicht unter die gewerblichen Hilfsarbeiter gezählt werden, weshalb der § 26 des Gemeindestatutes auf sie kein Anwendung findet. Da der erwähnte Umstand bei Zusammen¬ stellung der Listen hieramts nicht bekannt war, unterblieb die Aufnahme derselben in die Liste des III. Wahlkörpers. Die Section beantragt, den beiden Reclamationen Folge zu geben und die Herren Julius Petretto und Julius Hüller in die Wählerliste pro 1899 aufzunehmen.“ Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. 7. Liegt folgende Eingabe vor: „Nachdem wir Endes¬ gefertigten in die Wählerlisten für die Gemeinderathswahlen pro 1899 nicht aufgenommen worden sind, uns aber nach dem Gemeindestatute und insbesonders mit Bezug auf den Gemeinde¬ rathsbeschluss vom 23. December 1898 das Wahlrecht für die Gemeindevertretung zusteht, weil wir alle Unterfertigten mittelst eigenen Anstellungs=Decretes von Seite der österreichischen Waffenfabriks=Gesellschaft als Meister mit fixem Jahresgehalte angestellt sind, daher nicht zu den Gewerbsgehilfen gehören, welche nur einen Tag= oder Wochenlohn haben, sondern einer fixen Jahresgehalt mit monatlicher Auszahlung beziehen, so reclamieren wir Endesgefertigten unser Wahlrecht und ersuchen um Aufnahme in die Wählerliste für die Gemeinderathswahlen pro 1899. — Steyr, 4. Februar 1899. — Heinrich Haslinger K. Kletzenbauer, Johann Baumberger, Josef Krempl, Josef Ettmayr, Wenzel Schinko, Thomas Schinko.“ Der Amtsbericht hierüber lautet: „Von den vor¬ stehenden Reclamanten ist Josef Ettmayr nach Pirkfeld in Ungarn zuständig, daher kein österreichischer Staatsbürger. Johann Baum¬ berger erscheint als Schleifer, Josef Krempl als Maler, Thomas Schinko, Wenzel Schinko, Karl Kletzenbauer und Heinrich Haslinger als Schlosser und nicht als Meister sowohl in den Grundbögen im städtischen Meldungsamt als auch in den Steuerlisten auf, wes¬ halb sie als gewerbliche Hilfsarbeiter im Sinne des § 73 der Gewerbeordnung angesehen werden mussten und in die Listen nicht aufgenommen werden konnten.“ Der Sectionsbericht und Antrag lautet: „Nach¬ dem zufolge der gepflogenen Erhebungen und der Bestätigun der Direction der österr. Waffenfabriks=Gesellschaft in Steyr die Reclamanten: 1. Heinrich Haslinger, 2. Johann Baumberger, 3. Josef Krempl, 4. Karl Kletzenbauer, 5. Thomas Schinko, 6. Wenzel Schinko seit 1. October 1897 als Meister der Fahrrad¬ Abtheilung der österreichischen Waffenfabrik mit Decret und einem fixen Jahresgehalt angestellt sind, so sind dieselben gemäß 73, Schlufsabsatz, der Novelle zur Gewerbeordnung vom 8. März 1885 als für höhere Dienstleistungen angestellt anzu¬ sehen und gehören daher nicht zu den Gewerbsgehilfen. Des¬ halb stellt die Section den Antrag: Es werde den Einwendungen der obengenannten sechs Meister der Fahrrad=Abtheilung der österreichischen Waffenfabrik gegen die Wählerlisten pro 1899 wegen ihrer Nichtaufnahme stattgegeben und dieselben nach ihrer bezuglichen Steuerleistung in die Wählerliste für die Gemeinde¬ rathswahlen pro 1899 eingetragen. Dagegen wird der Ein¬ wendung des Meisters Josef Ettmayr keine Folge gegeben, da dieser Reclamant ungarischer Staatsangehöriger, somit Aus¬ länder ist.“ Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. — Z. 3741. Nachdem sohin alle Reclamationen erledigt worden sind, unterbricht der Herr Vorsitzende über Antrag des Herrn Referenten die Sitzung auf fünf Minuten behufs Constatierung der Staatsangehörigkeit des Reclamanten Josef Mayr durch den Herrn Stadtsecretär. Nach Wiederaufnahme der Sitzung bringt der Herr Referent zur Kenntnis, dass Reclamant Herr Josef Mayr con¬ statiertermaßen österreichischer Staatsangehöriger ist und stellt sohin namens der Section den definitiven Antrag auf Aufnahme des Hern Josef Mayr in die Wählerliste pro 1899. Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Herr Gemeinderath Dr. Franz Angermann bringt sodann vor: „Es ist mir zu Ohren gekommen, dass bei Volksversamm¬ lungen der Arbeiterschaft über das Gemeinde=Statut der Stadt Steyr gesprochen wurde und dass man in diesen Versammlungen dem Gemeinderathe eine Fälschung des Gemeinde=Statutes vor¬ geworfen habe, und zwar aus dem Grunde, weil es im § 26 des Gemeinde=Statutes heißen soll: Ausgenommen vom activen Wahlrechte sind alle Personen, welche eine Armenversorgung genießen, in einem Gesindeverbande stehen oder als Taglöhner oder als Erwerbsgehilfen einen selbständigen Erwerb nicht haben. Es wurde in dieser Versammlungen gesagt, dass nach diesem Wortlaute nicht nur die Arbeiter, sondern viele andere vom Wahlrechte ausgeschlossen werden müssten. Da der Gemeinde¬ raty als öffentliche Corporation sich diesen Vorwurf nicht ge¬ fallen lassen darf, so ersuche ich den Herrn Bürgermeister um Aufklärung, ob Schritte eingeleitet wurden zur Constatierung des Textes des § 26 des vom Landtage im Jahre 1867 ge¬ nehmigten Gemeinde=Statutes.“ Der Herr Bürgermeister gibt bekannt, dass das Original¬ Exemplar des Gemeinde=Statutes vom Jahre 1867 vom hohen Landesausschusse eingeholt wurde und dass der Wortlaut des § 26 dieses Original=Statutes mit jenem des im Jahre 1897 aufgelegten Statutes übereinstimme, nämlich, dass es dort aus¬ drücklich „Gewerbsgehilfe“ und nicht „Erwerbsgehilfe“ heißt. Ueber Ersuchen des Herrn Bürgermeisters gibt der Herr Stadtsecretär Franz Gall bekannt, dass das Original=Statut mit dem hieramts in Verwendung stehenden Statute nach Collationierung vollkommen übereinstimmend befunden wurde, demnach der § 26 des Gemeinde=Statutes der Stadt Steyr wörtlich lautet: „Ausgenommen vom activen Wahlrechte sind alle Personen, welche eine Armenversorgung genießen, in einem Gesindeverbande stehen, oder als Taglöhner oder als Gewerbs¬ Gehilfen einen selbständigen Erwerb nicht haben.“ Weiters gibt Herr Stadtsecretär bekannt, dass diese Fassung des § 26 des Gemeindestatutes auch in der 43. Sitzung des oberösterreichischen Landtages vom 14. Februar 1866 beschlossen wurde, und verliest diesen Paragraph aus den Mittheilungen des oberösterreichischen Landtages vom Jahre 1865/66. Herr Gemeinderath Dr. Angermann erklärt sodann, dass der Gemeinderath seinen Beschluss in der Wahlrechtsfrage au Grund authentischer Bestimmungen gefasst habe und bedauert, dass man eine öffentliche Corporation in einer öffentlichen Ver¬ sammlung einen Vorwurf macht, ohne sich von der Wahrheit zu überzeugen. Hierauf Schluss der Sitzung.

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