Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—57— Die ehrsamen Feilhauer dürften am Betrieb ihres Hammers nicht mehr sehr interessiert gewesen sein. Sie hatten schon 1877 versucht, ihre Anlage der Stadt zu vermieten, die eine Fachschule einrichten wollte. Die Schule wurde schließlich im Leopoldseder-Drahtzug, der um diese Zeit der Frau Josefa Reitmayr gehörte, untergebracht. Ludwig Werndl kaufte 1889 die Feilhauerliegenschaft. Sein Bruder Franz übernahm sie 1890 und erbaute im Bereich von Hammer und Stampf eine moderne Fabriksanlage. Zur Energiegewinnung wurde anstelle der alten, hölzernen Wasserräder ein neues eisernes Wasserrad mit fünf Meter Durchmesser und mit 1, 80 Meter Schaufelbreite in einer hölzernen Radhütte errichtet. Unmittelbar vor dem Rad wurde im Fluder zur Regulierung des Wasserzulaufes eine Stauklappe und vor dieser ein Schotterschütz angeordnet. Das Fluder wurde nur im Bereich des Schleifersteges den neuen Verhältnissen angepasst, sonst aber in seiner alten Form belassen. Franz Werndl erwarb im Jahre 1892 die Molterer-Schleife, die zur im Gerinne liegenden nördlichen Schleifengruppe gehörte und unmittelbar am Schleifersteg lag. Es ist augenscheinlich, dass sich Werndl mit diesem Kauf eine zusätzliche Energiequelle für sein Werk sichern wollte. Er hat aber bald erkannt, dass das Energiedarbot aus dem Wehrgraben für einen Industriebetrieb auf Sicht nicht ausreichend sein würde und das Problem der Energiebeschaffung 1905 vorerst durch die Aufstellung eines 16 PS starken Petrolin-Motors gelöst. Die Leistung des PetrolinMotors, von dem noch Teile vorhanden sind, wurde auf die bestehende Transmission gebracht und so konnte sie die aus demWasserrad gewonnene Energie ergänzen, ja teilweise sogar ersetzen. Die Nachfolger Franz Werndls im Firmenbesitz hatten 1896 die Molterer-Schleife wieder abgestoßen. In weiterer Folge gelangte noch ein Elektromotor zum Einsatz. Der Zeitpunkt seiner Aufstellung ist unbekannt. Seine Leistung wurde ebenfalls über das bestehende Transmissionssystem zu den Maschinen gebracht. Die Werndl'sche Anlage stand bis 1961 in Betrieb. Das bestehende Fabriksgebäude hat gegenwärtig einen historischen und kulturellen Denkmalwert, da aus seiner Entwicklung der Übergang von der gewerblichen zur industriellen Produktion ersichtlich ist. 1877 liegt eine Bauaufnahme des Leopoldsederdrahtzuges durch das Stadtbauamt vor, welcher damals im Besitz der Frau Josefa Reitmayr stand. Das in der Aufnahme erfasste, hölzerne Wasserrad hatte einen Durchmesser von vier Metern. Das Grindel zeigt stählerne Achsbolzen und Stahllager. Über Triebstockräder wurde eine Transmission für den Betrieb nicht näher angegebener Maschinen und nach einer weiteren Übersetzung eine Achse mit drei Schleifsteinen angetrieben. Der Riegelbau der Schleife und die Uferschlachtung im Bereich der Liegenschaft sind im Grundriss deutlich dargestellt. Das hölzerne Wasserrad stand bis zum zweiten Weltkrieg in Betrieb. Der hölzerne Schleifen- und Radkastenanbau ist verfallen und wurde abgetragen. In einer Aufnahme des Zivilgeometers Weitlahner aus dem Jahre 1891, einem Spezialplan der Werksanlage der Herren Winternitz' Neffen in der Ersten Zeugstätte, die ab 1889 die Ruprechtsschleife A 13 besaßen, sind die drei Schleifen am Südufer des Wehrgrabens im Bereich der Ersten Zeugstätte sowie die Schleifengruppe südlich des Grundablasses, letztere aber ohne Fluder und ohne Wasserräder, dargestellt (Vergl. Anhang A 13). Alle Wasserräder zeigen noch eine Holzkonstruktion, wie sie bis zur Stilllegung der Räder erhalten blieb. Nur in der Schleife A 12 wurde 1909 ein eisernes Rad eingebaut, welches 1961 laut Angabe des Besitzers Heinrich Ebner-Liedlbauer stillgelegt wurde, weil seitens der Behörde die Zusicherung erfolgte, dass nach Fertigstellung der Ennskraftwerke die Versorgung mit elektrischer Energie sehr billig werden würde und ein umsteigen auf diese Art der Energieversorgung die aufwendige Instandhaltung der eigenen Wasserkraftanlage überflüssig machen würde. Da sich die Auflösung der Wehrgrabencommune schon abzeichnete und die Last der Gerinneerhaltung für eine einzelne Firma nicht tragbar war, erfolgte die Stilllegung der Wasserkraftanlage auch in A 12. Aus dem Jahre 1892 findet sich in der Registratur beimMagistrat Steyr ein „Plan über die Erbauung und Einrichtung der alten Schartner-Schleife des Herrn C. Schaffenberger in der Ersten Zeugstätte im Wehrgraben“, Schleifergasse Nr. 9 Steyr (A 9). Aus dem Plan geht hervor, dass ein eisernes Wasserrad — das erste in der Zeugstätte — mit 3,60 Meter Durchmesser ein Zahngetriebe, welches auf einem Betonblock montiert war, antreiben sollte. Von diesem Getriebeblock war der Antrieb einer Transmissionswelle unter der Erdgeschoßdecke geplant. Diese Welle sollte die beiden Schleifsteine im Erdgeschoß mit je zwei Meter Durchmesser und

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2