Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—31— Es lässt sich nicht feststellen, seit wann amWehrgraben die Wasserkraft genutzt wird. Das Bundesdenkmalamt stellt in der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme „Das Ensemble und die Denkmäler des inneren Wehrgrabenviertels“ fest: „In der geschichtlichen Entwicklung dieses Gebietes spielt das Wehrwasser — ein regulierter, künstlich angelegter, ausgebauter Seitenarm des Steyrflusses — von Anfang an eine wichtige Rolle. (Hajós, e. al. 1983, S. 4/5). Die Verfasser dieser Bestandsaufnahme weisen auf Wasserkraftanlagen am Erzberg in Eisenerz und in Basel hin und stellen fest, dass in Mitteleuropa eine Nutzung der Wasserkraft durch Verwendung des Wasserrades (Mühlrades) im 12. Jahrhundert einsetzt. Es kann nach Hack19 mit Sicherheit behauptet werden, dass mit dem 14. Jahrhundert bei demMessererhandwerk eine Produktionsteilung eingetreten ist. Die vom Klingschmied hergestellten Rohlinge kaufte der Messerer, der sie an den Schleifer weitergab oder sie durch eigene Leute oder im Zins schleifen ließ, sodann den Griff, die Schalen, anbrachte und nach dem Finish das Messer verkaufte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Messerer die gesamte Messererzeugung in Händen. Die Arbeitsteilung, die eine bessere Ausnützung der Schleifen am Wasser und das Anwachsen der Messerproduktion mit sich brachte, hatte eine Verdichtung der Gewerksbauten am Wasser und damit im Zuge der weiteren Entwicklung eine restlose Ausnützung der Wasserenergie zur Folge. Die Zahl der Messerwerkstätten20 beträgt in Raming, Dambach und Steyr am Ende des 15. Jahrhunderts etwa zweihundert. Die größte Werkstätte erzeugte am Ende des 16. Jahrhunderts jährlich 80 000 Messer, die kleinste 9.000 Stück. Die zweihundert Messerer verarbeiteten jährlich 10 500 Zentner Stahl. Ein Zentner Stahl ergab Material für tausend Klingen. Die gesamte Messerproduktion im Raum Steyr erbrachte eine Jahresfertigung von etwa zehn Millionen Stück. Rechnet man, dass ein Handwerksmeister in der Regel jährlich 52 Zentner Stahl verarbeiten durfte, kommt man etwa zu den gleichen Ergebnissen. In dieser Zeit standen in Steyr fünfzehn bis zwanzig Schleifen in Betrieb. Man kann diese Zahlen aus den Gewährsbüchern und den Steuerbüchern ermitteln. In diesen Schleifen liefen in der Regel zwei Schleifsteine, das ergibt in der Summe vierzig Steine, davon standen in der ersten Zeugstätte acht in Betrieb. Es müssen daher in A 2, A 12 und A 13 jeweils zwei bis drei Steine gelaufen sein. Möglicherweise waren auch im Hammer zusätzlich zwei Schleifsteine vorhanden. Der Ausbauzustand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entspricht dann dem, der 1529 erstmalig urkundlich nachweisbar ist. Die tägliche Arbeitszeit schwankte zwischen zehn und vierzehn Stunden. Berücksichtigt man, dass neben Messern auch andere Werkzeuge und Waffen erzeugt und geschliffen wurden, scheinen die angeführten Messerzahlen wirklichkeitsnahe zu sein. 1525 besaß laut dem Urbar der Stadt Steyr der reiche Kaufmann Lorentz Gutprot, also kein Handwerker, vier Zeuge in Aichet, im Graben und zinste der Herrschaft dafür zwei Pfund Pfeffer jährlich. Der Grund, auf dem die Werkgaden standen, war noch herrschaftlich, ebenso wie der Wehrgraben selbst. Erst 1606 wurden durch einen Vertrag zwischen der Stadt Steyr und der Herrschaft klare Verhältnisse geschaffen. Aus dem Text im Urbar: „… auf den vier Zeugen ...“ (vergl. Anhang S 257) kann entnommen werden, dass es im Aichet im Bereich der Ersten Zeugstätte um diese Zeit nur vier Zeuge gab. Allerdings wurden die beiden Mühlen A 1 und A 3, die zu diesem Zeitpunkt einen gemeinsamen Besitz darstellten, dies geht aus der Wehrgrabenordnung von 1529 hervor, nur als ein Zeug gezählt. Interessant ist von der kulturellen Seite her die Zinsleistung in Form von zwei Pfund Pfeffer. Die Tatsache, dass Gutprot der Besitzer der ganzen Zeugstätte war, selbst aber kein Handwerk betrieben hat, weist auf eine frühe Entwicklung in Richtung auf die Industrie hin, indem die Produktionsmittel summiert werden.

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