Ratsprotokoll vom 14. Februar 1899

Die Rechtssection erlaubt sich daher bezüglich der Reclamanten, Post Nr. 1—.553, den Antrag zu stellen: „Nack den gepflogenen Erhebungen sind die sub Z. 1—553 in de Namensliste verzeichneten Personen Fabriksarbeiter der österr. Waffenfabrik in Steyr. Als solche gehören dieselber nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 73 lit. b der Novell zur Gewerbe=Ordnung vom 8. März 1885, R.=G.=Bl. Nr. 22, zu den gewerblichen Hilfsarbeitern. Da aber die „Gewerbsgehilfen nach § 26 des Gemeindestatuts der Stadt Steyr vom activen Wahlrechte in die Gemeinde=Vertretung der Stadt Steyr aus genommen sind, so kommt den genannten Fabriksarbeitern aus diesem besonderen Grunde, selbst wenn ihnen nach der übrigen Bestimmungen des Gemeinde=Statutes ein actives Wahlrecht zustehen würde, ein solches nicht zu. Mit Rücksicht darauf stellt die I. Section folgenden Antrag: Der löbliche Gemeinderath wolle beschließen: Es werde den von den in vorliegenden Verzeichnisse namhaft gemachten 553 Fabriks arbeitern gegen die Wählerlisten für die Gemeinderaths=Wahler pro 1899 erhobenen Einwendungen wegen Nichtaufnahme in dieselben mit Rücksicht auf die Bestimmungen des § 73 lit. des Gesetzes vom 8. März 1885, R.=G.=Bl. Nr. 22, und in An wendung des § 26 des Gemeindestatutes der Stadt Steyr keine egeben Folge Zur Erläuterung des Sectionsantrages verliest der Hern Referent den § 73 der Novelle zur Gewerbe=Ordnung, welcher lautet: „Unter Hilfsarbeitern werden in diesem Gesetze alle Arbeits¬ Personen verstanden, welche bei Gewerbs=Unternehmungen in regelmäßiger Beschäftigung stehen, ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes, u. zw.: a) Gehilfen (Handlungsgehilfen), Ge¬ sellen Kellner, Kutscher u. dgl.; b) Fabriksarbeiter Hier, bemerkt der Herr Referent, ist ausdrücklich nor¬ miert, dass Fabriksarbeiter Gewerbsgehilfen im Sinne des Gesetzes sind, und mit Bezug auf diese Gesetzes=Bestimmung und § 26 des Gemeindestatuts ersuche ich, den Sections=Antrag anzunehmen. Herr Gemeinderath Anton v. Jäger bemerkt, er könn für den Sectionsantrag nicht stimmen und zwar aus Gründen die er schon in früheren Sitzungen geltend gemacht habe, als es ich um das Wahlrecht der Kapläne gehandelt habe. Damals wurde auch so interpretiert, dass die Kapläne das Wahlrecht nicht besitzen, obwohl sie ein solches Recht gehabt hätten. E sei für die Ausdehnung des Wahlrechtes und bleibe auf diesen Standpunkte steher Der Herr Referent erwidert, er finde das Vorgehen des Herrr Gemeinderathes v. Jäger unbegründet, inconsequent und unlog isch. In der letzten Sitzung habe der Gemeinderath über diese Frage im Principe einstimmigen Beschluss gefasst und Herr v. Jäger habe auch mitgestimmt, heute, wo ein concreter Fall vorliege, sei er dagegen. Es könne jeder Gemeinderatl eine eigene Anschauung haben, aber Herr Gemeinderath v. Jäger hätte schon in der letzten Sitzung sagen sollen, er sei für die Ausdehnung des Wahlrechtes. Herr Gemeinderath Anton v. Jäger entgegnet, er se ausdrücklich ersucht worden, in der betreffenden Sitzung eine Debatte nicht zu eröffnen, und habe er dem Herrn Bürgermeister dies versprochen. Wenn Herr Gemeinderath Dr. Angermanr sich noch an diese Sitzung erinnere, so hat Herr Gemeinderatl Schönauer in dieser Frage eine Debatte hervorgerufen, indem er anfragte, ob die Partieführer wahlberechtigt sind. Er glaube wenn die Arbeiter nicht wahlberechtigt sind, so sind es auch die Partieführer nicht. Da übrigens damals Reclamationen nicht vorlagen, so habe er geschwiegen Der Herr Vorsitzende bringt nun den Antrag der Section zur Abstimmung und wird derselbe mit allen gegen eine Stimm (Anton v. Jäger) angenommen Der Herr Referent verliest nun den zweiten Antrag de¬ Section, welcher lautet: „Nach den gepflogenen Erhebunger stehen die sub 554 bis 558 namhaft gemachten Reclamanten in gar keiner Steuervorschreibung und haben auch bisher gar keine Steuer entrichtet, weshalb denselben, abgesehen davon, dass diese Personen laut obiger Gesetzesstelle und nach dem Gemeinde¬ statute vom Wahlrechte gleichfalls ausgeschlossen wären, ein Wahlrecht überhaupt nicht zukommt. Der unter Post Nr. 559 er¬ wähnte Reclamant ist in Steyr nicht wohnhaft und hätte dahe aus diesem Grunde kein Wahlrecht in die Gemeinde=Vertretung. Der unter 560 verzeichnete Reclamant ist Ausländer, hätte dahen auch aus diesem Grunde kein Wahlrecht, und der unter Nr. 561 angeführte Reclamant ist in Steyr überhaupt gar nicht gemelde und kann daher nicht als hier wohnhaft angesehen werden. Mi¬ Rücksicht auf diese besonderen Gründe stellt die I. Sectior folgenden Antrag: Der löbliche Gemeinderath wolle be¬ schließen: Es werde den Einwendungen der im vorliegenden Verzeichnisse von Postzahl 554—561 namhaft gemachten Personer gegen die Wählerlisten für die Gemeinderathswahlen pro 1899 wegen Nichtaufnahme in dieselben gemäß § 1 u. § 2 des Gemeinde¬ Statutes der Stadt Steyr keine Folge gegeben Der Herr Vorsitzende bringt den Antrag der Section zum Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Der Herr Referent bemerkt, bevor er auf die weiterer Reclamationen übergehe, sehe er sich zur Aufklärung über die Bemerkung des Herrn Gemeinderathes Anton v. Jäger ver¬ anlasst, den Anhang zu § 73 der Novelle zur Gewerbeordnung zu verlesen, welcher lautet: „Die für höhere Dienstleistungen ir der Regel mit Jahres= oder Monatsgehalt angestellten Indi viduen, wie Werkführer, Mechaniker, Factoren, Buchhalter Cassierer, Expedienten, Zeichner, Chemiker u. dgl., werden unter Hilfsarbeiter nicht begriffen Herr Gemeinderath Anton v. Jäger bemerkt, wenn diese Erklärung ihm gelte, so erlaube er sich die Anfrage, wie es dann mit den Partieführern gehalten wird, wenn in einem Objecte eine Partie aufgelassen wird und der betreffende Partieführer als nicht mehr nothwendig einem anderen Objecte zugetheilt wird Der Herr Referent erwidert, der Partieführer bleib immen Partieführer, wenn er auch anderswohin versetzt wird. Hierauf gelangen folgende Reclamationen in Verhandlung 1. Josef Matzek, Buchhalter bei Herrn Osbild, Glasermeisten in Steyr, ersucht um Aufnahme in die Wählerlist Der Amtsbericht hierüber lautet: „Die Nichtaufnahm des Josef Matzek, welcher als Buchhalter gemäs § 73, letzter Absatz, der Gewerbeordnung nicht als Gehilfe betrachtet werden darf, ist aus Versehen erfolgt. Er wäre in die Wählerclasse des III. Wahlkörpers aufzunehmen gewesen, weil bei ihm die Ausnahme des § 26 des Gemeindestatutes nicht zutrifft Die Section beantragt, der löbliche Gemeinderath wolle beschließen: „Es werde der Einwendung des Josef Matzek, Buch halters bei Herrn Osbild, wegen Nichtaufnahme in die Wähler listen für die Gemeinderathswahlen pro 1899 Folge gegeben, und sei derselbe gemäß seiner Steuerleistung in die Wählerliste des bezüglichen Wahlkörpers einzutragen. Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen — Z. 3737 2. Rudolf Danninger, Maschinist der Elektricitäts=Werke in Steyr, bittet um Aufnahme in die Wählerliste Der Amtsbericht hierüber lautet: Danninger Rudol wurde als Gewerbsgehilfe angesehen, auf welchen der Schlufs satz des § 73 der Gewerbeordnung keine Anwendung finde Der Sectionsbericht und Antrag lautet: „Nach¬ dem Rudolf Danninger nach den gepflogenen Erhebungen als Maschinenmeister eine fixe Anstellung mit fixem Jahresgehalte von 720 fl. hat, so ist derselbe im Sinne des § 73 der Gewerbe Ordnung, Schlufssatz, als für höhere Dienstleistungen angestellt anzusehen, gehört daher nicht zu den gewöhnlichen Hilfsarbeiter und steht demselben somit das Wahlrecht zu, da der § 26 au ihn keine Anwendung finden kann. Die I. Section stellt dem nach den Antrag: Es werde der Einwendung des Rudol Danninger, Maschinisten der Elektricitäts=Werke in Steyr, statt¬ gegeben und derselbe in die Wählerliste des III. Wahlkörpers für die Gemeinderathswahlen pro 1899 eingetragen. Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen— Z. 3739 3. Rudolf Riedel, Werkführer der Drahtstiftenfabrik in Steyr bittet um Aufnahme in die Wählerliste Der Amtsbericht hierüber lautet: Da Rudolf Riedel als Werkführer bei Frühmann & Brunner angestellt ist und Werkführer gemäß § 73, letzter Absatz, der Gewerbe=Ordnung nicht unter die Gewerbsgehilfen gerechnet werden dürfen, de endlich auch sonst kein gesetzlicher Grund vorliegt, den Recla manten vom Wahlrechte auszuschließen, möge seine Nichtaufnahm in die Wählerliste des III. Wahlkörpers durch ein Versehen des Amtes entschuldigt werden Der Sectionsantrag lautet: „Der löbliche Gemeinde¬ rath wolle beschließen, es werde der Einwendung des Rudolf Riedel, Werkführers in der Drahtstiftenfabrik Frühmann & Brunner in Steyr, wegen Nichtaufnahme in die Wählerlisten für die Gemeinderathswahlen pro 1899 stattgegeben und derselbe nach einer Steuerleistung in die Wählerliste des bezüglichen Wahl¬ körpers eingetragen. Der Herr Vorsitzende bringt diesen Antrag zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. Z. 3736 4. Josef Mayr, Comptoirist bei der Firma Winternit Neffen, reclamiert sein Wahlrecht und ersucht um Aufnahme in die Wählerliste Der Herr Referent bemerkt, dass Reclamant preußischer Staatsangehöriger ist, und obwohl ihm die Aufnahme in den Gemeindeverband Steyr zugesichert wurde, sei die Aufnahme in den österreichischen Staatsverband noch nicht erfolgt Der Sectionsantrag lautet: „Der löbliche Gemeinde¬ rath wolle beschließen: Da der Reclamant bis heute die öster¬ reichische Staatsbürgerschaft noch nicht erlangt hat, wird der Einwendung wegen Nichtaufnahme in die Wählerliste pro 189: keine Folge gegeben. Herr Gemeinderath Köstler bemerkt, dass der Comptoirist Mayr österreichischer Staatsbürger ist und dass der Werk meister der Firma Winternitz' Neffen die österreichische Staats bürgerschaft anstrebt Der Herr Referent bemerkt, nachdem über die vorliegende Reclamation heute entschieden werden müsse, so beantrage er, dass für den Fall, als durch das Amt constatiert werde, dass Reclamant Josef Mayr Comptoirist und österreichischer Staats bürger ist, derselbe in die Wählerliste pro 1899 aufgenommen werde, sonst aber nach dem Sectionsantrage vorzugehen sei. Dieser Antrag wird einstimmig angenommen 5. Johann Orthner, Commis bei der Firma Gschaider reclamiert sein Wahlrecht und ersucht um Aufnahme in die Wählerliste pro 1899. Der Amtsbericht hierüber lautet: „Johann Orthner Commis, wurde als gewöhnlicher Handlungsgehilfe im Sinne des § 73a der Gewerbeordnung angesehen und dessen Aufnahme in die Liste nicht veranlasst, weil Gewerbsgehilfen ohne selb¬ ständigen Erwerb nach § 26 des Gemeindestatutes vom activen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2