Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—24— Der Anfang des 16. Jahrhunderts brachte der Stadt Wohlstand, doch mit der dann heftig einsetzenden Gegenreformation, der damit verbundenen Auswanderung vor allem wohlhabender Bürger, setzte ein verheerender Niedergang ein, der dazu führte, dass von 600 Häusern der Stadt nur mehr 198 bewohnbar waren. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erholte sich das Eisengewerbe und mit ihm die Stadt, allerdings kam es zu keinem Wachstum des bebauten Stadtgebietes. Durch Kauf, Heirat oder Erbschaft kamen des Öfteren zwei an einem gemeinsamen Hof liegende Häuser in einen Besitz. Sie wurden dann fassadenmäßig zu einer Einheit verschmolzen und sind heute wichtige Teile des Stadtdenkmales Steyr. Die Eisenhändler und Venedigerkaufleute hatten aus Italien die Mode des Sgraffitodekors mitgebracht. Diese Art des Dekors wurde in Steyr große Mode und nahezu jedes Haus im Altstadtbereich wies im siebzehnten Jahrhundert eine sgraffitogeschmückte Fassade auf. Den steilen, gotischen Schopfdächern wurde in der Zeit der Renaissance eine Attika vorgesetzt. Die gotischen Höfe wurden dem neuen Stil entsprechend umgebaut oder aufgestockt. Die noch immer reichen Einkünfte der Handelsherren ermöglichten diese Baumaßnahmen. Die Handelsherren zeigten an ihren Häusern den noch vorhandenen Reichtum. Die Stadtlandschaft erstreckte sich am inneren Wehrgraben. Die Werkgarne der Ersten Zeugstätte lagen in der die Stadt umgebenden Kulturlandschaft. Durch den Ausbau des Wehrgrabens zum Triebwasserkanal und die Errichtung der Zeugstätten an den Gefällstufen dieses Kanales kam es zum Ausbau eines Wegenetzes. Die alten Verbindungen zwischen der Truglmühle in der Ersten Zeugstätte und den Höfen am Aichethang wurden schon erwähnt. Nach Vollausbau der Ersten Zeugstätte benötigten die Handwerker eine kurze Verbindung zur Stadt, um ihre Erzeugnisse zu den Verlegern und den Handelshäusern in der Stadtmitte zu schaffen. Die Verbindungen zur Siechengasse bestanden von Westen beginnend mit dem Ahlschmiedberg, dem Hammerschmiedberg, dem Wasserberg, dem Gschaiderberg und der Badgasse, die Stiegen nicht mitgezählt. Rechtsufrig amWehrgraben führte von der Ersten Zeugstätte eine Straße bis zur Dritten Zeugstätte. Auf dem Stich von Hauser ist noch keine Straßenverbindung durch die Steyrniederung vom Gsang zur Ersten Zeugstätte dargestellt. Merian hatte um 1656 eine Straßenverbindung über die Pufferau und die Mitterau zur Ersten Zeugstätte ausgewiesen, die eine wesentlich kürzere Verbindung zur Stadtmitte herstellt als der Weg über Zwischenbrücken. Wie weit dieser Straßen- und Brückenbau von den Werkgarnern der Ersten Zeugstätte betrieben wurde, ist urkundlich nicht feststellbar. Während durch die Pufferau der Saggraben erbaut worden war, an dem in der Folge einige Werkgaden bestanden, blieb der Rest der Au unverbaut. Dies ist, wie schon erwähnt, auf die Hochwassergefahr zurückzuführen. Hochwässer haben an der Pufferau und Mitterau Ufereinrisse und damit Veränderungen der Uferlinien herbeigeführt. Diese Veränderungen können beim Vergleich der mit fünfzigjährigem Abstand entstandenen Stadtansichten von Hauser und Merian nicht festgestellt werden, weil die Merian'sche Darstellung, um 1649 entstanden, große Ungenauigkeiten aufweist. So hat Merian auf seiner Ansicht den Saggraben auf der Pufferau nicht dargestellt. Deutlich werden die Veränderungen hingegen, wenn man den „Grundriß des Kayser: Königl: Landesfürstl: Commercial- und Kammerguts Stadt Steyr“ aus dem Jahre 1773, jenem Jahr, in welchem das Grundbuch der Stadt Steyr erneuert und umgestellt wurde, mit den Katasterblättern von 1820 vergleicht. Nach der gewaltigen Stadterweiterung im 16. Jahrhundert und dem darauf durch die Auswanderung während der Gegenreformation einsetzenden tiefgreifenden Verfall erholte sich die Stadt nur langsam. Die Dezimierung der Eisenhandwerker und die damit verbundene Entstehung von Konkurrenzbetrieben durch die Auswanderer wirkten sich auf die Stadtentwicklung sehr nachteilig aus. Konkurrenzbetriebe entstanden zum Beispiel in Solingen, wo Steyrer Messerzeichen bis heute in Verwendung stehen. Diese Zeichen wurden bis zum Jahr 1938 sowohl in Steyr als auch in Solingen verwendet. So kam es bis zum späten 18. Jahrhundert zu keinem baulichen Wachstum, das mit den Eisengewerben in Zusammenhang stand. Lediglich die Pulverrohrmanufaktur im Gsang, die Bauten der

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