Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—22— der Truglmühle, sind heute im Straßennetz des Aichet als Ahlschmiedberg und Hammerschmiedberg noch vorhanden. Die Arbeitsteilung, vor allem bei den Messerern im 14. Jahrhundert, in Klingschmiede, Messerer und Schleif er hat einen nicht unwesentlichen Grund im beschränkten Ausmaß des Baugrundes im Zeugstättenbereich selbst gehabt, wo sich nur Hämmer, Schleifen und solche Gewerbe ansiedelten, die eine große Energiemenge benötigten. Die Erbauung von Handwerkerhäusern im Aichet, die gleichzeitig mit dem Ausbau der Zeugstätte erfolgte, war zahlenmäßig nicht sehr bedeutend und mit der Anzahl der am Wasser vorhandenen Werkgaden abgestimmt. Die Handwerker am Hang erzeugten, was in den Schleifen am Wasser geschliffen werden konnte. Mitte des 15. Jahrhunderts betrug das Verhältnis der Schleifer zu den übrigen Handwerkern in etwa eins zu drei. 1313 sind nach den Urbaren im Aichet sieben Höfe erwähnt, 1400 bestehen schon 30 Handwerkerhäuser. 1543 sind es nach dem ersten Steuerbuch der Stadt Mehrzahl dieser Wohn- und Werkstätten schon 39 Häuser. Die beinhaltenden Bauten gehörten HandwerkerBürgern oder „kleinen Bürgern“,12 wie sie E. Krobath in seiner Bürgermeistergeschichte der Stadt Steyr bezeichnet. In der Mitte des 16. Jahrhunderts setzt wie am Wieserfeld auch im Aichet eine stärkere Besiedlung ein. Man zählt im Jahr 1605 hundertfünf Häuser. Eine Infrastruktur entsteht. Wurde im Bereich des Wieserfeldes in der Siechengasse zur bestehenden Spitalsanlage des Bruderhauses 1511 eine Kirche errichtet, kam es im Aichet im ausklingenden Pestjahr 1569 zur Stiftung des Herrenhauses, in dem ein Kapellenraum untergebracht wurde. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde in der Aichetgasse eine Kapelle erbaut. Ihr Entstehungsjahr und ihre Erbauer sind nicht bekannt. Auf den Stichen von Hauser und von Merian ist diese Kapelle mit einem Turm dargestellt. Diese Kapelle besteht als solche in der Gegenwart nicht mehr. Der Turm dürfte aus Holz bestanden haben. Dies ist anzunehmen, da auch der Turm des 1616/17 in den Stadt entstandenen Kapuzinerklosters aus Holz errichtet worden war. Im Haus Aichetgasse 9 befindet sich ein hoher, sorgfältig gewölbter Raum im Sockelgeschoß, der aufgrund seiner Form und Höhe einst Kapellenraum gewesen sein könnte. Diese Kapelle dürfte sehr früh nach der Reformation als protestantisches Bethaus errichtet worden sein. Nun dient der einstige Kirchenraum als Kellergewölbe. Steyr war schon sehr früh fast zur Gänze protestantisch. Am Ende des 16. Jahrhunderts gab es in der Stadt nur mehr sechzehn katholische Familien.13 Der kleine Kirchenbau könnte daher auch nach außen hin als solcher kenntlich gemacht worden sein. Eine nähere Forschung über diesen Sakralbau ist nicht bekannt. Merian bezeichnet dieses Bauwerk auf der Erläuterung zu seinem Stich mit der Nummer 43 und weist es in der Auflistung der besonders gekennzeichneten Bauten als kleine Kapelle aus.14 Im Aichet und Kegelpriel hat sich wie im Steyrdorf die mittelalterliche Parzellenstruktur, hier eine nicht einheitliche Struktur, im Gegensatz zu der geordneten im Steyrdorf bis in die Gegenwart erhalten. Die Anlage der Aichetgasse ist im 16. Jahrhundert während einer Blütezeit der Stadt anzusetzen. Ihre Trassenführung geht auf die sehr willkürlich angelegt scheinenden Wegverbindungen zurück, die auf der in früher Zeit landwirtschaftlichen Nutzung der Flächen und auf die Lage der alten Brunnen und Quellen, Gehöfte und Äcker fußt. Erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts setzte in der Seifentruhe im oberen gegen den Stadlhof gelegenen Teil des Aichet eine villenartige Bebauung ein. In der Vorstadt Steyrdorf — Wieserfeld ist 1590 erstmals eine Schule erwähnt. Im Aichet ist dies erstmals 1609 der Fall, als ein Schulmeister urkundlich genannt wird. Die Schule in der Aichetgasse im Aichet dürfte zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre bestanden haben.15 Eine Infrastruktur besteht daher sowohl im Steyrdorf —Wieserfeld als auch im Aichet. Die Neubauten im Aichet wurden aber nicht wie in der stadtnäheren Vorstadt nach einer Planung situiert. Hier blieben die alten Straßen und Wegverbindungen aus den Zeiten der bäuerlichen Nutzung der Flächen bestehen. An ihnen wurden Häuser errichtet. Hauptverkehrsader blieb die Siechengasse (heute Sierningerstraße) als Ausfallsstraße nachWesten. Die soziale Struktur im Aichet war eine andere als im Bereich Steyrdorf. Es fehlten die begüterten, Handel treibenden Bürger. Hier siedelten fast ausnahmslos Handwerkerbürger. Da sie weitab von den

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