Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—66— Thema der vorliegenden Arbeit war es auch, anhand historischer, wirtschaftlicher und kultureller Forschung den Denkmalwert der Ersten Zeugstätte des Wehrgrabens in Steyr nachzuweisen und den Einfluss des Eisengewerbes auf die Stadtentwicklung deutlich zu machen. Der Wehrgraben als Stadtteil, als Gerinne und Seitenarm der Steyr, sowie als Produktionsstätte am mittelalterlichen „Wassergepäu“ aufs engste mit dem Leben und dem Schicksal der Stadt verbunden, sollte anhand einer seiner vier Zeugstätten, und zwar der Ersten, weil vermutlich der ältesten und am besten erhaltenen, untersucht werden. Es sollte der denkmalpflegerische Wert und damit die Rechtfertigung für die Erhaltung noch vorhandener, schutzwürdiger Substanz nachgewiesen werden. Der Kern des Denkmals „Erste Zeugstätte am Wehrgraben“ war die Truglmühle, deren Bestand schon 144435 angenommen wird. Um diesen Nucleus bildete sich an beiden Ufern des Gerinnes eine Gruppe von Werkstätten an einem gemeinsamen Wehr. Um 1620 wurden weitere Schleifen unter geschickter Ausnützung des zur Verfügung stehenden Platzes im Gerinne selbst platziert. Der Bereich der Zeugstätte war voll ausgebaut. Das unterschlächtige, hölzerne Wasserrad stellt die Einheit für die Energiegewinnung dar. Die Anzahl der betriebenen Maschinen, Mühlgänge, Hämmer und Schleifen richtete sich nach der Energieausbeute der Wasserräder. Es entstanden kleine Werkstatteinheiten, die man addieren konnte, wie es Lorentz Gutprot (gestorben 1527) und 1620 Joachim Händl, der Baustoffhändler und Bürgermeister der Stadt war, taten. Die gemeinsamen Wasserbauten und der enge Zusammenbau der Werkstatthütten erforderten eine gemeinsame Pflege und Erhaltung der Anlage, die in der für den ganzen Wehrgraben gültigen Ordnung von 1529, der Freiheit von 1564 und der Anzeige der Stadt im Jahre 1585 reglementiert wurden. Von 1529 an ist die Entwicklung am Graben anhand von Urkunden und anderen Quellen zu verfolgen. Während zu Gutprots Zeit um 1527 siebenWasserräder in der Ersten Zeugstätte in Betrieb standen, waren es nach einer Spezifikation 1664 sechzehn Räder, deren Zahl bis 1880 auf siebzehn anstieg. Der Bereich an der oberen Gefällstufe des Wehrgrabens war 1664 voll ausgebaut. Während zwischen 1664 und 1880 zwölf verschiedene Besitzer in der Regel dreizehn Werkgaden in Besitz hatten, gab es 1900 noch elf, 1910 sieben und 1920 nur noch vier Besitzer für den Bereich der Zeugstätte. 1985 waren sie auf drei grundbücherliche Eigentümer geschrumpft. 1867 wurde die Papiermühle der Ehegatten Hofmann zur Papierfabrik. Die Ehegatten Putz errichteten neben ihrer Schleife eine Nagelfabrik. 1891 baute Franz Werndl auf der Liegenschaft des Feilhauerhandwerkes eine Fabrik, die ursprünglich zur Nagelerzeugung bestimmt war. Die Firma Winternitz' Neffen kaufte ab 1885 kleine Betriebe auf und richtete eine Stahlwarenfabrik ein. Die größeren Betriebe kauften Schleifen auf, um sich Reserven an Wasserenergie zu sichern. Mit der beginnenden Industrialisierung traten anstelle der kurzlebigen, hölzernen Werkstatthütten massive Gebäude. Die hölzernen Wasserräder wurden zum Teil durch Eisenkonstruktionen ersetzt. Zusätzlich wurden Stationärmotoren zu Energieerzeugung installiert. Das Äußere der neuen Gebäude entsprach der zeitgemäßen Industriearchitektur. 1905 wurden fünf der elf Betriebe im Bereich der Zeugstätte als Fabrik bezeichnet. Räumlich am stärksten expandierte die Firma Winternitz' Neffen, die bis 1920 sieben kleine Betriebe aufgekauft hatte. Durch Erwerbungen der Firma Franz Werndl' s Nachfolger bestanden 1917 nur noch vier selbständige Betriebe in der Zeugstätte. Wirtschaftliche Schwierigkeiten in der Zwischenkriegszeit, veraltete Bauten mit unzukömmlichem Raumgefüge, begrenzte Energieausbeute, untaugliche Verkehrsanschlüsse und Verteuerung der Arbeitskräfte führten zum Niedergang der Unternehmen. Auch häufige Überschwemmungen, die in früheren Zeiten bei der einfachen Werkstatteinrichtung weniger Schaden anrichten konnten, wirkten sich sehr nachteilig auf das Betriebsgeschehen aus. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde noch einmal in allen Objekten gearbeitet. 1956 wurden durch die Wasserrechtsbehörde Pläne der noch in Nutzung stehenden Wasserkraftanlagen eingefordert. Es standen noch die Fluder 1 und 2, zu einem Fluder zusammengezogen, fallweise bei der Firma Pelz in Betrieb. Auch die Firma Werndl's Nachfolger nützte ihre Anlagen noch. Die Fluder 3, 5, 6 und 7 waren aufgelassen. Die übrigen Fluder bestanden noch, wurden aber nicht genutzt und waren laut Wasserbuch stillgelegt.

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