Ratsprotokoll vom 16. November 1898

23. Liegt folgende Eingabe vor: „Löbliche Gemeinde¬ Vorstehung Steyr! Ich erlaube mir, der löblichen Gemeinde¬ Vorstehung den in meinem Hause, Johannesgasse Nr. 17, sich befindlichen Stall als Infectionsstall anzubieten und bemerke hiezu folgendes: Der Stall befindet sich in nächster Nähe des Bahnhofes, ist vollkommen isoliert, ringsherum in weiterer Ent¬ fernung keine Viehstallungen, hat directe Canalisation. Selber ist im besten Bauzustande und ist nach Ausspruch des städtischen Thierarztes Herrn Prokop vollkommen dazu geeignet. Mietzins beanspruche ich, und zwar für den Stall, ein dazu gehöriges Zimmer, Heuboden, Düngergrube, zusammen 100 fl. jährlich. Steyr, am 3. November 1898. — Dr. Adalbert Maier. Das Gutachten des Herrn Thierarztes Karl Prokop lautet: „Löbliche Stadtgemeinde=Vorstehung Steyr! In Befolgung des erhaltenen Auftrages vom 4. d. M., Z. 23.873, erlaube ich mir, über die Zweckdienlichkeit eines dem Herrn Dr. Adalbert Maier in Ennsdorf, Johannesgasse Nr. 17, gehörigen Stalles zur Contumazierung seuchenkranker oder seuchenverdächtiger Thiere nachstehendes ergebenst zur Aeußerung zu bringen. Der Stall könnte für diesen Zweck Verwendung finden, es muss jedoch be¬ hauptet werden, dass selber sich bei eventuellen Contumazierungen zu klein erweisen dürfte. Zur Contumazierung gelangen haupt¬ sächlich Rindertransporte, die mittelst Eisenbahn in Steyr zur Ausladung kommen und bei der hiebei stattfindenden Beschau seuchenkrank oder einer Seuche verdächtig befunden oder aus gesperrten Gebieten in verbotwidriger Weise eingeführt werden. Wenn auch nur eine Waggonladung derartigen Viehes zur Contumazierung käme, so würde es nur mit großer Schwierig¬ keit möglich sein, diesen Transport in diesem Stalle unterzu¬ bringen. Wie nun die seit dem Jahre 1889 durchgeführten mehr¬ seitigen Erhebungen ergaben, gelang es bis jetzt noch nicht, einen entsprechenden Platz ausfindig zu machen, und wäre es deshalb angezeigt, wenn das vorliegende Anerbieten des Herrn Dr. Maier vorderhand angenommen würde. Sowohl gemäß des § 10 des Thierseuchengesetzes vom 29. Februar 1880 R.=G.=Bl. Nr. 35 und der zu diesem Gesetze erlassenen Durchführungs=Verordnung vom 12. April 1880, R.=G.=Bl. Nr. 36, betreffend die Tilgung der Seuchen, als auch mittelst Erlasses der hohen k. k. Statt¬ halterei in Linz, ddto. 13. September 1889, Z. 12.663/V, haben die Gemeinden für die Unterbringung seuchenkranker oder seuchen¬ verdächtiger Thiere Vorsorge zu treffen. Durch die Pachtung dieses Stalles wäre den gesetzlichen Bedingungen entsprochen und für einen theilweisen Nothbehelf Sorge getragen. Die Anschaffung von Tränkgeschirren, Futterbarren und Streumateriale könnten derzeit entfallen und erst im eventuellen Bedarfsfalle entsprechend der Art der Contumaz besorgt werden. Der Stall liegt abseits der Straße und kann nicht leicht von anderen Thieren begangen werden, so dass bei nöthiger Vorsicht und ge¬ nauer Einhaltung der veterinärpolizeilichen Maßnahmen von Seite der mit der Wartung und Pflege der Thiere betrauten Personen eine Weiterverschleppung der Seuche von diesem Stalle aus nicht eintreten dürfte. Da die Infectionskrankheiten, welche den Anlass zu Contumazierungen geben, nur fixes Contagium besitzen und eine Weiterverbreitung durch die Luft nicht vor¬ liegt, so scheint es auch ausgeschlossen, dass durch die Unter¬ bringung von seuchenkranken Thieren eine Gefahr für die Gesundheit der im anstoßenden Hause befindlichen Personen zu befürchten sein dürfte. Was den Mietzins anbelangt, so scheint selber ziemlich hoch zu sein, und zwar aus dem Grunde, da die zu pachtenden Räumlichkeiten selten in Benützung gelangen dürften und daher der Verpächter diese Räume anstandslos auch anderweitig benützen kann. Wenn aber von Seite der löblichen Stadtgemeinde=Vorstehung dem Verpächter ein Benützungsrecht nicht eingeräumt würde und die löbliche Stadtgemeinde=Vorstehung die Räume einem Zwecke zuführen würde, welcher jedoch im ge¬ gebenen Falle die sofortige Verwendung als Contumazstall nicht ausschließe, dann muss der Mietzins als vollkommen entsprechend bezeichnet werden. — Steyr, am 6. November 1898. — Karl Prokop m. p. — Stadtthierarzt.“ Die Section stellt hiezu folgenden Antrag: „Der löbliche Gemeinderath wolle die Zuschrift des Herrn Dr. Maier zur Kenntnis nehmen, und beehrt sich die Section den Antrag zu 5 stellen, es wolle vorerst die löbliche Bausection über die Eignung dieses Objectes zum gedachten Zwecke sich äußern und falls keine Bedenken dagegen obwalten, wolle der löbliche Gemeinde¬ rath das Offert des Herrn Dr. Maier annehmen und diesen Stall sammt Zugehör auf ein Jahr mit Vorbehalt der orts¬ üblichen Kündigungsfrist um den Betrag von 100 fl. in Miete nehmen Herr Gemeinderath Busek gibt zu bedenken, dass der Stall mitten unter Wohnhäusern steht und dass die Errichtung eines Contumazstalles daselbst ihm nicht geeignet erscheine. Er sei für die Ablehnung des Antrages. Herr Vicebürgermeister Stigler bemerkt, die Angelegenheit wegen Errichtung eines Contumazstalles sei nicht neu. Schon im Vorjahre habe sich der Gemeinderath mit dieser Frage be¬ chäftigt und wurde damals geplant, einen solchen Stall auf den zum Plattnergut gehörigen Gründen zu erbauen, und auch damals sei dagegen Opposition erhoben worden. Es existiere eine gesetzliche Verpflichtung zur Errichtung eines Contumaz¬ stalles, und irgendwo müsse derselbe doch errichtet werden Herr Gemeinderath Dr. Angermann stellt den Antrag, den Sectionsantrag dahin zu modificieren, dass derselbe nur zu lauten habe: „Es sei diese Angelegenheit behufs weiterer Vor¬ erhebungen der Bausection abzutreten.“ Der Herr Vorsitzende bringt den Antrag des Herrn Dr. Angermann zur Abstimmung und wird derselbe einstimmig angenommen. — Z. 23.873. 24. Der k. k. Stadtschulrath Steyr theilt mit, dass er in der Sitzung vom 31. October d. J. beschlossen habe, am 2. December d. J., am Tage des 50jährigen Jubiläums der glorreichen Regierung Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I., die Schüler der hierstädtischen Volks= und Bürgerschulen mit Fest¬ schriften zu betheilen, und stellt das Ersuchen, zu diesem Zwecke einen Betrag von 144 fl. 90 kr. zu bewilligen. Der Sectionsantrag lautet: „Der löbliche Gemeinde¬ rath wolle diesem Ansuchen des k. k. Stadtschulrathes Folge geben und den für Anschaffung von Bildern und Broschüren erforderlichen Betrag von 220 fl. bewilligen. Die Vertheilung der Bilder und Broschüren habe in folgender Weise zu erfolgen: Die erste Jahrgangsstufe wird mit dem Kaiserbilde betheilt, die zweite und dritte Jahrgangsstufe bekommen die Broschüre „Kaiser Franz Josef l.“, die vierte bis achte Jahrgangsstufe er¬ halten die Broschüren „Unser Kaiser 1848—1898“ und „Hoch Habsburg“, die sechste bis achte Jahrgangsstufe außerdem noch Erinnerungblätter an Ihre Majestät die Kaiserin Elisabeth“ Der löbliche Gemeinderath wolle diesem Vertheilungsvorschlage seine Zustimmung ertheilen. — Einstimmig angenommen. — Z. 23 855 Der Herr Referent bemerkt, dass noch ein dringender Gegenstand vorliege, nämlich der Vorschlag des städtischen Armen¬ athes auf Verleihung einer erledigten Pacherpfründe von monat¬ lich 6 fl. an die Unterstützungswerberin Marie Jodlbauer. Nachdem die Dringlichkeit dieses Gegenstandes anerkannt wurde, stellt die Section den Antrag: „Der löbliche Gemeinde¬ rath wolle die Leopold=Pacherpfründe per 6 fl. der Marie Jodl¬ bauer verleihen.“ — Einstimmig nach Antrag. — Z. 21.912. Nachdem schon die Tagesordnung erschöpft ist, erbittet sich Herr Vicebürgermeister Stigler das Wort und weist au die Verdienste des Verschönerungsvereines und insbesondere des Mitgliedes Herrn Hauptmann Zeiringer hin, und stellt namens der Bausection den Antrag, der Herr Bürgermeister möge er¬ mächtigt werden, dem Verschönerungsvereine, sowie dem Herrn Hauptmann Zeiringer den Dank des Gemeinderathes zum Aus¬ drucke zu bringen. — Dieser Antrag wird einstimmig angenommen. Weiters theilt der Herr Vicebürgermeister Stigler mit, dass die Kosten für die Planierungsarbeiten auf dem Karl¬ Ludwigs=Platze und die Kosten der Einfriedung dieses Platzes mit 2500 fl. vom Ausstellungs=Comité der Gemeinde vergütet wurden, und stellt den Antrag, dem Ausstellungs=Comité und dem Präsidenten Herrn Dr. Hochhauser hiefür den Dank des Gemeinderathes auszusprechen Dieser Antrag wird einstimmig angenommen. Nachdem sich niemand mehr zum Worte meldet, schließt der Herr Vorsitzende um 5 Uhr abends die öffentliche Sitzung.

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