Gemeinderatsprotokoll vom 31. Oktober 1949

Gesetz hinwegsetzten, sind wir bezüglich der Bischofsgründe (Gleink) in eine peinliche Lage gekommen. Diese Gründe an der Ennserstraße gegen Gleink im Ausmaße von 105 ha wurden seinerzeit um A 320.000:— gekauft, Das Nutzungsrecht wird vom Bischöflichen Ordinariat angefochten und Rückstellung verlangt. Das anhängige Verfahren wird bis zum Verwaltungsgerichtshof gehen, da die Grundstücke die einzige Ausdehnungsmöglichkeit für die Stadt bedeuten und in ihrer Hand bleiben müssen. Im Auftrage des Reichsluftfahrtministeriums wurden Luftschutzanlagen von verschiedenen Firmen gebaut, die hiefür noch keine volle Bezahlung erhalten haben, Diese Firmen stellen Kostenansprüche von S 400.000:—. Sollte der Prozeß verloren werden, müßten auch diese Beträge bezahlt werden. Die Posthofgründe wurden um 115.000 gekauft. Auch hier wird Ersatz in Form von Rückstellung verlangt. Bei der Rennbahn, welche um S 20.000 vom Bund gekauft wurde, ist ebenfalls Rückstellung notwendig und noch zu leisten. Das vordringlichste Problem, welches über Stey¬ hinausgeht und ganz Europa betrifft, ist die Wohnungse¬ not, sie droht uns über den Kopf zu wachsen. Einzelne Familien erleben Furchtbares. Es ist schrecklich, diese Zu¬ stände zu sehen und nicht helfen zu können. Dieses Pro¬ blem kann nicht im Rahmen einer Gemeinde endgültig gelöst werden. Das Möglichste wird getan, Baugründe werden hergegeben, Aufschließung derselben wird mit größten Opfern durchgeführt. Wirklich gelöst kann es nur durch ein Wohnbaugesetz werden, welches durchgreift, nicht jedoch mit so bescheidenen Mitteln wie bisher. Eine Frage, mit der wir uns ernstlich befassen müssen, ist der Umbau von gemeindeeigenen Häusern zu Wohnungen. Der Posthofumbau wird in wenigen Tagen in Angriff genommen. Es geht nicht an, nur von der Gemeinde Wohnungen zu verlangen. Die Steyr=Werke beabsichtigen zweihundert Wohnungen zu errichten, die Ennskraftwerke haben bereits 8 Häuser gebaut. Alle anderen sind jedoch unzugänglich. Die Polizeiverwaltung mit 150 jungen Menschen, welche Woh¬ nungen benötigen, sowie die Beamten vom Gericht und der Finanz, der Krankenkasse und die neu zugezogenen Arzte sowie Personen, welche in Steyr ihren Beruf aus¬ üben wollen, kommen alle zum Bürgermeister und fordern Wohnungen. Niemand baut jedoch. Auch die anderen Be¬ hörden und Firmen müssen zum Bau herangezogen werden. Die Gemeinde allein kann es nicht machen. Auf dem Gewerbesektor wurde die Monopolstellung der Steyr=Werke zu mildern gesucht, um nicht von der Konjunktur einer so großen Firma abhängig zu sein. Das Gewerbeleben wurde auf breiterer Basis fundiert, zirka 50 neue Firmen mit etwa 1000 Beschäftigten entstanden. Dies ist allerdings als Gegengewicht zu den Steyr¬ Werken zu wenig. Wir haben Vertrauen zu den Steyr¬ Werken, sie haben immer Spitzenerzeugnisse auf den Markt gebracht, aber eine unverfchuldete Krise derselben zieht die Stadt zutiefst in Mitleidenschaft. Die Jugend zwischen 14 und 17 Jahren braucht sportliche Betätigung. Als Ausgleich für Kino, Tanz usw. Wie entziehen wir diese Jugend der Straße? Indem wir sie an Sport binden. Die gemeindeeigenen Sportplätze sind in Betrieb. Der Turnplatz des ehemaligen „Bölki¬ schen Turnvereines“ steht in der Verwaltung, jedoch nicht im Eigentum der Gemeinde. Dieser Platz ist mit Aus¬ nahme der für Schulen und Turnvereine vorgesehenen Stunden für alle zugänglich. Über S 100.000:— wurden bereits für Adaptierungen dieses Platzes aufgewendet. Dieses Geld ist jedoch nicht verloren, wenn die Gemeinde das Eigentumsrecht über diesen Platz nicht bekommt. Der übernehmende müßte hiefür Ablöse bezahlen. Auch die Rennbahn ist verbaut worden. Sie muß daher instandgesetzt werden, um für die Stadt eine Ein¬ nahmequelle wie etwa in Wels, zu eröffnen. Die Steuerpolitik ist im allgemeinen von den Steyr¬ werken abhängig. Wir hoffen, daß von diesen heuer erst¬ malig eine Gewerbesteuer entrichtet werden kann. Die Grundsteuerhöchstsätze von 420% wurden bis jetzt nicht eingehoben, sondern nur ein Satz von 230%. Ob wir das durchhalten, kann nicht gesagt werden, da das Not¬ opfer nach dem höchsten Satz von 420% von uns ge¬ leistet werden muß. In der Verwaltung selbst muß gespart werden. Kriegs= und nachkriegsbedingte Ämter werden nach sozi¬ alen Gesichtspunkten aufgelöst werden müssen. Aus all dem sehen Sie, daß viel und fleißig gear¬ beitet und gespart werden muß, mit den geringsten Mitteln ist der größte Erfolg zu erzielen. Wenn die Gemeindeväter nach uns, nach ihrem Amtsantritt sagen müssen, daß die jetzige Gemeindevertretung fleißig war, und gespart hat, können wir zufrieden sein. Ich möchte nicht schließen, ohne den Verwaltungs¬ beamten den Dank auszusprechen, denn der Funktionär ist auf eine einwandfreie Verwaltungsarbeit angewiesen. Wir haben sehr tüchtige Beamte und ich hoffe, daß sie sich wie bisher mit demselben Eifer der Sache widmen werden. Bei einem Bericht an den Rechnungshof für noch notwendige Auslagen kam eine Summe von S 88 Milli¬ onen heraus. In der Stadt der Versäumnisse ist sehr viel nachzuholen. Bei Problemen für Generationen wäre es überflüssig, unsere Kraft und unsere Nerven in poli¬ tischen Reibereien zu verzetteln. Daß Parteien verschiedener Meinung sind, ist klar. Meinungsverschiedenheiten können sachlich, vornehm und fair ausgetragen werden. Grobe Worte verletzen. Die Vergangenheit war mustergültig. Ich bitte, Ihr Temperament und Ihre Leidenschaft im Zaume zu halten. Ich selbst werde recht und gerecht handeln, ich weiß, daß ich von der SPÖ. in den Gemeinderat ent¬

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