Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—65— wurde stahl verwendet. Die wassergekühlten Holzlager wurden durch Stahllager ersetzt, die schweren hölzernen Grindel der Wasserräder wichen schlanken Stahlachsen. Die Wasserräder aus Gussstahl lieferten die Fabriken in Gusswerk bei Mariazell. Durch Fluderzusammenlegung und die Verwendung breiterer Wasserräder versuchte man, die Energieausbeute zu verbessern. Die Verwendung von Turbinen zur Erhöhung des Wirkungsgrades war aufgrund der Flächennutzung durch Gebäude und Fluder und der damit verbundenen vollkommenen Überbauung des Flussgrundes nicht möglich. Auch die geringe Fallhöhe und das Wasserdarbot im Bereich der Zeugstätte wird hier ausschlaggebend gewesen sein. An dieser Entwicklung ist der historische Denkmalwert abzulesen. Sie kann vom primitiven Holzbau bis zum Massivbau, zeitlich jeweils fixiert, verfolgt werden. Die Holzbauweise der Schleifen und Werkstätten hatte nur einen geringen Gebrauchswert, also einen geringen Gegenwartswert, der sich aus der kurzen Lebensdauer des Bauholzmaterials am Wasser ableitete und eine regelmäßige Erneuerung oder umfangreiche Reparaturen erforderte. Das heute vorhandene Ensemble weist daher keinen hohen Alterswert in denkmalpflegerischer Hinsicht auf. Ein Alterswert ist, abgesehen vom kulturellen Wert, bei den Schriftdenkmalen, die sich im Faszikel „Wehrgraben“ im Archiv der Stadt Steyr oder in den spärlich erhaltenen Akten des Pfleggerichtes der Herrschaft Steyr als Wasserobrigkeit befinden, festzustellen. Sie sind soweit vorhanden unverändert erhalten. Bei fast allen Objekten, bis auf die Schleifen A 8 und A 11, wurden im Laufe der Jahre die im Wasserbereich liegenden Gebäudesockel in dauerhafter Massivbauweise ausgeführt. Die Werkstättengeschoße bestanden bei den Schleifen A 7 bis A 11 bis zur Stilllegung aus Holz. Die Schleife A 11, welche samt ihrer Radhütte am Haus Schleifersteg Nr. 4 wasserseitig angebaut war, verfiel bald nach dem zweiten Weltkrieg und wurde abgebrochen. Der Denkmalwert erweist sich in den nach diversen Umbauten nun in massiver Bauweise bestehenden Gebäuden. Sie zeigen mit Ausnahme von A 11 an ihren Fassaden die Formen des Industriezeitalters. Sind die ehemalige Truglmühle A 1 und die Schleifen A 12 und A 13 in der Fassadengestaltung einfach und schmucklos gehalten, zeigen A 2 und A 3 deutlich Merkmale des Industriebaues, der bei den Fassaden von A 4 und A 6 rein zutage tritt. Wasserseitig besteht bei A 2 noch eine Riegelwandkonstruktion. Die einfache, glatte Fassadenausbildug und die dem Wohnbau entliehene Fensterform und Teilung weisen hier wie beim Überbau des nördlichen Fluders, der Verbindung A 3 mit A 6, auf eine sparsame Bauausführung hin. Die so am Ensemble klar sichtbare Entwicklung im örtlichen Industriebau bestimmt den Denkmalwert in historischer und künstlerischer Sicht. Die Holzbauweise machte die Werkstättenobjekte, wie schon erwähnt, besonders durch die Lage am Wasser sehr kurzlebig. Sie waren entsprechend der Güte des Bauholzes nach etwa dreißigjähriger Bestandszeit zu erneuern. Die Gebäudegruppe A 8 bis A 10 musste 1982 wegen Baufälligkeit abgetragen werden, um so eine Zerstörung und Abschwemmung bei Hochwasser zu verhindern. Die anlässlich von Umbauten massiv errichteten Objekte A 1 bis A 6 und A 12 und A 13 befinden sich gegenwärtig in einem Bauzustand, der dringend Erhaltungsmaßnahmen erfordert. Die hohe Denkmalqualität ist auch in den erhaltenen Urkunden und Akten begründet, die Jahrhunderte zurückreichend auf manchen Wissensgebieten in Zusammenschau die Entwicklung bis in die Gegenwart verfolgen lassen. Dabei ist die Wertung einzelner Objekte, abhängig vom Baualter und dem Erhaltungszustand, eine sehr unterschiedliche. In Zusammenwirkung aller gewonnenen Erkenntnisse kann festgestellt werden, dass die Gesamtanlage der Ersten Zeugstätte ein bedeutendes Industriedenkmal darstellt. Seine Erhaltung scheint dringend geboten. 4.9 Zusammenfassung Der historische Prozess der Entwicklung vom handwerklichen Gewerbebetrieb zur Industrialisierung der eisenverarbeitenden Betriebe lässt sich nicht allein mit der Beschäftigung der Baugeschichte und Architektur durchleuchten. Die Betrachtung und Forschung müssen sich auch der verschiedenen Disziplinen der Wirtschafts-, Sozial-, Gesellschafts- und Kulturgeschichte bedienen.

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