Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—20— hat der Religionsstreit eine große Bedeutung für die schnelle Besiedlung gehabt. Die Stadt war zu dieser Zeit protestantisch und hatte einen protestantischen Bürgermeister. Anscheinend hofften viele Messerer im Umland nun in der Stadt eine protestantische Heimstatt finden zu können. Hauser stellt zur folgenden Jahrhundertwende auf seinem Planprospekt die Bauten des neuen Stadtteils am Wieserfeld und an der Siechengasse als kleine, ebenerdige Häuser dar, die sowohl in Trauf- als auch in Giebelstellung zum Angerplatz des Wieserfeldes und den Straßenzügen der Bruchbodengasse, heute Schuhbodengasse, Mittergasse und der Siechengasse errichtet waren. Betrachtet man den Hausbestand im Außersteyrdorf, im Wieserfeld und im Aichet — Kegelpriel im Zeitraum von 1543, dem Jahr, in welchem in der Stadt Steyr die Steuerbücher eingeführt wurden, bis zur Erstellung des Grundbuches im Jahr 1773, so ergibt sich folgendes Bild, welches anhand der Aufzeichnungen in den Steuerbüchern zusammengestellt wurde: (siehe Tabelle nächste Seite). Die Hausanzahl im Außersteyrdorf blieb nahezu gleich. Die Bebauung innerhalb der Stadtmauern war abgeschlossen und hatte alle innerhalb der Mauer verfügbaren Flächen erfasst. Eine geringfügige ziffernmäßige Abnahme ist durch die Vereinigung von Vorder- und Hinterhäusern zu einem Besitzstand begründet. Auf dem Wieserfeld und im Aichet — Kegelpriel hatte jeweils um 1543 infolge eines wirtschaftlichen Hochs eine starke Bautätigkeit eingesetzt. Auch religiöse Gründe wirkten bei dieser Entwicklung mit. Sie endete im Aichet — Kegelpriel um die Jahrhundertwende und auf dem Wieserfeldplatz um 1620 und fiel mit der Auswanderung der Protestanten, die in der Gegenreformation um 1620 mit aller Macht einsetzte, zusammen. Unter den Auswanderern fanden sich vor allem vermögende Eisenhändler und andere Kaufleute sowie zahlreiche Eisenhandwerker, darunter viele Messerer. Die Auswanderung fand ihren Niederschlag im Gebäudezustand innerhalb der Stadt. Von 600 Häusern waren im Jahre 16508 70 eingestürzt, 141 öd und leer, 191 gehörten verarmten Bürgern, die ihre Steuern nicht bezahlen konnten, was sich sehr nachteilig auf den Bauzustand ihrer Häuser auswirkte. Lediglich ein Drittel des Hausbestandes der Stadt befand sich in einem einigermaßen ordentlichen Zustand und konnte als bewohnbar bezeichnet werden. Von den drei in der Zusammenstellung erfassten Stadtteilen wurden das Steyrdorf, das Wieserfeld zusammen mit dem inneren Wehrgrabenbereich vom Bundesdenkmalamt eingehend kunsttopographisch dargestellt. Die historischen Voraussetzungen, welche dieses Stadtgebiet in unikaler Weise geprägt haben, die vielschichtige, geschichtliche, kulturelle und auch künstlerische Bedeutung des Baubestandes wird hervorgehoben. Bacher stellt 1987, wie erwähnt, im Rahmen dieser Darstellung ein Forschungsdefizit für den Bereich Steyrdorf, Wieserfeld und innerer Wehrgraben fest.9 Die Verhältnisse im Aichet — Kegelpriel sind ähnlich. Es ist nur festzuhalten, dass die im Aichet ansässige Bevölkerung sozial schwächeren Schichten angehörte und sich fast ausnahmslos aus dem Handwerkerstand rekrutierte. Die vorliegende Untersuchung, die von der Ersten Zeugstätte ausgeht, jener Werkgaden, die am weitesten westlich am Gerinne des Wehrgrabens liegen, betrifft vor allem den Stadtteil Aichet, das Hinterland dieser Zeugstatt. Aichet fällt von der Hochterrasse im Norden zuerst über eine steile Konglomeratstufe und sodann über sanftere Hänge zur Flussniederung ab. Es schließt westlich an das vom Bundesdenkmalamt untersuchte Ensemble Steyrdorf innerer Wehrgrabenbereich Wieserfeld an. Das Aichet, das in alter Zeit Aichach10 genannt wurde, war Bauernland. Dieses Bauernland reichte ursprünglich bis an das Innersteyrdorf heran. Es fand in den Urbaren des dreizehnten Jahrhunderts erstmalige Erwähnung. Das Gebiet von Aichet und Kegelpriel weist stadtgeographisch keine so klare Struktur wie das Wieserfeld und das äußere Steyrdorf auf. Die Struktur ist kleinteilig und erscheint ungeordnet. Die Siechengasse und der Wehrgraben sind die Entwicklungsachsen dieses Stadtteiles. Die alten Hofverbindungen wurden zum neuen Weg- und Straßennetz für die Ansiedlung der Eisenhandwerker. Das Gebiet wird umgrenzt von Mehlgraben und Wasserberg im Osten, demWehrgrabengerinne im Süden, dem Annaberg, der Sierningerstraße (ehemals Siechengasse) sowie der Kegelprielstraße im Westen und der Hangkrone der Hochterrasse im Norden.

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