Raths=Protokoll der kk. landesfürstlichen Stadt Steyr vom 19. Jänner 1878 Datenaufbereitung Digitalarchiv Steyr
Rats-Protocoll aufgenommen über die 2. außerordentliche, vertrauliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 19. Jänner 1878. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Bürgermeister Moritz Crammer. Der Vizebürgermeister: Karl Edelbauer. Die Gemeinderäte: Mauß Samuel Göppl Emil Mayr Anton Gründler Ferdinand Perz Matthias Gschaider Gustav Ploberger Franz Hofman Franz Pointner Georg Holub Karl Huber Joseph Reder Joseph Redl Johann Huber Leopold Jäger Anton v. Waldau Schachinger Franz Tomitz Franz Jäger Franz v. Waldau Landsiedl Anton Wenhart Wenzl Der Schriftführer: Leopold Anton Iglseder. Beginn: 6 Uhr Abends. Der Vorsitzende eröffnet die Versammlung, die er vorläufig und als vertrauliche Besprechung erklärt, mit dem Bemerken, daß ein Gegenstand von großen Wichtigkeit und ein vorliegendes Ersu- chen, anselben gestern oder heute vor eine Gemeinderatssitzung zu bringen, ihn veranlaßt habe, die Mitglieder des Gemeinderates zu
Rats-Protocoll aufgenommen über die 2. außerordentliche, vertrauliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 19. Jänner 1878. Gegenwärtig: Der Vorsitzende: Bürgermeister Moritz Crammer. Der Vizebürgermeister: Karl Edelbauer. Die Gemeinderäte: Mauß Samuel Göppl Emil Mayr Anton Gründler Ferdinand Perz Matthias Gschaider Gustav Ploberger Franz Hofman Franz Pointner Georg Holub Karl Huber Joseph Reder Joseph Redl Johann Huber Leopold Jäger Anton v. Waldau Schachinger Franz Tomitz Franz Jäger Franz v. Waldau Landsiedl Anton Wenhart Wenzl Der Schriftführer: Leopold Anton Iglseder. Beginn: 6 Uhr Abends. Der Vorsitzende eröffnet die Versammlung, die er vorläufig und als vertrauliche Besprechung erklärt, mit dem Bemerken, daß ein Gegenstand von großen Wichtigkeit und ein vorliegendes Ersuchen, anselben gestern oder heute vor eine Gemeinderatssitzung zu bringen, ihn veranlaßt habe, die Mitglieder des Gemeinderates zu
dieser ungewohnten Stunde einzuberufen. Er ersucht dafür die Anwesenden, den Gegenstand der heutigen Verhandlung vorläufig strengstens geheim zu halten und bringt sohin nachstehende Schreiben zur Verlesung: „Steyr den 18. Januar 1878. Euer Hochwolgeboren! Anliegend übermache ich Ihnen meine Anträge zur Lösung der Armenfrage in unserer Gemeinde, und stelle das Freundliche Ersuchen, wegen dieses Gegenstandes wenn möglich heute, längstens aber morgen eine außerordentliche Gemeinderats-Sitzung einzuberufen. Gleichzeitig stelle ich das weitere Ersuchen, daß für Hochwolgeboren von dieser Angelegenheit von der zu berufenden Gemeinderats-Sitzung Niemanden gegenüber eine Erwähnung machen, oder dieselbe auch nur andeuten. Hochachtungsvoll Joseph Werndl.“ Das diesem Schreiben beigeschloßene Schriftstück lautet: „Loebliche Stadtgemeinde Vorstehung! Ich habe seit längerer Zeit die Verhandlungen, welche wegen Errichtung eines städt. Versorgungshauses geführt worden sind, mit großem Interesse verfolgt, da mir selbst sehr daran gelegen ist, jener Klasse von Leuten, welche größtentheils nichts, als das nackte Leben besitzen, ein menschenwürdiges Dasein zu verschaffen. Um diesen Zweck zu erreichen, erlaube ich mir einer Loebl. Gemeinde Vorstehung nachstehende Vorschläge zu unterbreiten, resp. die Bedingungen bekannt zu geben, unter welchen ich mein Scherflein zum Besten der Armen beizutragen gedenke. Ich habe seinerzeit das sogenannte Amort-Schlößel um einen Preis von 20,000 fl u. die neben demselben gelegenen ehemaligen Hallerfelder um einen Betrag von 30,000 fl angekauft. Von letzteren Grundstücken habe ich nur Fläche von ungefähr 2 Joch um einen Betrag von 10,000 fl weiter veräußert, und es bleibt sohin einschließlich der zum beregten Amort-Schlößel gehörigen
dieser ungewohnten Stunde einzuberufen. Er ersucht dafür die Anwesen- den, den Gegenstand der heutigen Verhandlung vorläufig strengstens geheim zu halten und bringt sohin nachstehende Schreiben zur Ver- lesung: „Steyr den 18. Januar 1878. Euer Hochwolgeboren! Anliegend über- mache ich Ihnen meine Anträge zur Lösung der Armenfrage in unserer Gemeinde, und stelle das Freundliche Ersuchen, wegen die- ses Gegenstandes wenn möglich heute, längstens aber morgen eine außerordentliche Gemeinderats-Sitzung einzuberufen. Gleichzei- tig stelle ich das weitere Ersuchen, daß für Hochwolgeboren von dieser Angelegenheit von der zu berufenden Gemeinderats-Sitzung Niemanden gegenüber eine Erwähnung machen, oder dieselbe auch nur andeuten. Hochachtungsvoll Joseph Werndl.“ Das diesem Schreiben beigeschloßene Schriftstück lautet: „Loebliche Stadtgemeinde Vorstehung! Ich habe seit längerer Zeit die Verhandlungen, welche wegen Errichtung eines städt. Versor- gungshauses geführt worden sind, mit großem Interesse verfolgt, da mir selbst sehr daran gelegen ist, jener Klasse von Leuten, wel- che größtentheils nichts, als das nackte Leben besitzen, ein menschen- würdiges Dasein zu verschaffen. Um diesen Zweck zu erreichen, erlaube ich mir einer Loebl. Gemeinde Vorstehung nachstehende Vor- schläge zu unterbreiten, resp. die Bedingungen bekannt zu geben, unter welchen ich mein Scherflein zum Besten der Armen beizu- tragen gedenke. Ich habe seinerzeit das sogenannte Amort-Schlößel um einen Preis von 20,000 fl u. die neben demselben gelegenen ehemaligen Hallerfelder um einen Betrag von 30,000 fl angekauft. Von letzteren Grundstücken habe ich nur Fläche von ungefähr 2 Joch um einen Betrag von 10,000 fl weiter veräußert, und es bleibt sohin einschließlich der zum beregten Amort-Schlößel gehörigen
Grundstücke ein Flächenraum von ungefähr 5 Joch übrig. Auf diesen Grundstücken habe ich den Bau meiner Villa zu meiner persönlichen Benützung begonnen und für denselben bereits 64000 fl verausgabt. Diese Villa ist bereits unter Dach gebracht, und da sich dieselbe vermöge ihrer Lage und innere Entheilung vollkommen zu einem Versorgungshause eignet, so bin ich bereit, dieselbe sammt Grundstücken und den darauf befindlichen Häu- sern im Werte von 104,000 fl der Stadtgemeinde gegen dem zu Geschenke zu machen, daß sie erstens unter den Gemeindeangehörigen eine Subskription eröffnet, welche mit Ausname der von meinen Geschwistern, der Waffenfabricksgesellschaft und der hiesigen Sparkasse allenfalls gezeichneten Betröge, und den von der Stadtgemeinde als solcher eventuell für den genannten Zweck ausgeworfenen Summe ein Ergebnis auszuweisen hat, welches mindestens das doppelte des von mir zur Verfügung gestellten Wertes erreicht. Die Zinsen dieses, im Subskriptionswege aufgebrachten Capitals müßten jährlich für die im neuzuschaffenden Versorgungshause un- tergebrachten Armen zu deren Verköstigung u.s.w. verwendet werden. Ich bemerke hier ausdrücklich, daß die Zinsen jener Fon- de, welche bisher zu Armenzwecken dienten, auch ferner diesem Zwecke gewidmet bleiben müßen, und daß mindestens die gleiche Anzahl Arme, wie solche gegenwärtig in den verschiedenen, städtischen Armenhäusern untergebracht ist, und auch theilweise in denselben verpflegt wird, auch in Zukunft untergebracht und verköstigt wer- den muß. - Sollte es jedoch die Stadtgemeinde-Vorstehung für vor- theilhaft erachten, ein oder das andere Objekt zu verkaufen, so soll einer solchen Maßregel nichts im Wege stehen, wenn nur durch die Beistellung anderer Objekte wieder die vorberegte Bedingung er- füllt wird. — Da auch die zur Beseitigung des Straßenbettels ein-
Grundstücke ein Flächenraum von ungefähr 5 Joch übrig. Auf diesen Grundstücken habe ich den Bau meiner Villa zu meiner persönlichen Benützung begonnen und für denselben bereits 64000 fl verausgabt. Diese Villa ist bereits unter Dach gebracht, und da sich dieselbe vermöge ihrer Lage und innere Entheilung vollkommen zu einem Versorgungshause eignet, so bin ich bereit, dieselbe sammt Grundstücken und den darauf befindlichen Häusern im Werte von 104,000 fl der Stadtgemeinde gegen dem zu Geschenke zu machen, daß sie erstens unter den Gemeindeangehörigen eine Subskription eröffnet, welche mit Ausname der von meinen Geschwistern, der Waffenfabricksgesellschaft und der hiesigen Sparkasse allenfalls gezeichneten Betröge, und den von der Stadtgemeinde als solcher eventuell für den genannten Zweck ausgeworfenen Summe ein Ergebnis auszuweisen hat, welches mindestens das doppelte des von mir zur Verfügung gestellten Wertes erreicht. Die Zinsen dieses, im Subskriptionswege aufgebrachten Capitals müßten jährlich für die im neuzuschaffenden Versorgungshause untergebrachten Armen zu deren Verköstigung u.s.w. verwendet werden. Ich bemerke hier ausdrücklich, daß die Zinsen jener Fonde, welche bisher zu Armenzwecken dienten, auch ferner diesem Zwecke gewidmet bleiben müßen, und daß mindestens die gleiche Anzahl Arme, wie solche gegenwärtig in den verschiedenen, städtischen Armenhäusern untergebracht ist, und auch theilweise in denselben verpflegt wird, auch in Zukunft untergebracht und verköstigt werden muß. - Sollte es jedoch die Stadtgemeinde-Vorstehung für vortheilhaft erachten, ein oder das andere Objekt zu verkaufen, so soll einer solchen Maßregel nichts im Wege stehen, wenn nur durch die Beistellung anderer Objekte wieder die vorberegte Bedingung erfüllt wird. — Da auch die zur Beseitigung des Straßenbettels ein-
geführte Sammlung freiwilliger Beiträge das gewünschte Resultat nicht erzielt, so muß ich die weitere Bedingung stellen, daß statt der erwähnten Sammlung eine entsprechende Armensteuer eingeführt wird. – Indem meine vorstehenden Anträge den Zweck haben, die Armenfrage einen radikalen Lösung zuzuführen, so bemerke ich, daß ich nur dann meine in diesem Schreiben der Stadtgemeinde gemachten Zusagen aufrecht halte, wenn die von mir gestellten Bedingungen in vollem Umfange erfüllt werden. Ich wiederhole dieses mit allem Nachdruck, da ich schon häufig die Beobachtung machte, daß sich gerade wolhabende Persönlichkeiten, deren es in meiner Vaterstadt so viele gibt, nicht entschließen können, ihren Säckel zu Gunsten der notleidenden Menschheit aufzumachen. – Schließlich bemerke ich, daß ich eine baldige Erledigung meines vorstehenden Antrages wünsche, und die vorgeschlagene Subskription bis Ende Februar d.J. durchgeführt sehen möchte, um wegen des Weiterbaues meiner Villa die nötigen Vorkehrungen treffen zu können. - Steyr den 18. Januar 1878. Joseph Werndl.“ Der Vorsitzende eröffnet sohin die Debatte und erklärt, da sich niemand zum Wort meldet, die Sitzung für 10 Minuten unterbrochen, um vorerst eine gegenseitige Besprechung zu ermöglichen. Nach Wiederaufname der Sitzung verliest der Vorsitzende nochmals die an die Gemeinde Vorstehung gerichtete Zuschrift und bemerkt, daß er noch am Tage ihres Erhaltes an Hr. Joseph Werndl, welcher inzwischen nach Wien abgereist sei, telegraphirt habe, ob er diese Angelegenheit nicht bis zu seinen Rückkehr verschieben dürfe, oder ob er nicht vorher zu einer persönlichen Rücksprache bereit wäre, in welchem Falle er sogleich ihm nach Wien nachgereist wäre.
geführte Sammlung freiwilliger Beiträge das gewünschte Re- sultat nicht erzielt, so muß ich die weitere Bedingung stellen, daß statt der erwähnten Sammlung eine entsprechende Ar- mensteuer eingeführt wird. – Indem meine vorstehenden An- träge den Zweck haben, die Armenfrage einen radikalen Lö- sung zuzuführen, so bemerke ich, daß ich nur dann meine in die- sem Schreiben der Stadtgemeinde gemachten Zusagen aufrecht halte, wenn die von mir gestellten Bedingungen in vollem Umfange erfüllt werden. Ich wiederhole dieses mit allem Nachdruck, da ich schon häufig die Beobachtung machte, daß sich gerade wolhabende Persönlichkeiten, deren es in meiner Vaterstadt so viele gibt, nicht entschließen können, ihren Säckel zu Gunsten der notleidenden Menschheit aufzumachen. – Schließlich bemerke ich, daß ich eine baldige Erledigung meines vorstehenden Antrages wün- sche, und die vorgeschlagene Subskription bis Ende Februar d.J. durch- geführt sehen möchte, um wegen des Weiterbaues meiner Villa die nötigen Vorkehrungen treffen zu können. - Steyr den 18. Ja- nuar 1878. Joseph Werndl.“ Der Vorsitzende eröffnet sohin die Debatte und erklärt, da sich niemand zum Wort meldet, die Sitzung für 10 Minuten un- terbrochen, um vorerst eine gegenseitige Besprechung zu ermög- lichen. Nach Wiederaufname der Sitzung verliest der Vorsitzende nochmals die an die Gemeinde Vorstehung gerichtete Zuschrift und bemerkt, daß er noch am Tage ihres Erhaltes an Hr. Joseph Werndl, welcher inzwischen nach Wien abgereist sei, telegraphirt habe, ob er die- se Angelegenheit nicht bis zu seinen Rückkehr verschieben dürfe, oder ob er nicht vorher zu einer persönlichen Rücksprache bereit wäre, in welchem Falle er sogleich ihm nach Wien nachgereist wäre.
Er habe jedoch am selben Abend um 9 Uhr die telegraphische Ant- wort erhalten: „Unterredung nicht notwendig, verfüge im Sinne meines Schreibens. Werndl“; wonach ihm nichts erübrigt habe, als sofort eine Sitzung einzuberufen. G.R. Pointner stellt sohin unter Hinweis auf die ausserordent- liche Wichtigkeit des Gegenstandes, welcher eine eingehende Besprechung und Ueberlegung erfordere, den Antrag, die vorliegende Zuschrift einem aus den Obmännern der 4 Sektionen bestehenden, un- ter dem Vorsitz des Bürgermeisters zu stellendem Comitee zur so- fortigen Erwägung und Antragstellung in einer anfangs der nächsten Woche abzuhaltenden, ausserordentlichen Sitzung zuzuwei- sen, welcher Antrag einstimmig angenommen und wobei beschlos- sen wird, daß das Comitee am 20. Jänner Nachmittags 4 Uhr zu einer Sitzung zusammen zu treten habe. Hierauf erklärt der Vorsitzende die Sitzung nur 6 3/4 Uhr für geschloßen. Crammer Vorsitzender Johann Redl L.A. Iglseder Schriftführer Ant. Landsiedl
Er habe jedoch am selben Abend um 9 Uhr die telegraphische Antwort erhalten: „Unterredung nicht notwendig, verfüge im Sinne meines Schreibens. Werndl“; wonach ihm nichts erübrigt habe, als sofort eine Sitzung einzuberufen. G.R. Pointner stellt sohin unter Hinweis auf die ausserordentliche Wichtigkeit des Gegenstandes, welcher eine eingehende Besprechung und Ueberlegung erfordere, den Antrag, die vorliegende Zuschrift einem aus den Obmännern der 4 Sektionen bestehenden, unter dem Vorsitz des Bürgermeisters zu stellendem Comitee zur sofortigen Erwägung und Antragstellung in einer anfangs der nächsten Woche abzuhaltenden, ausserordentlichen Sitzung zuzuweisen, welcher Antrag einstimmig angenommen und wobei beschlossen wird, daß das Comitee am 20. Jänner Nachmittags 4 Uhr zu einer Sitzung zusammen zu treten habe. Hierauf erklärt der Vorsitzende die Sitzung nur 6 3/4 Uhr für geschloßen. Crammer Vorsitzender Johann Redl L.A. Iglseder Schriftführer Ant. Landsiedl
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