Gemeinderatsprotokoll vom 6. April 1946

2. Ordentliche Sitzung. Protokoll über die 2. ordentliche Sitzung des Gemeinderates der Stadt Steyr am 6.April 1946. Öffentliche Sitzung. Anwesende : Bürgermeister Leopold Steinbrecher als Vorsitzender, die Bürgermeisterstellvertreter Gottfried Koller und Franz Paulmayr die Stadträte Azwanger Anton Enge Franz Dedic Karl Wabitsch Ludwig Ebmer Johann die Gemeinderäte Ennsthaler Wilhelm Schanovsky Hans Fellinger Josef Schnabl Franz Fischer Karl Steininger Oskar Fischer Franz Trauner Franz (Spö) Hochgatterer Anton Trauner Franz (ÖVP) Huemer Alois Voglsam Josef Mayrhofer Josef Weindl Anton Moser August Wipplinger Karl Pickl Hermine Wohlfahrt Josef Pöschl Franz Wöhrer Hubert Pöschl Josef Wokral Josefine Ribnitzky Vinzenz Zeilinger Gangolf Riha Karl Russmann Julius Vom Magistrat : Mag.Dir. Dr. Ferdinand Häuslmayr, Mag.Dir. Stellv. Dr. Karl Enzelmüller Entschuldigt sind : St.R. Hans Kahlig und Gem.Rat Hans Rathmoser.

Beginn der Sitzung: 15 Uhr. Der Alterspräsident Gemeinderat Julius Russmann eröffnet die Sitzung des Gemeinderates und führt folgendes aus: „Mein Gruss und Dank gilt der bisherigen kommissarischen Leitung der Stadtverwaltung mit dem Bürgermeister an der Spitze, der wir Dank sagen für all die Mühen, die sie auf sich genommen, als sie sich für die öffentlichen Funktionen zur Verfügung gestellt hat. Und zum heutigen Anlass: Meine verehrten Damen und Herren! Verehrliche Mitglieder des neuerstandenen Gemeinderates der autonomen Stadt Steyr ! Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe zuteil, Sie heute bei dieser Zusammenkunft nach den langen Jahren der Not, der Trübsal, geistiger und physischer Knechtschaft,nach einer Blutorgie ohnegleichen, wieder als öffentliche Funktionäre begrüssen zu dürfen, was ich hiemit mit aller Achtung vor der Vertretung der Steyrer Bevölkerung besorge. Wie ein wüster Traum liegen die abgelaufenen 12 Jahre hinter uns. Trotz der nur langsamen Erholung aus diesem fürchterlichen Erleben eint uns doch heute schon der Wille und die Hoffnung auf die neue fruchtbare Arbeit zum Wohle unserer Heimat, unserer alten Stadt als einem Symbole emsigsten Menschenfleisses, in unserem schönen Vaterlande Österreich. Es eint uns aber auch der Wille zur Entfaltung und Erhaltung der solange geschändeten menschlichen Freiheit und einer wahren aufrichtigen Demokratie. Ich erkläre hiemit die 1. Gemeinderatssitzung 1946 in der Stadt Steyr für eröffnet." Wir schreiten somit zur Tagesordnung. 1.) Wahl des Bürgermeisters. Die Wahl erfolgt mittels Stimmzettel, um deren Einsammlung

und Sichtung Herr Gemeinderat Julius Russmann die Herren Dedic, Wabitsch und Moser ersucht. Der Alterspräsident verkündet das Wahlresultat: Von den abgegebenen 34 Stimmen entfallen 33 auf Bürgermeister Leopold Steinbrecher. Die Wahl des Bürgermeisters wird von allen Parteien mit Applaus begrüßt. 2.) Wahl der Bürgermeisterstellvertreter und Stadträte. auf Seite 1 bezeichneten Die Bürgermeisterstellvertreter und Stadträte werden mittels Zurufes einstimmig gewählt. Der Alterspräsident beglückwünscht den Bürgermeister und bittet ihn den Vorsitz zu übernehmen. Der Bürgermeister dankt für das ihm entgegengebrachte Vertrauen und verspricht sein Amt unparteiisch und sachlich sein Amt zu verwalten und bittet gleichzeitig den Gemeinderat um ehrliche Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt Steyr. 3.) Angelobung des Gemeinderates. Der Bürgermeister nimmt das Gelöbnis nach der vorgeschriebenen Formel ab. 4.) Berichterstatter Bürgermeisterstellvertreter Gottfried Koller: Zl. 186/Präs. 1946 Bestellung der Gemeinderatsausschüsse. Der Berichterstatter stellt folgenden Antrag: Der Gemeinderat beschließe die Bestellung folgender Ausschüsse: 1.) Finanz- und Rechtsausschuß: Mitgliederzahl: 9 Obmann Steinbrecher Leopold Obmannstellvertreter: Paulmayr Franz Huemer Alois Dedic Karl Russmann Julius Schanovsky Hans Weindl Anton

Wabitsch Ludwig Moser August 2.) Bau- und Verwaltungssauschuß: Mitgliederzahl: 9 Obmann: Paulmayr Franz Obmannstellvertreter: Ribnitzky Vinzenz Mayrhofer Josef Pöschl Josef Trauner Franz (SPÖ) Pöschl Franz Schnabl Franz Wöhrer Hubert Wipplinger Karl 3.) Fürsorgeausschuß: Mitgliederzahl: 9 Obmann: Koller Gottfried Obmannstellvertreter: Azwanger Anton Pickl Hermine Wokral Josefine Zeilinger Gangolf Vogelsam Josef Steininger Oskar Fischer Franz Wohlfahrt Josef 4.) Liquidierungs- und Wiedergutmachungsausschuß: Mitgliederzahl 9 Obmann: Enge Franz Obamannstellvertreter: Fellinger Josef Ribnitzky Vinzenz Fischer Karl Hochgatterer Anton Riha Karl Ennsthaler Wilhelm Wabitsch Ludwig Kahlig Hans

5.) Kultur- und Sportausschuß: Mitgliederzahl: 9 Obmann: Azwanger Anton Obmannstellvertreter: Trauner Franz (ÖVP) Enge Franz Mayrhofer Josef Fellinger Josef Radmoser Hans Ebmer Johann Ennsthaler Wilhelm Moser August 6.) Fremdenverkehrsausschuß: Mitgliederzahl: 9 Obmann: Russmann Julius Obmannstellvertreter Trauner Franz (SPÖ) Huemer Alois Schanovsky Hans Fischer Karl Ebmer Johann Ennsthaler Wilhelm Trauner Franz (ÖVP) Wipplinger Karl. Der Antrag wird einstimmig angenommen. 5.) Bricht des Bürgermeisters Der Bürgermeister erstattet im wesentlichen nachstehenden Tätigkeitsbericht: Die heutige Sitzung des Gemeinderates, der auf Grund des Wahlergebnisses vom 25. November 1945 zusammengesetzt ist, bietet mir die Gelegenheit, vor aller Öffentlichkeit einen Generalbericht zu erstatten. Zur Begründung der späten Anberaumung der Sitzung möchte ich folgendes anführen: Wer den Betrieb in diesem Hause seit dem Zusammenbruch kennt, weiß, daß alle leitenden und führenden Funktionäre ihre ganze Kraft aufbieten müssen, um nur die laufenden Geschäfte zu erledigen. Ein Abnehmen des Parteienverkehres ist nicht wahrnehmbar, im Gegenteil: Er hat sich in den letzten Wochen

in einem kaum mehr zu bewältigendem Maße gesteigert. Ich erwähne nur die Abtransporte der Reichsdeutschen, der Sudetenund Volksdeutschen usw., wobei es sich hier vielfach um verzweifelte Menschen handelt, die mit allen Mitteln der Ausweisung zu entgegen trachten. Ich beschränke diesen Bericht auf die Zeit vom Beginn meiner Amtstätigkeit, da mein Vorgänger über die Zeit vorher eingehend berichtet hat. Im Vordergrund steht das Problem des Wiederaufbaues. Mit der Lösung dieses Problems steht und fällt Österreich. Es wäre müssig, die ungeheuren Schwierigkeiten in diesem Saale zu behandeln, sie sind der gesamten Öffentlichkeit nur zu gut bekannt (Demarkationslinien, Besatzung usw.). Ich will kurz andeuten, was in dieser Hinsicht im letzten Halbjahr geschehen ist: Hochbau: Instandsetzungsarbeiten und bauliche Änderungen in den städt. Versorgungshäusern, Adaptierungen in den ehem. Gestaporäumen in der Industriehalle, Abtragen des bombenbeschädigten Hoftraktes des Realschulgebäudes, Aufstellung einer prov. Garage im Bauhof mit Pflasterung des Garagebodens und der Zufahrtsstraße zur Garage. Straßenbau: Verbreiterung der Sepp-Stögerstraße, Herstellen einer Zufahrtsstraße zu den Flakhallen an der Ennserstraße. Instandsetzung der wassergebundenen Schotterstraßen: Beschotterung, Aufbringen von Decksand, stellenweise Bewalzung in Aichet, Almrauschweg, Arbeiterstraße, Artilleriestraße, Blumauergasse, Blümelhuberstraße, Ennserstraße, Eisenstraße, Fabrikstraße, Fischergasse, Grenzgasse, Gutenbergstraße, Haagerstraße, Haratzmüllerstraße, Huberberg, Hundsgraben, Industriestraße, Jägergasse, Klein aber Mein, Leitnerberg, Luftwaffenstraße, Leopold Werndlstraße, Michaelerberg, Mitteregasse, Neulust, Neustiftstraße, Neutor, Oberer Ennskai, Pfefferlberg, Plattnerstraße, Posthofberg, Promenade, Pyrach, Quenghofstraße, Ramingstraße, Rennbahngasse, Seitenstettnerstraße, Schloßpark, Schlüsselhofgasse, Schnallenberg, Schuhbodengasse, Schweizergasse, Stadlmayrgasse, Steinergtraße, Steinwendtnerweg, Stelzhamerstraße, verlängerte Schweizerstraße, Taborweg, Vogelwiese, Wasserberg, Wachtberg, Wehrgrabengasse, Wirtschaftsamt-Hof, Wolfernstraße und Woldrichstraße.

Instandsetzung der Schotterstraßen mit Oberflächenbehandlung (Asphalt und Teer): Artilleriestraße, Blumauerstraße, Haratzmüllerstraße, Posthofstraße, Promenade, Redtenbachergasse, Sierningerstraße, Schlüsselhofgasse, Schwimmschulstraße und Stelzhamerstraße. Instandsetzung der Pflasterstraßen: Berggasse, Blumauerstraße, Duckartstraße, Damberggasse, Eisenstraße, Fabrikstraße, Fischergasse, Gleinkergasse, Grünmarkt, Haratzmüllerstraße, Neutor, Mitteregasse, Schüsselhofstraße, Stadtplatz, Tomitzstraße, Untere Kaigasse und Engegasse. Instandsetzung der Holzpflöckelpflasterung: Neutor- und Steyrbrücke. Instandsetzung von Holz- und Eisenbetongeländern: Bergerweg, Kollergasse, Leop. Werndlstraße, Wehrgrabengasse und Zwischenbrücken. Brückenbau: Instandsetzung der Inneren Reiterbrücke (Holzbrücke), Revision der Holzbrücken des Stadtgebietes. Wasserversorgung: Fortsetzung der Untersuchungen des Straßenrohrnetzes im Stadtteile Münichholz, Revision der Auslässe in den Häusern Münichholz, Umlegung der Steigleitungen im Raderflurbrunnen des Brunnenfeldes Dietachdorf, Aufstellung eiserner Montagegerüste bei den 2 Brunnen des Brunnenfeldes Dietachdorf. Wasserbau: Errichtung einer Betonstützmauer beim alten Gerinne am Gsangswehr, Zuschütten des Gerinnes und Herstellen einer Pflasterung zum Schutze gegen Auswaschungen. Entwässerung: Herstellen eines Verbindungsstückes in den Hauptkanälen, (Brauchwasser- und Regenwasserkanal) im Bauabschnitt III Münichholz, Herstellen der restlichen Anschlußkanäle für Brauchund Regenwasser im gleichen Bauabschnitt, Herstellen eines Hauskanales im Realgymnasiumsgebäude, Instandsetzung des Straßenkanals in der Haratzmüllerstraße, Mayrstiege, im Münichholz, in der unteren Kaigasse, Freilegen der Kanaleinmündungen am Ennskai. Beseitigung von Kriegsschäden: Zuschüttung von Bombentrichtern am Bergerweg, Schuttabräumungsarbeiten in der Damberggasse, Jägergasse, Johannesgasse und Raminggasse, Abtragungs- und Schuttabräumungsarbeigen bei den bombengeschädigten Häusern am Stadtplatz und in der Enge. Luftschutzstollen: Abtragung des Warndiensthäuschens beim Märzenkeller, Sprengen des Luftschutzbaues beim Märzenkellereingang, Abtragung der Einbauten in den Stollengängen Märzenkeller.

Aus diesen Daten geht wohl mit aller Deutlichkeit hervor, daß wir im letzten Halbjahre nicht müßig waren, wiewohl Arbeitermangel und Schwierigkeiten der Materialbeschaffung äußerst hemmend wirkten. Der Außenstehende, der so leicht zum Kritisieren neigt, ahnt nicht, welche Unsumme von Arbeitsleistungen aufgewendet werden muß, um die Dinge in Fluß zu erhalten. So viel über die bisher geleisteten Arbeiten. Und nun über die Pläne der nächsten Zukunft! Vorausgesetzt natürlich, daß die finanzielle Lage, über die ich ja noch zu sprechen habe, die Realisierung dieser Pläne ermöglicht. So ist geplant; die Neugestaltung der Enge und des Baublockes Damberggasse - Johannesgasse - Pachergasse, der Neuaufbau des Hoftraktes des Realschulgebäudes, der, wenn nicht besondere Ereignisse eintreten, nahezu gesichert ist. Ich darf sagen, daß die Vollendung dieses Werkes eine Kulturtat ist, da ja die heutige Schule allen Anforderungen eine Schulgebäudes hohnspricht. Als weitere Arbeiten kommen noch in Betracht: Straßenbau: Ausbau des Mündungsplatzes Duckartstraße-Eisenstraße und zwar Bau einer Stützmauer, Verlegung eines Hausstiege, Pflasterrung mit Kleinsteinen, Pflasterung der beiden Rampen der neuen Annabrücke, mit Kleinsteinen, Pflasterung des Michaelerplatzes, des Vorplatzes bei der Dominikanerkirche. Brückenbau: Herstellen einer Beton-Bogenbrücke (Durchlaß) über den Mühlgraben in Ramingsteg. Wasserversorgung: Bau einer 80 mm Anschlußleitung in der Schuhbodengasse. Beseitigung von Kriegsschäden: Zuschüttung von Bombentrichtern und Laufgräben (Fortsetzung), Abtragungs- und Schuttabräumungsarbeiten, in Klein aber Mein, in der Kollergasse, Bahnhofstraße, Ramingsteg, Zuschütten der Löschwasserteiche bei der Industriehalle, bei der evangelischen Kirche, im Münichholz, Ausbau des Löschwasserteiches bei der Industriehalle zu einem Planschbecken, Ausbau des Deckungsgrabens beim Werndldenkmal zu einer öffentlichen Bedürfnisanstalt. Und noch eine Frage möchte ich in diesem Zusammenhang streifen, die in der Öffentlichkkit lebhaft diskutiert wird. Das ist die Errichtung einer Badeanstalt in Steyr. Sie ist nicht nur eine meiner, sondern, verehrter Gemeinderat, sicherlich auch eine Ihrer größten Sorgen. Die Verwirklichung ist derzeit schwierig und wird noch viel Geduld erfordern. Es

herrscht vielfach die Meinung, daß sich die Gemeinde der Erbauung eines Bades gesichert und alle privaten Interessen ausgeschaltet hat. Dem ist nicht so. Die Notwendigkeit und Dringlichkeit ist zu groß, daß jene Interessenten, die ein brauchbares Objekt am ehesten verwirklichen können, die Prioritär haben. Geplant ist kein Hallenbad, sondern Brausebäder, Wannenbäder und Dampfbäder. Wenn wir bedenken, daß für ganz Steyr ein Miniaturbad mit sage und schreibe vier Badewannen zur Verfügung steht, so müssen wir uns alle Mühe geben, diese Schande so bald als möglich aus der Welt zu schaffen. Und nun ein Wort zu unserer finanziellen Lage! Klar zunächst, daß es sich hier um eine Frage der Staatsfinanzen handelt, um das Problem der Sicherung unserer Währung. Die Stabilisierung unserer Währung ist die Grundlage unserer Entwicklung. Dazu kommt ferner, daß die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden noch nicht geregelt ist. In dieser Hinsicht hat der reaktivierte österreichische Städtebund in seiner konstituierenden Sitzung, die am 10. März 1946 in Wien stattfand, richtunggebende Entschlüsse gefaßt. Die Hauptpunkte sind: Aufrechterhaltung der Finanzhoheit der Gemeinden auf dem Gebiete der Grundsteuer, Gewerbesteuer und Bürgersteuer; eine sozial gerechte Regelung der Kriegsschädenvergütung in dem Sinne, daß diese Schäden von allen Teilen der Bevölkerung nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tragen sind; Schaffung eines Wiederaufbaufonds durch Vermögensabgaben, radikale Besteuerung der Kriegsgewinner, Kreditoperation etc. Außerdem ist es nur ein Gebot der Gerechtigkeit, daß die Nationalsozialisten als die direkt für den Krieg Verantwortlichen durch eine Sonderbesteuerung herangezogen werden. Der Bundesvoranschlag liegt bereits vor. Er wird demnächst im Nationalrat beraten werden. Er trägt für die angeführten Forderungen nicht Rechnung. Es wird Sache der parlamentarischen Behandlung sein, jene Wege zu finden, die zu einem gerechten Finanzausgleich führen. Und nun zur Finanzlage unserer Stadt im besonderen: Ich betone nochmals, daß wir vielfach im Dunkeln tappen, da die Steuergesetzgebung noch nicht geklärt ist, und weiters Probleme zu lösen sind, die seinerzeit Gegenstand der Friedensverhandlungen sein werden.

Die einzigen maßgeblichen Einnahmequellen sind nach wie vor die Gemeindeabgaben- und Gebühren. Das Fehlen anderer Einnahmequellen, insbesondere von Gemeindeeinrichtungen und städtischen Versorgungsbetrieben, wirkt sich äußerst ungünstig aus, umso mehr, als ein Großteil der Steuern zu viel von der wirtschaftlichen Konjunktur abhängig ist. Ein Tiefstand der Wirtschaftskonjunktur verursacht nicht nur ein Absinken der Steuereinnahmen, sondern auch zugleich ein progressives Ansteigen der Ausgaben. Einen zumindest teilweisen Ausgleich könnten eben Erträge aus Versorgungsbetrieben und sonstigen Gemeindeeinrichtungen herbeiführen. Insolange diese Möglichkeit nicht gegeben ist, wird die Gemeinde dieser drückenden Sorgen nie los werden. Und nun zum Ergebnis der vorläufigen Jahresabschlusses: Wie schon eingangs erwähnt, ist die Haupteingangsquelle der Steuerertrag. Eine der beständigsten und von der Wirtschaftskonjunktur nur wenig beeinflußten Steuer ist die Grundsteuer. Sie ist der Ersatz für die seinerzeitige Bodenwertabgabe, Mietaufwandabgabe, Luxuswohnabgabe, die Kommunalabgaben auf den Bodenertrag und den Mietaufwand, die Landes-, Grund- und Gebäudesteuer, den Gemeindezuschlag zur Landesgrundsteuer und die seinerzeitige Zinsgroschensteuer. Ihr Ertrag ist im Jahre 1945 S 633.995,61. Im allgemeinen ist die Höhe der Steuern im Vergleich zum Vorjahr unverändert geblieben. Eine Verringerung der Steuern könnte eventuell dadurch eintreten, daß die Steuerpflicht für totalbombengeschädigte Objekte wegfällt. Dies ist in erster Linie von der Regelung des zukünftigen Kriegssachschädenrechtes abhängig. Die Gewerbesteuer. Sie zerfällt in die eigentliche Gewerbesteuer (eine Objektsteuer) und in die Lohnsummensteuer. In der ersteren wird der Gewerbeertrag und das Gewerbekapital einer Besteuerung unterzogen, bei der letzteren die ausbezahlte Lohnsumme. Sie trat an die Stelle der früheren Lohnabgabe, der Gasverbrauchsabgabe, der Luxusverbrauchsabgabe, der Kommunalabgabe aus dem Fleischverbrauch und der Ankündigungsabgabe. Die Gewerbesteuer ist natürlich von der Wirtschaftskonjünktur am stärksten beeinflußt. Der Gewerbesteuerertrag im Jahre 1942 beziffert sich auf 2,143.057,71 im Jahre 1943 auf RM 1,668.379.30, im Jahre 1944 auf RM 1,474.184. Im Vergleiche zum Jahre 1944 sollte das Jahr 1945 einen Ertrag von 1,100.000.— S abwerfen. Bisher sind jedoch nur S 551.885.--

an Gewerbesteuer zur Einzahlung gebracht worden. Eine Abrechnung der Gewerbesteuer, die auf Grund der Verordnung über die Erhebung der Gewerbesteuer in vereinfachter Form vom 31. III.1943 ab 1.4.1943 vom Staate veranlagt und erhoben wurde und derzufolge die Gemeinden nur anteilsmässig beteiligt werden, ist für 1945 noch nicht erfolgt. Für das Jahr 1945 sollte eine anteilsmässige Aufteilung der im Lande Oberösterreich aufgebrachten Gewerbesteuer an die einzelnen Gemeinden erfolgen. Da weder das Gesamtaufkommen noch noch der Aufteilungsschlüssel bekannt sind, kann auch nicht schätzungsweise der Ertrag für 1945 festgestellt werden. Voraussichtlich wird die Gewerbesteuer im Jahre 1945 S 950.536.-- betragen. Die Lohnsummensteuer hat ebenfalls einen gewaltigen Rückgang aufzuweisen. Während im Jahre 1944 bis einschl. Dezember RM 328.322.07 eingingen, ist der Ertrag im Jahre 1945 S 148.951.44. Sie ist in erster Linie abhängig vom Betriebsumfang der Steyrwerke. Eine weitere Gemeindesteuer ist die Bürgersteuer, eine Personalsteuer, deren Besteuerungsgrundlage das Einkommen, in Einzelfällen das vermögenssteuerpflichtige Vermögen ist. Mit Verordnung vom 5.9.1945 wurden mit der Verwaltung und Erhebung der Bürgersteuer die Finanzämter betraut, und es wurde dann die Steuer später mit der Lohnsteuer gekoppelt, bzw. ist sie in ihr aufgegangen. Ab 1943 ist der Ertrag der Bürgersteuer in Form eines Steueranteiles erstarrt und beträgt pro Jahr S 436.084.--. Für das Jahr 1945 erhielt die Gemeinde lediglich ein Viertel des Ertrages von 1944 überwiesen, das sind S 109.021.-- Die endgültige Abrechnung ist analog der Gewerbestauer noch offen und dürfte S 281.274.18 betragen. Vergnügungssteuer (seinerzeitige Lustbarkeitsabgabe). Die Vergnügungssteuer weist eine steigende Tendenz auf .Die Steuer hat im Jahre 1945 S 47.358.11 betragen, gegenüber RM 32.073.95 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Getränkesteuer umfasst die Besteuerung sämtlicher Getränke mit Ausnahme des Bieres. Diese Steuer ist ebenfalls im Steigen begriffen. Der Ertrag beziffert sich im Jahre 1945 auf S 45.525.69 gegenüber RM 35.470.39 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die übrigen Gemeindesteuern (Hunde-, Pferde- und Jagdsteuer)

sind in ihren Erträgen unbedeutend und wenig veränderlich. Abschliessend ist zu sagen: Bisher ist es uns gelungen, die Finanzen in Ordnung zu halten. Inwieweit dies in der Zukunft möglich sein wird, kann niemand aus den bereits angedeuteten Gründen sagen. In diesem Zusammenhang komme ich auf ein Kapitel zu sprechen, das in immer steigenden Masse die Finanzen der Gemeinde anspannt. Es handelt sich um die Aufgaben auf dem Gebiete der öffentlichen Fürsorge. Der Nationalsozialismus war sehr grosszügig, konnte grosszügig sein, denn das 3. Reich druckte einfach Banknoten in der Hoffnung auf den totalen Sieg. Diese Zeit einer verbrecherischen Finanzpolitik ist vorbei. Dieser Staat konnte den Familien der Eingerückten sehr namhafte Beträge auszahlen. Klar, dass die Reduktion, durch den totalen Zusammenbruch bedingt, Unzufriedenheit bei der Bevölkerung erweckt. Es ist ferner Klar, dass gewissse Elemente mit der betrügerischen Argumentation: "Bei den Nazi ist es besser gewesen,“ ihre dunklen Geschäfte zu machen versuchen. Aber das österreichische Volk muss verstehen: Ein Staat, der völlig ausgeblutet ist, kann keine Finanzpolitik betreiben, die zwangsläufig zur Inflation und damit zum Chaos führte. Und nun kurz einige Zahlen: Die Beträge für Fürsorgezwecke bewegen sich pro Monat zwischen S 130.000,-- und S 320.000--, in der geschlossenen Fürsorge zwischen S 4.000.-- und S 12.000,--. In diesem Zusammenhang sei ein übersichtlicher Bericht über die bisherigen Hilfsaktionen gebracht, schon aus dem Gefühl aufrichtiger Dankbarkeit, die wir den Veranstaltern schulden. 1.) Lebensmittelspende des "Schweizerischen Roten Kreuzes". Schon im Juli 1945, kaum 3 Monate nach Kriegsende, war es das "Schweizerische Rote Kreuz“, das mit einer Hilfsaktion für die Bevölkerung der Stadt Steyr einsetzte. Es wurden 1600 Lebensmittelpakete zur Verfügung gestellt. Die Verteilung erfolgte in der Hauptsache an Altersrentner, Kranke, verschämte Arme und an kinderreiche Familien.

2.) Kindererholungsverschickung in die Schweiz durch das "Schweizerische Rote Kreuz". Im August 1945 kam die Weisung, die Vorarbeiten für den Abtransport von 500 Kindern, die unterernährt und krankheitsgefährdet sind, aus dem Stadt- und Landbezirk Steyr zu treffen. Der Abtransport der Kinder verzögerte sich und konnte erst am 9. Dezember 1945 erfolgen. Am 12. März 1946 kamen die Kinder gut erholt und gekräftigt aus der Schweiz zurück. Gewichtszunahmen bis zu 10 kg konnten festgestellt werden. Ausserdem wurden die Kinder mit den so überaus dringend benötigten Bedarfsgütern wie Kleidung, Wäsche und Schuhe von den Schweizer Pflegeeltern beteilt. 3.) Schweizer Lebensmittelspende. Die Schweizer Lebensmittelspende, eine Aktion des Schweizer Volkes, setzte in Steyr am 16. November 1945 ein und fand mit 25. Jänner 1946 ihren Abschluss. In diese Aktion waren 1850 kranke und unterernährte Kinder im Alter von 2 - 12 Jahren und 350 Säuglinge und Kleinkinder bis zu 2 Jahren aus dem Stadtgebiete Steyr und den umliegenden Industriegemeinden einbezogen. Die Spende erfolgte in Form einer täglichen Jause, die abwechselnd in Milch und Suppe, sowie als Beigabe in Käse, Fleisch und Schokolade bestand. Die Säuglinge und Kleinkinder erhielten Trockenmilch in Dosen verabreicht. Insgesamt wurden für diese Aktion 10.004 kg Lebensmittel aufgewendet. Das Ergebnis dieser Aktion wirkte sich auf den Ernährungszustand der Kinder äusserst befriedigend aus. 4.) Bekleidungsaktion des "Amerk. Roten Kreuzes". Im Dezember 1945 und im Jänner 1946 vollzog sich im Stadtfürsorge- und Jugendamt die bisher grösste aller Aktionen, die Kleideraktion des "Amerikanischen Roten Kreuzes". Insgesamt wurden aus dieser Aktion über 7.000 Personen beteilt Fast 13.000 Wäsche- und Kleidungsstücke gelangten in die hilfsbedürftige Bevölkerung der Stadt Steyr zur Ausgabe. Es handelt sich um ausschliesslich neue Qualitätsware.

5.) Butterspende der Irischen Regierung. Im Wege des Internationalen Roten Kreuzes wurden dem Stadtfürsorge - und Jugendamte Steyr von der Irischen Regierung 4.000 kg Butter zur Verteilung an die Bevölkerung der Stadt Steyr zur Verfügung gestellt. Insgesamt wurden 13.938 Personen mit je einem viertel bzw. halben kg Butter beteilt. Die erhöhte Menge erhielten Lungenkranke und kinderreiche Familien. 6.) Amerikanische Bekleidungsaktion für Heimkehrer. Von der oberösterreichischen Landeshauptmannschaft wurde aus amerikanischen Kleiderbeständen eine grössere Anzahl, zum Teil neuer, zum Teil schon gebrauchter Kleidungsstücke der Gemeinde zur Verteilung an die Heimkehrer übergeben. Bisher langte ein Kontingent von 3.338 Wäsche- und Kleidungsstücken ein. Die Ausgabe ist noch im Gange. Sie erfolgt gegen Abgabe der alten Uniform und Bezahlung eines bescheidenen Regiebeitrages. 7.) Schweizer Kleideraktion für Heimkehrer und notleidende Personen. Auch die Schweiz hat Wäsche und Kleidungsstücke sowie Schuhe für Heimkehrer und notleidende Personen der Stadt Steyr zur Verfügung gestellt. Insgesamt wurden für Heimkehrer rund 4.700 Stücke und für Kinder 394 Stücke sowie 100 Paar Damenschuhe und 11 Paar Herrenschuhe dem Fürsorge- und Jugendamte zur Verteilung übergeben. Die Aktion ist noch im Laufen. 8.) Oberösterr. Heimathilfe - Kleideraktion. Die im Stadtgebiete Steyr durchgeführte Kleidersammlung brachte leider nicht den gewünschten Erfolg, doch konnten trotz des bescheidenen Umfanges 332 Stück Wäsche und Kleider gesammelt werden. 9.) Oberöster. Heimathilfe - Geldsammlung. Einen breiten Raum in der Tätigkeit des Fürsorgeamtes nahm in den letzten Monaten die Geldsammlung zu Gunsten der oberösterr. Heimathilfe ein. Mit dem Stande vom 27.III.1946 betrug das Sammelergebnis S 94.355,--. Die Aktion ist jedoch noch nicht abgeschlossen, es fliessen täglich weitere Beträge ein. 10.) Milchaktion des Amerikanischen Roten Kreuzes. Vom Amerikanischen Roten Kreuz wurden der Gemeinde Steyr 1000 Dosen Trockenmilch zur Verteilung an Tbc- Kranke und krank-

heitsgefährdete Kinder übergeben. Diese Aktion ist ebenfalls noch im Laufen. Im Rahmen einer von mir angeordneten Aktion wurden zu Weihnachten 1000 alte und kränkliche Personen mit Lebensmittelpaketen beteilt. Ich halte es für meine Pflicht, in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates nochmals wärmsten Dank für diese Akte wahrer Solidarität auszusprechen. Ich halte, es für zweckmässig, den Mitgliedern des Gemeinderates auch einen knappen Bericht über unsere Industrie und das Gewerbe zu erstatten. Hackwerke: In den ersten beiden Monaten des Jahres 1946 konnte die Produktion um 117 % gegenüber 1937 gesteigert werden. Aus Steiermark trafen die ersten Rohmaterial Lieferungen ein. Die Werke stellen laufend Arbeiter an. Die ersten Anfragen aus dem Ausland bezüglich Lieferung von Essbestecken und Messerwaren liegen bereits vor. Steyr-Werke: Eine der schwerwiegendsten Entscheidungen, nicht nur für die Stadt Steyr, sondern für den österr. Staat war die Freigabe des Wälzlagerwerkes, wo gegenwärtig Instandsetzungsarbeiten zum Wiederanlauf der Produktion durchgeführt werden. Eines der allerwichtigsten Probleme, die Beistellung von amerikanischen Beutemaschinen für den Beginn der Serienfabrikation des neuen Wagens, konnte noch keiner Entscheidung zugeführt werden. Es soll dieser Tage eine amerikanische Entscheidung in Wien getroffen werden, mit welchem Vorgang die Zuweisung solcher Maschinen überhaupt eingeleitet werden soll. Gewerbe: Der Zustrom von Ansuchen um Erteilung der Gewerbeberechtigung dauert weiter an. Die Zahl der Gesuche wird dadurch erhöht, dass die aus anderen Bundesländern sich hier aufhaltende Kaufleute und sonstige Personen ihr weiteres Fortkommen in der Eröffnung von Geschäften erblicken. Die Rücksicht auf die noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Personen, sowie auf die Existenzgründung von Kriegsversehrten, die Schwierigkeiten in der Warenbeschaffung selbst, bedingen eine äusserste Beschränkung in der Erteilung der Gewerbeberechtigung. In den Geschäften tauchen in letzter Zeit kunstgewerbliche Gegenstände in immer grösserer Menge und Mannigfaltigkeit auf. Wenn auch im Interesse des Fremdenverkehrs und zur Befriedigung der Kauflust der Besatzungstruppen die Hebung dieses Geschäftszweiges begrüsst werden muss, so bedarf es doch einer einheitlichen Lenkung. Hiedurch

soll eine Scheidung zwischen wirklich kunstgewerblichen und kitschigen Erzeugnissen stattfinden. Über den Arbeitsmarkt wäre, was den abgelaufenen Monat betrifft, kurz folgendes zu erwähnen: Im abgelaufenen Monat bestand die Vermittlungstätigkeit des Arbeitsamtes hauptsächlich in der Zuweisung von Arbeitskräften an die Bauwirtschaft und Landwirtschaft. Dabei musste leider festgestellt werden, dass 90 % der ungarischen und niederösterr. entlassenen Kriegsgefangenen, die der Bauwirtschaft zugewiesen wurden, nach einigen Tagen ihre Arbeitsplätze verlassen haben, um nach Hause abzuwandern, bzw. sich im Lande herumzutreiben. Die ständig gemachten Versuche aus anderen Berufen Kräfte für die Bauwirtschaft zu gewinnen, stossen auf den heftigen Widerstand der betreffenden Personen. Die Bestrebungen zur Landflucht dauern an, insbesondere bei den Heimkehrern. Den Heimkehrern wird in der Regel eine mindestens 1 monatliche Erholungszeit zugestanden, bevor sie irgend einer Arbeit zugewiesen werden, da ihr Gesundheitszustand infolge von Unterernährung im allgemeinen sehr zu wünschen übrig lässt. Die Zahl der Beschäftigungslosen beträgt gegenwärtig 3.530, davon sind allerdings bereits 690 zugewiesen, jedoch wurde der Arbeitsantritt noch nicht gemeldet, 830 sind mindereinsatzfähig (davon 268 Kriegsbeschädigte), 440 Ausländer, sodass eine Arbeitsreserve von 1.570 verbleibt, die sich in der Hauptsache aus nicht manuellen Arbeitern zusammensetzt. Die Zahl der offenen Stellen beträgt 1.980, davon entfallen der grösste Teil auf die Landwirtschaft (850) auf die Bauwirtschaft und auf die Hauswirtschaft. Es erübrigt sich, dem Gemeinderate einen Bericht über die Ernährungs lage zu erstatten, die Dispositionen erfolgen vom Landesernährungsamt und sind ja der Bevölkerung durch die Tageszeitungen hinlänglich bekannt. Eines der wichtigsten Probleme stellt die Rückführung der hier ansässigen rund 7.500 Fremden dar, die sich derzeit noch in der Stadt befinden. Hierbei darf gesagt werden, dass bereits 20.000 Personen aus dem Stadtgebiet abbefördert wurden oder selbst einen anderen Aufenthaltsort gewählt haben. Der Nationalität nach haneldt es sich zum überwiegenden Teil um Sudeten- und Volksdeutsche aus der CSR, Ungarn, Rumänien und Jugoslavien. Das Problem der Reichsdeutschen kann bis auf die Frage der Frauen, die früher Österreicherinnen waren und einen Reichsdeutschen geheiratet haben, als gelöst an-

sehen werden. In Steyr befinden sich derzeit noch 386 Frauen, deren Staatsbürgerschaft auf diese Weise noch ungeklärt ist. Eine Entscheidung ist in Kürze zu erwarten. In der Frage der Sudetendeutschen wird wohl von Landes wegen eine einschneidende Veringerung der hier weilenden Personen in Frage kommen. Die Stadtverwaltung hat die Gelegenheit, aus dem grossen Reservoir der Menschen besonders wertvolle Kräfte auszusondern und hier ansässig zu machen. Ganz besonders wird auf die Personen des Gablonzer-Kreises verwiesen, die weltberühmte Industrieartikel zu erzeugen imstande sind. Der Rücktransport der anderen Nationalitätsgruppen wird im Einvernehmen mit den amerikanischen Dienststellen ständig fortgeführt. Das hier besondere Transportschwierigkeiten vorhanden sind, braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden. Das Problem im Ganzen gesehen, wird wohl bis Ende dieses Jahres im wesentlichen gelöst sein. Ich komme nun auf das gegenwärtig brennendste politische Problem Österreichs zu sprechen: Denazifizierung. Staatspolitisch von höchster Bedeutung. Wenn man bedenkt, dass in Osterreich rund 500.000 Personen registriert sind und dass, gering gerechnet 3 Angehörige in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass sich also rund 2,000.000 deklassierte Menschen ergeben, so muss man zu dem Schlusse kommen, dass ein Staat mit einem Drittel seiner Bevölkerung, die nicht vollwertige Staatsbürger sind, niemals aufbaufähig sein kann. Man kann nicht 2,000.000 Menschen schaffen, die nicht mehr zu verlieren haben. Wenn auch klar ist, und mit aller Schärfe betont werden muss, dass es sich um eine Kollektivschuld handelt, so muss - im Abstand zu den Sadisten des Dritten Reiches - doch aus Gründen der Gerechtigkeit differenziert werden. In dieser Hinsicht wird ja, wie aus den Tageszeitungen bekannt ist, ein Gesetzesentwurf vorbereitet. Es ist nur zu wünschen, dass er bald zum Gesetz wird, damit auf diesem Gebiete endlich Ruhe und Sicherheit eintritt. Was Steyr anlangt, so liegen bis jetzt folgende Ziffern vor: Gesamtzahl der Registrierten 3.022 Zahl der Entregistrierungsgesuche 2.744 Von den Registrierten sind : Illegale 391 Parteifunktionäre (vom Zellenleiter aufwärts) 203 Funktionäre der Gliederungen (vom Untersturmführer aufwärts) 8.

SS 29 Übrige Gliederungen (SA, NSKK, NSFK) 2.344 Reine Anwärter 47 Was die Frage der Denazifizierung der Geschäftsleute betrifft, so bestanden hier mannigfache Schwierigkeiten, um zu einer raschen und gründlichen Durchführung zu gelangen. Die grössten Schwierigkeiten lagen auf rechtlichem Gebiet. Einerseits waren die sogenannten Wiener Gesetze in Oberösterreich nicht in Kraft gesetzt worden, und andererseits waren die Vorschriften der Militärregierung einzuhalten. Die letztgenannten rechtlichen Bestimmungen lassen nur für eine kleine Gruppe von ehemaligen Funktionären der NSDAP einen Spielraum zur Denazifizierung. Inzwischen ist auch das Verbotsgesetz in Kraft getreten und das Wirtschaftssäuberungsgesetz hat Rechtskraft erlangt. Mit diesen beiden Gesetzen kann ein grosserer Kreis nun zur Behandlung gelangen. Die nötigen Massnahmen sind auch bereits eingeleitet. Damit sie auch nach aussenhin sichtbar werden, fehlt jedoch wieder eine rechtliche Bestimmung, nämlich die Kundmachung des Gesetzes über die öffentlichen Verwalter. Die Rechtslage ist demnach gegenwärtig so, dass man zwar einen Geschäftsmann von seinem Geschäft entfernen kann, jedoch ein Verwalter nicht bestellt werden kann. Daraus ergibt sich, dass eine Gemeindeverwaltung, die das Bestreben hat, wirtschaftsfördernde Massnahmen zum Durchbruch zu verhelfen, nur zögernd diese gewiss einschneidenden Massnahmen durchführen wird. Die Wirtschaft hat nichts davon, wenn ein Geschäft geschlossen wird und ein entsprechender Nachfolger nicht bestellt werden kann. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen tiefeinschneidende Massnahmen getroffen. So wurde die Fa. Wild an 2 Kaufleute übergeben und für die Restabwicklung des Geschäftes ein Treuhänder bestellt. Trotz der schwierigen Verhältnisse konnte hier ein klagloser Übergang der Belieferung der Bevölkerung erzielt werden. Ähnlich gestaltete sich die Denazifizierung des Geschäftes Leonhartsmayr, der die später in Angriff genommene Bereinigung bei den Firmen Petermandl und Weidinger folgte, wobei gerade bei diesen Firmen gesagt werden muss, dass es nicht so leicht war, einen geeigneten Treuhänder zu finden. Für das Gaswerk wurde ein Vertreter der Stadt als

als Treuhänder bestellt. Derzeit sind eine Reihe weiterer Fälle in Behandlung, doch ist eine endgültige Entscheidung über die Besetzung der Treuhänderstellen noch nicht ergangen. Was die Säuberung des Angestelltenapparates des Magistrates anlangt, so möchte ich folgendes sagen: Das Wesentliche ist während der Amtszeit meines Vorgängers geschehen, der darüber eingehend Bericht erstattet hat. Festgestellt sei, dass Verfügungen dieser Art seit Monaten durch die C.I.C. erfolgen und dass mir lediglich beratende und instruierende Stellung zukommt. Im übrigen gilt das bereits Gesagte auch hinsichtlich der Beamtendenazifizierung. Zusammenfassend teile ich mit: Entlassen würden bisher 20 Beamte und 20 Angestellte. Entpragmatisiert und in das jederzeit kündbare Angestelltenverhältnis überführt wurden 11 Beamte. Bei diesem Anlass möchte ich noch folgende Feststellung machen: Die Denazifizierung ist nicht nur ein politisches Problem, sie ist auch - was den öffentlichen Dienst anbelangt - ein verwaltungstechnisches Problem. Das muss der verantwortliche Bürgermeister bei jeder Entscheidung ins Kalkül ziehen, denn er trägt letztlich die Verantwortung für den klaglosen und jetzt wahrhaftig äusserst erschwerten Dienst aller Magistratsämter. Zum Schluss unsere Beziehungen zur Amerikanischen Militärregierung. Ich kann zu meiner grössten Genugtung feststellen, dass ich jederzeit volles Verständnis und Unterstützung gefunden habe. Die Vertreter der Militärbehörden sind von uns als Freunde geschieden. Sie haben an unserer Arbeit gesehen, dass wir am Aufbau der 2. Republik als ehrliche Verwalter mitarbeiten. Seit einer Woche ist in Steyr die Militärregierung aufgelöst. Ich möchte von dieser Tribüne aus dem letzten Gouverneur Lt. Ferentschak, mit dem ich am längsten zusammengearbeitet habe, offiziell herzlichsten Dank für seine Mitarbeit ausdrücken. Aus dem Bericht, der ja die Probleme nur andeuten konnte, kann man wohl ersehen, dass wir konstruktive Arbeit geleistet haben. Man muss aber auch ersehen, dass uns eine unermessliche Arbeit bevorsteht, eine Arbeit, die nur in der ehrlichen Zusammenarbeit aller demokratischen Kräfte geleistet werden kann. In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Mitarbeit, bitte Sie die Bevölkerung immer und immer wieder aufzuklären.

Wir wollen nicht in den vergangenen Wunden wühlen, wir wollen sie zu heilen versuchen. Wir brauchen allerdings die Hilfe der alliierten Mächte, aber wir wollen nicht Bettler sein, wir wollen unsere ganze Kraft in den Dienst der Stadt Steyr und damit unseres Vaterlandes einsetzen." Abschliessend dankt der Bürgermeister den Verwaltungsbeamten für ihre enorme Arbeitsleistung. Er gibt auch seiner Freude Ausdruck, dass einige Beamte wieder reaktiviert wurden. Die Reaktivierung des Herrn Magistratsdirektors Dr. Ferdinand Häuslmayr wird von allen Parteien mit Applaus begrüsst. Der Bericht des Bürgermeisters wird von Bürgermeisterstellvertreter Gottfried Koller zur Debatte gestellt. Es wird keinerlei Einwand erhoben. 6.) Stadtrat Anton Azwanger: Zl. 184/Präs. 1946 Enrica v. Handel-Mazzetti, Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Der Berichterstatter führt im wesentlichen folgendes aus: "Meine Frauen und Herren! Steyr ist in aller Welt bekannt, bestens bekannt. Dafür gibt es verschiedene Gründe! Einer ist die Schönheit unserer Stadt, der Reiz ihrer Umgebung! Ich brauche nicht das Bild Steyrs zu zeichnen, das Bild einer Stadt mit steil gegiebelten Häuserzeilen, der Burg auf hohem Fels, dem Rauschen der 2 Flüsse an seinem Fuss, der Stadt mit ihren engen Gassen und Gässchen, ihren verträuten Plätzen, der Stadt aber auch der rauchenden Schlote über weiten Werkshallen, die von nimmerruhender Arbeit künden! In diesen Zügen unserer Stadt ihrer an die Vergangenheit gemahnenden Bauweise, dem gegenwartsvollen Schaffen, das hochwertigste Produkte zeitigt, ist ein Motiv des Rufes unserer Stadt begründet. Ein anderes schafft die Landschaft, in der sie liegt. Die gnadenvolle Fülle und die Schönheit der Umgebung! Denken Sie an die waldbestandenen Höhen, die in weitem Schwung unsere Stadt umfangen und in fernem Verschweben die Firne der Hochalpen ahnen lassen! Vergessen Sie nicht die segensreiche Fruchtbarkeit der Gefilde rings um Steyr.

Ich müsste Ihnen das Bild der Stadt und der Landschaft zeichnen, deren Wesen uns das glückhafte Leuchten unserer Augen verschaft, wenn wir von "unserer Heimat" reden!! Das Erleben dieser Landschaft und das Wissen um die Sendung dieser Stadt hat dem Schaffen der grössten lebenden Dichterin Österreichs, der Epikerin Enrica von Handel-Mazzetti die formende Kraft verliehen, die in den widerstreitenden Problemen ihrer Werke sich immer wieder zur ausgleichenden Lösung durchringt. Unsere Stadt dankt der Dichterin für vieles! Enrica von Handel-Mazzetti hat Steyr durch ihre Werke "Stephanie Schwertner" und "Die arme Magret", in denen sie Wesenszüge aus der Geschichte der Stadt aufzeigt und die Schönheit der Landschaft schildert, in der ganzen Kulturwelt bekannt gemacht! Die Dichterin hat in den Notjahren um 1930 fast 500 armen Steyrerkindern einen langen Erholungsaufenthalt im Auslande ermöglicht. Sie hat damit bewiesen, dass sie wahrhaftig eine Künderin nicht nur, sondern eine Praktikerin wahrer Menschlichkeit ist. Schliesslich dankt ihr die Steyrer Bevölkerung für die österreichische Sendung, die sie in all ihren Werken erfüllt und die da heisst: Duldsamkeit und Menschenliebe! Aus all diesen Gründen hat am 75. Geburtstag der grossen Dichterin, der symbolhaft in die Zeit der Wiedergeburt Österreichs nach langen Schreckensjahren fiel und den wir am 10. Jänner d.J. begingen, in der Reihe der Gratulanten auch die Stadt Steyr nicht gefehlt. Und um die Dichterin wissen zu lassen, wie sehr die Stadt und ihre Bewohner, ihr und ihrem Schaffen dankbarst verbunden sind, stelle ich den Antrag: Der Dichterin Enrica v. Handel-Mazetti wird anlässlich ihres 75. Geburtstages im Sinne des § 5 des Gemeindestatutes für die Stadt Steyr die Ehrenbürgerwürde verliehen.

Enrica von Handel- Mazzetti hat durch ihre Romane Steyr in der ganzen Welt bekannt gemacht. Ihre Werke sind heute Gemeingut der ganzen Kulturwelt, sodass die Verleihung der Ehrenbürgerwürde, als höchste vom Gemeinderat zu vergebende Auszeichnung wohl begründet ist. Ich bitte Sie, meine verehrten Frauen und Herren, dem Antrage einmütig zuzustimmen! Steyr und sein Gemeinderat ehren sich selber damit!" Der Antrag wird einstimmig angenommen. 7.) Berichterstatter Stadtrat Anton Azwanger: Zl. 185/Präs. 1946 Sanktionierung der Verfügungen des Bürgermeisters. Der Berichterstatter stellt folgenden Antrag: Der Gemeinderat sanktioniere nachträglich alle vom Bürgermeister in der Zeit vom 14.IX.1945 bis 6.IV.1946 erlassenen Verfügungen, Anordnungen und Entscheidungen personeller und sachlicher Art, die nach den Bestimmungen des ehemaligen Gemeindestatutes in die Kompetenz des Stadtrates gehörten. Im übrigen gelten die Bestimmungen des Gemeinderatsbeschlusses vom 14.9.1945, Zl. 404/Präs. 1945. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Der Bürgermeister erklärt die Sitzung für geschlossen. Schluss der Sitzung: 16 Uhr 15. Der Vorsitzende:

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