Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—27— 4. Die erste Zeugstätte als Beispiel für die historischen Wandlungen vorindustrieller Gebäudekomplexe 4.1 Beschreibung der Ensembles Zeuge und Werchgarne sind die alten Bezeichnungen für die am Graben angelegten Werkstätten. Die Besitzer dieser Werchgarne oder Werkgarne waren die Herren „Wührgrabler“ oder „Werchgarner im Wührgraben“. Der Terminus Zeugstätte scheint in den Beständen des Stadtarchives erstmalig 1677 auf. Der Ausdruck „Zeug“ wurde allgemein bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verwendet, meistens in Verbindung mit dem Namen des Besitzers wie Schwediauerzeug oder Ennsthallerzeug. Die Erste Zeugstätte bildet ein Ensemble an der obersten Gefällstufe des Wehrgrabengerinnes, wo dieses am Fuße des Ahlschmiedberges an den Hang der nördlichen Talbegrenzung stößt und nach einer Richtungsänderung diesem Hangfuß weiter in östlicher Richtung bis zur Wiedereinmündung in die Steyr folgt. Am Nordufer wird das Ensemble durch den Hammerschmiedberg und die Fabrikstraße, an deren Stelle früher ein Saumweg bestand, begrenzt. Am Südufer umschließen heute Gartenflächen, kleine ehemalige Fabriksobjekte und abgewohnte, alte, kleine Wohnhäuser das Zeugstättenareal, das mit seiner südlichen Hälfte auf einer Flussinsel liegt. Diese Insel wird vom Wehrgraben und dem Saggraben, der heute fast kein Wasser mehr führt, umflossen. Bis etwa 1875 bildete ein Weg die Südgrenze der Zeugstatt, der im Bereich des Ensembles in die Schleifergasse mündete. Diese Gasse quert zwischen A 11 und A 12 durchführend das Gerinne auf dem Schleifersteg zur Fabrikstraße, in welche sie zwischen A 1 und A 4 mündet. Der Schleifersteg bildete für die Werkstätten am Mittelablass die Aufschließung von der Unterwasserseite her. Das Wehr, mit dessen Hilfe eine Gefällstufe von 1,70 Meter Höhe gebildet wird, bestand ursprünglich aus Holz. Seine Aufgabe übernahmen zum Teil die beiden um 1620 errichteten Schleifeneinbauten im Gerinne zu beiden Seiten des Mittelablasses, deren Sockel mit zur Stauhaltung diente. Die Zwischenräume von den Schleifeneinbauten zu den Werkgaden am Ufer wurden in jüngster Vergangenheit durch Betonmauern anstelle der hölzernen Wehrteile verschlossen. Das Erfordernis, möglichst viele Werkstätten mit Wasserrädern im Zeugstättenbereich zu errichten, wurde 1620 von Händl durch den Einbau der beiden Schleifengruppen zuseiten des Grundablasses im Gerinne erfüllt. In der nördlichen Hälfte des Triebwasserkanales waren anfangs acht Fluder vorhanden, davon drei im Sockelbereich der Schleifengruppe. In der südlichen Hälfte gab es drei Fluder im Sockelbereich der dortigen Schleifengruppe und drei Fluder führten zu den am Ufer bestehenden Werkgaden. Im Endzustand waren im südlichen Schleifenblock zwei Wasserräder im Schleifengebäude selbst untergebracht. In der nördlichen Gruppe liefen letztlich alle Wasserräder in den Schleifengebäuden. In der Entstehungszeit der Schleifengruppen im Gerinne waren die Wasserräder unmittelbar an der Außenwand der Werkgaden, die auf Piloten standen, eingebaut. Zwischen den Piloten befand sich das Ausrinnen der Oberliegerschleifen. Die Schleifen wurden abgestuft von oben nach unten jeweils um eine Fluderbreite breiter gebaut. Die Räder wurden in späterer Folge durch Radkästen geschützt. Als Schleifen zur Unterbringung der Polierereien ein Obergeschoß erhielten, wurden die Radkästen zum Flächengewinn im Obergeschoß überbaut. Die Wasserräder befanden sich nun in den Gebäuden selbst. In den beiden Inselobjekten mit je drei selbständigen Werkstätten waren anfänglich nur Schleifen installiert. Wie erwähnt, wurden erst in späterer Zeit nach einer Aufstockung Polierwerkstätten in den Obergeschoßen eingerichtet. Solange die Eisenverhüttung mit Holzkohle erfolgte, war ein Polieren nicht notwendig, weil der Messerstahl weniger rostanfällig war. Neben dem Holzwehr bestanden bis zur Jahrhundertwende die Ufersicherungen aus Holzschlachten, die über weite Strecken die Ufer festigten. Im Bereich dieser Schlachten siedelte sich Ufergehölz an, welches heute, nachdem die Schlachtung weitgehend verfault ist, die Ufersicherung übernommen hat. In diesem Zusammenhang ist eine Feststellung interessant, in der schon 1832 der naturnahe Wasserbau propagiert wurde. Sie sei hier wiedergegeben: „Der Steyrfluß leidet in dieser Strecke übrigens zur Befestigung seiner Ufer, welche in der Ebene liegen, wie die große Aue zwischen Christkindl und dem Wehrgraben Canal keine hohen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2