Eisengewerbe und Stadtentwicklung. Der Einfluss der vorindustriellen, wasserkraftgebundenen Eisenverarbeitung auf die Stadtentwicklung, dargestellt am Beispiel der Ersten Zeugstätte am Wehrgraben in Steyr Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der technischen Wissenschaften der Technischen Universität Graz vorgelegt von Dipl.-Ing. Otto Ehler Steyr, im September 1990
Die vorliegende Dissertation wurde am Institut für Städtebau, Umweltgestaltung und Denkmalpflege der Technischen Universität Graz unter Anleitung von Professor Architekt Dipl. Ing. Dr. Peter Breitling durchgeführt. Ich danke Herrn Professor Architekt Dipl.-Ing. Dr. Breitling herzlich für die Anregung zum Thema und die Betreuung bei der Durchführung der Dissertation.
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1.1 Anlass der Untersuchung und Forschungsziel 1.2 Quellenlage und Stand der bisherigen Forschung 1.3 Anmerkung zur Methodik der Untersuchung 2. Historischer Wasserbau und Stadtentwicklung in Steyr 3. Der Einfluss der vorindustriellen Eisenverarbeitung auf die Stadtentwicklung 4. Die Erste Zeugstätte als Beispiel für die historischen Wandlungen vorindustrieller Gebäudekomplexe 4.1 Beschreibung des Ensembles 4.2 Die Entwicklung bis 1529 4.3. Die Entwicklung von 1529 bis 1664 4.4. Die Entwicklung von 1664 bis zur Gegenwart 4.5 Joachim Winternitz' Neffen, Messer-, Stahl-, Eisen- und Metallwarenfabrik 4.6 Exkurs über die Antriebstechnik: Wasserbauten und Wasserräder 4.7 Das Handwerkerhaus am Hammerschmiedberg als Beispiel für die Wohnbauten der Eisenwerker 4.8 Zur Denkmalqualität von Wehrgraben und Zeugstätte 4.9 Zusammenfassung 4.10 Ausblick 5. Anmerkungen 6. Literaturverzeichnis 6.1 Texte 6.2 Sekundärliteratur 7. Anhang: Hausblätter 7.1 Objekt A 1, die Truglmühle 7.2 Objekt A 2, die Neumühle 7.3 Objekt A 3, die Mühle am Hammerschmiedberg 13 7.4 Objekt A 4, Hammergebäude, Schleife und Stampf Hammerschmiedberg 5 - 9 7.5 Objekt A 5, Schleife, Schleifergasse 13 7.6 Objekt A 6, Schleife, Schleifergasse 15 7.7 Objekt A 7, Schleife, Schleifergasse 17 7.8 Objekt A 8, Schleife, Schleifergasse 11 7.9 Objekt A 9, Schleife, Ennsthaler Schleife, Schleifergasse 9 7.10 Objekt A 10, Händl'sche Schleife, Schleifergasse 7 7.11 Objekt A 11, Hammergebäude, Schleife und Drahtzug, Schleifergasse 4 7.12 Objekt A 12, Schleife und Drahtzug, Schleifergasse 5 7.13 Objekt A 13, Weißgerberwalch und Schleife, Schleifergasse 3 8. Wehrgrabenordnung 1529 9. Anzeige 1585 10. Spezifikation 1664 11. Begriffserläuterungen 12. Verzeichnis der Illustrationen
—1— 1. Einleitung 1.1 Anlass der Untersuchung und Forschungsziel Hauptgegenstand dieser Abhandlung sind die Teile der Stadt Steyr am oberen Wehrgrabenlauf, einem Seitenarm des Steyrflusses, im Allgemeinen und die Entwicklung der Ersten Zeugstätte mit ihrem Hinterland, dem Stadtteil Aichet, im Besonderen. Unter Zeugstätte ist eine Gruppe von Werkstätten, die zur Nutzung der Wasserkraft an einer Gefällstufe des Gerinnes gelegen ist, zu verstehen. Anlass zur Untersuchung war die Auflösung der Wehrgrabencommune, einer Gemeinschaft von Wasserrechtsinhabern am Wehrgraben, verbunden mit der Zurücklegung ihrer Wasserrechte und der Erlassung einer letztmaligen Verfügung der Wasserrechtsbehörde. Die Wehrgrabencommune, bestehend seit der Erlassung des Wasserrechtsgesetzes 1879, war Nachfolgerin der Steyrer Wührgrabler, die seit 1529 zur Erhaltung des Wehrgrabengerinnes eine eigene von Bürgermeister und Rat der Stadt erlassene Ordnung besaßen. Die letztmalige Verfügung besagte im Auftrag der Wasserrechtsbehörde das Gerinne zuzuschütten, weil sich kein Erhalter des Gerinnes und weiterer Nutzer der Wasserrechte fand. Eine von der Stadt und dem Bundesministerium für Unterricht veranlasste Untersuchung und ein von der Stadt Steyr ausgeschriebener Architektenwettbewerb, ein erwachendes Stadtbewusstsein der Steyrer Bürger und Fachgutachten führten zur Revidierung der Zuschüttungsabsichten der Stadtverwaltung. Diese war durch Kauf der Gewässerparzellen der Commune in deren Rechte und Verpflichtungen eingetreten. Unklar blieb bis jetzt die Sicherung der Erhaltung der Wehrgrabenanlage. Ob und in welchem Umfang nun öffentliche Mittel für die Gerinneerhaltung herangezogen werden können und welche Stelle als Gewässerbesitzer und Erhalter aufscheinen wird, ist bisher ungeklärt. Eine Entscheidung hängt unter anderem von dem historischen Rang ab, den das Wehrgrabenensemble beanspruchen kann. Eine detaillierte Analyse des Bestandes und der geschichtlichen Entwicklung war daher von größter Dringlichkeit. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich nicht allein auf diese spezielle Erkenntnis, vielmehr strebt sie dem stand der stadtbaugeschichtlichen Forschung entsprechend, die simultane Betrachtung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, kultureller und räumlich struktureller Aspekte an. Die Auswertung vorhandener urkundlicher Quellen der unterschiedlichsten Art wird mit der Aufnahme und Analyse noch erhaltener baulicher Zeugnisse verknüpft und zu einem strukturgeschichtlichen Entwicklungsbild verarbeitet. Städte, deren Entwicklung überwiegend von speziellen Existenzgrundlagen, wie etwa der Eisenverarbeitung und der Wasserkraft geprägt wurden, sind als Beispiele strukturgeschichtlicher Entwicklungslinien besonders interessant. Obwohl verschiedentlich Gewerbeansiedlungen oder die Ansiedlung von Handwerkern, Bergleuten und Salinenarbeitern schubweise stattfand, ist die Auswirkung derartiger Vorgänge, soweit sie im späten Mittelalter oder in der frühen Neuzeit erfolgten, auf die Siedlungsentwicklung und Strukturveränderung im Einzelnen nicht untersucht worden. Sieht man von der Horner Tuchmachersiedlung des 17. Jahrhunderts ab, so ist allerdings in keiner der vorgenannten „Industriesiedlungen“ [Ferlach, Pögstall, Enns] ein dem Wieserfeld auch nur annähernd vergleichbares städtebauliches Ordnungsprinzip, das sich Überdies durch sein hohes Alter auszeichnet, zur Verwirklichung gelangt. (Knittler, 1987, S. 40) Siedlungserweiterungen finden sich in Landschaften mit Metallverarbeitung und in späterer Folge mit Textilindustrie. Besonders hervorzuheben sind die Siedlungsanlagen und deren Erweiterungen in den Bergbaugebieten. Die Knappensiedlungen in Schwaz und in Hall in Tirol im 16. Jahrhundert Übertreffen an Einwohnerzahl die Anlage des Wieserfeldes. Die Siedlungsstrukturen unterscheiden sich aber wesentlich von der städtischen Anlage in Steyr. Hinsichtlich der Struktur unterscheiden sich auch die Knappensiedlungen in den Montangebieten des Erzberges und von Hüttenberg. Sowohl in Tirol wie auch im Erzbergbereich und um Hüttenberg kommt es zu keiner Siedlungskonzentration. Die Bevölkerung siedelt in kleinen Einheiten und verteilt sich so auf großräumige Reviere. Von Auswirkungen auf eine Stadtentwicklung durch vorindustrielle Gewerbe und den Bergbau kann unter anderem in Bregenz, Enns, Hall in Tirol, Horn, Pögstall, Schwaz in Tirol sowie in der Eisenwurzen um den Erzberg - hier in kleinerem Rahmen - gesprochen werden. Untersuchungen der genannten Orte in städtebaulicher und baugeschichtlicher Hinsicht sind bislang nicht bekannt.
—2— Die Ergänzung und Verdichtung der Forschung Über Steyr ist aus diesem Grunde eine weit über das örtliche Interesse hinausreichende wissenschaftliche Aufgabe, die über den Rahmen einer Stadt- oder Stadtteilmonographie hinausgeht. 1.2 Quellenlage und Stand der Forschung Das der Abhandlung zugrunde liegende Quellenmaterial ist umfangreich. Im städtischen Archiv liegen die Steuerbücher von 1543 bis 1735, leider nicht mehr vollzählig, sowie das erste Grundbuch aus dem Jahre 1735. Katasterblätter einschließlich der ersten Aufnahmen aus dem Jahre 1820 befinden sich im Besitz der Stadt. Die übrigen historischen Grundbücher und die dazugehörigen Gewährsbücher sind im oberösterreichischen Landesarchiv aufbewahrt. Im städtischen Archiv finden sich auch Ratsprotokolle ab dem Jahre 1543 bis zu Gegenwart. Wasserbuchblätter und Pläne ab 1879 und eine Fluderliste aus diesem Jahr werden ebenfalls bei der Stadtgemeinde bewahrt, sowie ein Faszikel „Wehrgraben“, der Aktenstücke von 1529 bis zur Auflösung der Wehrgrabencommune beinhaltet. An Planunterlagen sind ein Planprospekt, ein Kupferstich, den der Steyrer Goldschmied Wolfgang Hauser mit seinem Sohn Josef um 1600 anfertigte, und ein Planprospekt von Matthäus Merian aus seiner Topographia Germaniae vorhanden. Letzterer, herausgebracht 1649, stützt sich weitgehend auf die Hauser'sche Arbeit. Ein Planprospekt, dessen Verfasser unbekannt ist, betitelt „Abriß und Directorium der zwischen Kloster Garstnerischen und Stadt steyrischen Wührgrablern strittigen Au und Wührgraben auf der Steyr“ wurde wegen eines Streites zwischen den Wührgrablern in Unterhimmel am Himmlitzerbach, die dem Kloster Garsten zinspflichtig waren, und den Steyrer Wührgrablern um 1638 erstellt und im Jahre 1800 renoviert. Dieser Plan ist besonders im Hinblick auf die Wasserbauten und das dargestellte Flussregime der Steyr aufschlussreich und interessant. Es ist ferner ein Plan der Stadt Steyr aus dem Jahre 1773, der vermutlich im Zusammenhang mit der Grundbuchneubearbeitung entstanden ist, sowie ein Plan der Vorstadt Aichet - so lautet sein Titel - verfasst von Crammer junior bei der Stadt aufbewahrt. Als weitere Quellen sind die „Annales Styrenses“ von Preuenhueber, die „Geschichte der Stadt Steyr“ von Franz Xaver Pritz und die „Heimatkunde von Steyr“ von Anton Rolleder zu nennen. Josef Löw, ein Steyrer Zeichenlehrer, ist Verfasser der „Topographisch - statistisch - technischen Beschreibung von den bei der k.k. Kreis- und Commercialstadt Steyr am Steyrfluß anliegenden Gewerken, Maschinen etc. in den vier Werkstätten : / der Wehrgraben genannt / teils auch von anderen Industrie Gewerken, welche sich größtenteils in den Vorstädten befinden“. In dieser Arbeit findet sich ein Lageplan des gesamten Wehrgrabenbereiches und einige Ansichtsdarstellungen, darunter jene der vier Zeugstätten, die mit dem Stand von 1832 wiedergegeben werden. Akten des Pfleggerichtes der Herrschaft Steyr, die bis 1867 Wasserrechtsbehörde war, sind vereinzelt im Landesarchiv vorhanden. Das Pfleggericht war im Schloss Lamberg zu Steyr untergebracht, das 1727 und 1824 abbrannte. Der Großteil der Pfleggerichtsakten dürfte bei diesen Bränden vernichtet worden sein. Bauakten über Bauvorhaben in der Stadt Steyr werden seit 1867 in der städtischen Registratur verwahrt. Der Stadtregulierungsplan aus dem Jahre 1930, verfasst von Universitätsprofessor Architekt Dipl.- Ing. Karl Hofmann und dem Steyrer Architekten Franz Koppelhuber erfasst auch die Steyrniederung, sagt aber über die historische Entwicklung des Gebietes nichts aus. Eine Dissertation von Irmgard Hack (Graz 1949) Über das Thema „Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts“ beinhaltet vor allem wirtschaftliche und gewerbliche Untersuchungen. Geschichtliche Abläufe konnten in der Arbeit von Erlefried Krobath „Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit“ verfolgt werden. Sie wurde in den Kulturamtsveröffentlichungen der Stadt Steyr in Fortsetzungen abgedruckt und behandelt die Stadtgeschichte allgemein. Von Friedrich Berndt ist eine nicht veröffentlichte Baugeschichte der Stadt Steyr vorhanden. Das Kapitel „Wehrgraben“ dieser Stadtbaugeschichte behandelt vor allem die geschichtlichen Abläufe des gesamten Wehrgrabenviertels. Auswirkungen auf das Baugeschehen in der Übrigen Stadt bleiben
—3— außerhalb der Betrachtungen. Die Entstehung und Entwicklung der einzelnen Zeugstätten ist in der Arbeit Berndts nur zum Teil verfolgbar. Auf Anregung von Bürgermeister Weiß erteilte das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gemeinsam mit der Stadt Steyr Othmar Sackmauer und Klaus Semsroth im Dezember 1978 einen Forschungsauftrag, in welchem die Sanierungsprobleme des Wehrgrabens zu untersuchen waren. Die Forschungsaufgabe betraf vor allem den Status quo und bestehende Entwicklungsmöglichkeiten, sowie die Frage, ob das wasserführende Gerinne des Triebwasserkanales zu erhalten sei. Die geschichtliche Entwicklung der Anlage wurde nicht untersucht. Die wissenschaftliche Bestandsaufnahme „Das Ensemble und die Denkmale des inneren Wehrgrabenviertels“ aus dem Jahre 1982 und die kunsttopographische Bestandsaufnahme „Steyrdorf - Wehrgraben - Wieserfeld“ aus dem Jahre 1987, beides Arbeiten des Bundesdenkmalamtes, erfassen den äußeren Teil des Wehrgrabens nicht. In der kunsttopographischen Bestandsaufnahme wird festgestellt: Bei der Darstellung historischer Profanarchitektur wird das Forschungsdefizit auf diesem Gebiet sichtbar, das eine eingehende Auseinandersetzung mit dem erhaltenen reichen Baubestand und der Erarbeitung entwicklungsgeschichtlicher Kriterien zu einem wichtigen Desideratum macht. (Bacher, 1987, S. 9) Es wird ferner angeführt: Es sind vor allem die Aspekte der Wirtschafts- und Industriegeschichte und der „Welt der Arbeit“ mit all ihren sozialen und gesellschaftlichen Facetten und Dimensionen, die hier einbezogen werden müssen. (Bacher, 1987, S. 10). Weitere zusammenhängende Forschungen über Eisengewerbe und Stadtentwicklung sind nicht bekannt. Auch die Entstehung des eigentlichen Wehrgrabengerinnes wurde bisher nicht untersucht. Seit 1867 ist anhand der in der Registratur der Stadt verwahrten Bauakten Grundriss und Fassadengestaltung der zu Industrieobjekten umgebauten Werkgaden aus Bauplänen ersichtlich. Auch von den hölzernen Schleifen A 7 und den 1982 abgetragenen Schleifenhütten A 9 und A 10 sind noch Pläne vorhanden. Die Akten der Herren Wührgrabler und ab 1879 der Wehrgrabencommune sind für die Beurteilung der baulichen Entwicklung von geringer Aussagekraft, weil die Baumaßnahmen, die oft von den Besitzern gemeinsam durchgeführt werden mussten, seit alter Zeit bis zum Inkrafttreten der Bauordnung aufgrund mündlicher Verhandlungen unter Berücksichtigung der Wehrgrabenordnung erfolgten. Protokolle über Bauverhandlungen aus früher Zeit, dem 18. Jahrhundert und früher, sind kaum vorhanden. Aufzeichnungen über den Fluderbau, das Ausrinnen im Sockelbereich der Unterliegerobjekte, Erneuerungen, Umbauten, die Herstellung und Benützung von Zugangsstegen, gibt es erst seit der Einführung der Bauordnung im Jahre 1875. Schließlich konnten mündliche Auskünfte von den Herren Heinrich Ebner-Liedlbauer, Ing. Wolfgang Hack, Ing. Toni Pelz und Prokurist Karl Fädler eingeholt werden. Die Unterlagen für die Hausblätter wurden den Steuerbüchern, Grundbüchern und den Bauakten entnommen. 1.3 Anmerkung zur Methodik der Untersuchung Die Fortführung und Erweiterung der bisherigen Forschungen wurden durch eine gründliche Auswertung des vorhandenen und zusätzlich beschafften Quellenmaterials ermöglicht. Um den Einfluss des paläotechnischen Wasserbaus auf die Stadtentwicklung zu erfassen, wurde durch die Nutzung von Schichtenplänen, geologischer Erfahrung, die auf diversen Baustellen gewonnen wurde, und durch die vergleichsweise Heranziehung alter Pläne anderer Flussstrecken der Steyr wertvolle Erkenntnisse erlangt. Die Zusammenschau und Ergänzung vorhandener Forschungsansätze erbrachte weitere Erkenntnisse zum Thema. Die Interpretation von historischen Veduten und alten Plänen erleichterten die Erforschung historischer Stadtentwicklung. Eigene Bauaufnahmen zusammen mit in den Archiven noch vorhandenen Bauplänen erbrachten wertvolle Aufschlüsse im Hinblick auf den Einfluss des
—4— vorindustriellen Eisengewerbes auf die Stadtentwicklung. Vor allem Standortbestimmungen und die Festlegung der Entstehungszeit einzelner Objekte wurden so möglich. Sehr wertvoll erwiesen sich frühe Katasterpläne, da ihnen die Lage verschiedener alter, nicht mehr bestehender Bauobjekte entnommen werden konnte. Um den jeweiligen Besitzstand nachgehen zu können, der viel zum Verständnis der allgemeinen Entwicklung beitrug, war gleichfalls eine Zusammenschau von Steuer- und Grundbüchern mit Planprospekten und Veduten zielführend. Ferner war es notwendig, Unterschiede zwischen einzelnen schriftlichen und graphischen Quellen besonders in den Gewährsbüchern aufzuklären oder zu deuten. Zur näheren Erläuterung der einzelnen Objekte der Ersten Zeugstätte wurden aus der bei der Behörde ab 26. Juni 1879 geführten und hier als Kopie angeschlossenen Fluderliste die Bezeichnungen A 1 bis A 13 für die einzelnen Werkstätten übernommen. Ihre Lage wurde im nachstehenden Plan der Zeugstätte festgehalten. Diverse Pläne und Illustrationen, die im Text eingebaut und im Anhang aufgelistet sind, sollen die Aussage der Arbeit deutlicher und kräftiger machen.
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—6— 2. Historischer Wasserbau und Stadtentwicklung in Steyr Die technische und wirtschaftliche Entwicklung und mit ihr der Wasserbau sind Teil eines historischen Bereiches und eines historischen Vorganges. Die Darstellung dieser geschichtlichen Entwicklung von Wasserbau und Wasserwirtschaft an Enns und Steyr stehen in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Stadt. Die Stadt Steyr, die vom Bundesdenkmalamt in der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme „Das Ensemble und die Denkmäler des Inneren Wehrgrabenviertels in Steyr“1 als Stadtdenkmal bezeichnet wird, liegt im nördlichen Alpenvorland am Zusammenfluss von Enns und Steyr. Die natürliche Flusslandschaft, von Wasser und mitgeführten Feststoffen geformt, wurde durch Wasserbauten unter Benutzung alter Fluss- und Totarme zur Kulturlandschaft umgestaltet. An der Steyr wurde die Möglichkeit zur Energiegewinnung, sowie für Trift und eine bescheidene Flößerei geschaffen. Eine Schiffbarmachung des Flusses und eine Verwendung als Wasserweg war im Gegensatz zur Enns wegen des geringen Wasserdarbotes nicht möglich. Selbst die Flößerei konnte nur in geringem Umfang mit Ladenkarln2 betrieben werden. Günstige Plätze an den Flüssen bildeten stets Kernpunkte für menschliche Siedlungen. Die Gunst der Örtlichkeit bestand in Steyr in der Lage der Stadt an der Mündung der Steyr in die Enns. Hier an den Furten durch die beiden Flüsse kreuzten sich der uralte „Flößerweg“ und die „Eisenstraße“. Den Flößerweg — von Osten nach Westen verlaufend — benutzten die Flößer, welche die Traun und die Donau befuhren, zu ihrer Rückkehr nach Stadl-Paura an der Traun. Die Eisenstraße folgte und folgt noch heute der Ennsfurche.
—7— Es war daher schon früh erforderlich, für die Energiegewinnung, Flößerei und Trift durch geeignete Wasserbauten, Floßländen, Wehren und Triebwassergerinne entsprechende Voraussetzungen zu schaffen. Im Hinblick auf die Besiedlungsmöglichkeit der Flusstäler war die Höhenlage des Talraumes der Enns günstiger. Die Niederung der Steyr wurde in frühester Zeit nicht und in der Folge nur sehr zögernd und in großem Umfang erst im 19. Jahrhundert besiedelt, als die moderne Technik des Wasserbaus eine notwendige Ufersicherung und eine Abfuhr der Hochwasserfrachten verbesserte. Diese Vorkehrungen reichten nur aus, kleinere Hochwasserereignisse abzuwehren. Stärkere Hochwässer führten zu umfangreichen Überflutungen der neuen Siedlungsräume an der Steyr. Die beiden Flüsse, die wasserreiche Enns und die klare Steyr, haben in den Nacheiszeiten ihre Täler mit Geschiebe aufgefüllt und sich in der Folge wieder in die abgelagerten, verfestigten Schotter eingegraben. Die Steyr, ein Gebirgsfluss von 79 Kilometer Länge, durchfließt, bevor sie sich mit der Enns vereinigt, eine Talniederung von wechselnder Breite. Sie tritt in der Stadtmitte durch eine kurz von Konglomeratwänden eingeengte Talsohle in die Ennsfurche ein. Beide Flüsse haben sich im inneren Stadtgebiet bis zum Flyschhorizont eingetieft. Die Eintiefung der Reichen Steyr und des Mitterwassers dürfte an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert schon bis in die Gegend des heutigen Plautzenwehres gereicht haben. Die größere Breite der Talsohle hat es dem Fluss auch noch imMittelalter ermöglicht, im Laufe der Zeit bei Hochwässern seinen Lauf oftmals zu ändern und sein Bett zu wechseln. Untersuchungen, ob der Wehrgraben ein natürliches oder ein künstliches Gerinne ist, gab es bisher nicht. Man war in dieser Frage nur auf Annahmen angewiesen. Über eine erste Nutzung dieses Seitenarmes der Steyr als Triebwasserkanal sind keine urkundlichen Quellen vorhanden. Da es von der Steyrniederung im heutigen Stadtbereich keine alten Aufnahmen gibt, ist man gezwungen, die Höhenlage, wie sie sich in den Schichtenlinien darstellt, zur Beurteilung und Erforschung des historischen Flussregimes heranzuziehen. Aus dem Verlauf der Schichtenlinien ist anzunehmen, dass das heutige Wehrgrabengerinne ehemals natürlichen Wasserläufen folgt. Ein starker Uferanriss anlässlich eines Hochwassers im Jahre 1776 bei der Großen Falle lässt hier den Verlauf der Altarme kaum mehr erkennen. Die Regulierung des Mitterwassers, Ufersicherungen und Straßenbauten haben die Höhenlage einzelner Flächen verändert. Diese Annahme wird durch einen Plan aus dem Jahre 1638 erhärtet, welcher das Gebiet vom Plautzenwehr bis zum Kruglwehr flussaufwärts der Stadt darstellt und anlässlich eines Streites der Werkgarner, der Handwerker „Unter dem Himmel“ mit den „Steyrer Wührgrablern“, angefertigt wurde. Aus diesem Plan ist ersichtlich, dass die Flussarme im 17. Jahrhundert — im Gegensatz zum heutigen Flussregime — aufgefächert über die ganze Talsohle verliefen. Es ist anzunehmen, dass die Eintiefung der Steyr im Flussabschnitt zwischen Kruglwehr und Zwischenbrücken ähnlich verlief, aber durch Wasserbauten zur Energiegewinnung aufgehalten worden war. Diese Wasserbauten waren Vorgänger der heutigen Wehrbauten an den Gefällstufen im Gsang beim Kugelfang und beim Annawehr. Die Eintiefung beim Steinkasten erfolgte erst bei einem Hochwasser im Jahre 1663. Die Triebwassergerinne Wehrgraben und Gsangwasser versorgten die an diesen Wasserläufen wahrscheinlich, aber urkundlich nicht nachgewiesenen, vom 12. zum 13. Jahrhundert entstandenen Werkstätten. Diese Werkgaden waren an topographisch und gefällsmäßig im Flusslauf günstigen Stellen am Ufer errichtet worden. Die Werkstättengruppen, welche dann Zeugstätten genannt wurden, bildeten frühe Wachstumspunkte für die Errichtung der Handwerkeransiedlung, die wegen der Hochwassergefahr aber immer hangseitig erfolgte. Die Zahl der ersten am Wehrgraben entstandenen Werkstätten war gering, sodass in früher Zeit auch die Anzahl der Wohnhäuser für die Handwerker klein blieb. Diese Häuser wurden willkürlich bei der Ersten Zeugstätte, in welcher die erste Nutzung der Wasserkraft amWehrgraben erfolgte, am alten Weg zur Truglmühle errichtet. Mit dem Flussregime der Steyr bildete sich unter den Konglomeratwänden an den Rändern des Flusstales ein Netz von Zwangs- und Begrenzungslinien, die für die Entwicklung der Stadt in der
—8— Steyrniederung bis in das 19. Jahrhundert bestimmend wurden. Erst Josef Werndl hat die Gründe in der Niederung der Steyr baulich voll genutzt. Die frühe Entwicklung der Stadt erfolgte amWehrgraben radial. Die Stadtbefestigungen, die dem sektoralen Wachstum der Stadt 1480 gefolgt war, schloss die Dritte und vierte Zeugstätte und den inneren Wehrgraben in den ummauerten Bereich ein. Der äußere Wehrgrabenbereich verblieb außerhalb der Befestigungen. Die Lage des Triebwassergerinnes an der nordseitigen Talbegrenzung hielt die Gefahren einer Flussbettverlagerung bei Hochwasser in Grenzen. Trat dennoch infolge einer derartigen Verlagerung eine Beschädigung wie beim Hochwasser des Jahres 1776 im Bereich der Großen Falle ein, so war eine Reparatur noch möglich. Die Eintiefung war die Ursache für die Entstehung der Abflüsse des Wehrgrabens; zuerst jene bei der Insel Elba zur Reichen Steyr, dann das sogenannte Überwasser, das ebenfalls zur Reichen Steyr abfließt. Der Abfluss bei der Großen Falle führt hingegen schon zumMitterwasser. Diese Abflüsse wurden beim Bau des Triebwassergerinnes jeweils durch ein Wehr verschlossen, um ein entsprechendes Wasserdarbot sicherzustellen. Die Wehrwangen der hölzernen Wasserbauten waren zur Ufersicherung als starke, hölzerne Schlachten ausgebildet. Sie wurden weit in das Unterwasser geführt und dienten den Brücken der südlichen Uferbegleitstraße, der heutigen Wehrgrabengasse, als Widerlager. Straße und Gerinne wurden zusammen zur wichtigen radialen Entwicklungsachse der Stadt in der Steyrniederung. Die Abflüsse des Wehrgrabens wurden zu Gliederungselementen der Flächen zwischen dem eigentlichen Flussbett, der Reichen Steyr und demMitterwasser einerseits, und demWehrgraben andererseits. Die Brücken waren ursprünglich aus Holz gebaut und bestanden als Holzkonstruktionen bis in die Mitte unseres Jahrhunderts. Die Brücke an der Großen Falle wurde erst im Jahre 1950 als Stahlbetonbrücke neu errichtet, indem man das alte Holzkonstruktionssystem mit zwei Pfeilern eine Eisenbetonkonstruktion übersetzte. Der Mittelablass der Falle wurde wieder in einer Holzkonstruktion ausgeführt. Die Abflüsse zu beiden Seiten der Insel Elba und an der Kleinen Falle hatte die Stadtverwaltung zugeschüttet, da sie nicht mehr benötigt wurden. Sobald der Wasserstand im Wehrgraben die Normalhöhe überstieg, wurde aufgrund der Nivelette der WehroberkanteWasser aus dem Triebwassergerinne abgeworfen. Bei der Großen Falle ist das aber schon bei Normalwasser der Fall. Der Grund dafür ist im Wasserdarbot des Saggrabens zu suchen, das gleichzeitig mit dem Wehrgrabenwasser beim Annawehr aus der Steyr ausgeleitet wird. Nach dem Abarbeiten dieser Wassermenge im Saggraben wird sie wieder in den Wehrgraben eingeleitet. Da der untere, innere Wehrgraben für eine bestimmte Wassermenge ausgelegt war, muss das Zuviel an Wasser, das aus dem erst nach dem Wehrgraben erbauten Saggraben zufloss, in das Mitterwasser abgeworfen werden. Ähnlich waren die Verhältnisse bei der zweiten Zeugstätte, wo der Abwurf zusätzlichen Wassers in das Überwasser erfolgte. Als Hochwasserabflussgerinne kann der Wehrgraben aufgrund seines geringen Querschnittes nicht herangezogen werden. Die Verbindung zu den inneren Zeugstätten lief über die Badgasse und die heutige Fabrikstraße auf dem schmalen Uferstreifen unter dem Schaurstein. Dieser Straßenzug bestand um 1600 — wie auf dem Hauserstich dargestellt — bis zur zweiten Zeugstätte. Zu beiden Seiten dieser Aufschließungsstraße fand sich auf dem schmalen Uferstreifen noch Platz für die Errichtung von etlichen Handwerkerhäusern im hochwasserfreien Bereich. Bei der zweiten Zeugstätte bestand schon in früher Zeit über den Wasserberg eine Verbindung zur Sierningerstraße, der alten Siechengasse. Erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts erfolgte ein Ausbau des Straßenzuges und eine Verlängerung über die Erste Zeugstätte hinaus bis zur Annabrücke beim Plautzenhof. Die Uferbegleitstraße südlich des Wehrgrabens, die heutige Wehrgrabengasse, bestand um 1600, wie dies ebenfalls dem Hauserstich zu entnehmen ist, von der vierten Zeugstätte im Innersteyrdorf bis zum Plautzenwehr und zur Annabrücke. Sie stellt die Verbindung der Zeugstätten und Holzlagerplätze, die am Wehrgraben situiert waren, und der übrigen Werkstätten, der Pulverstampf und der Bruckmühle an der Großen Falle dar.
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—10— Der Hochwasserabflussbereich, der sich über die gesamte Talniederung erstreckte, wurde erst in jüngster Vergangenheit durch die Errichtung des Kraftwerkes Klaus mit einer Rückhaltemöglichkeit am Oberlauf der Steyr eingeengt. Diese Hochwassergefährdung war bis in das 19. Jahrhundert bestimmend für die Freihaltung der Talniederung von Wohnbauten. Nur in dem, um 1480 in den ummauerten Bereich der Stadt einbezogenen, inneren Wohnbauten unter dem Wehrgrabenviertel waren, wie erwähnt, Steilabbruch des Inneren Schaursteins im Hochwasserbereich errichtet worden. Hier sei angemerkt, dass die innere Fabrikstraße aufgrund ihrer Höhenlage nur mit kurzen Teilen im Hochwasserabflussbereich liegt. Bei der Ersten Zeugstätte lagen bei einem fünfzigjährigen Hochwasserereignis neben den Werkgaden die Müllerwohnhäuser und das Papiererwohnhaus am Saggraben im überschwemmten Gebiet. Vom Hochwasser bedroht waren vor allem die in früher Zeit nicht befestigten und nicht geschützten Ufer des Mitterwassers und der Reichen Steyr. Dies führte oft zu argen Uferanrissen, ja zu Veränderungen des gesamten Flussregimes, wie 1572 in der Unterhimmler Au, 1663 im Bereich des späteren Steinkastens und 1776 zwischen Kleiner und Großer Falle. Schon bei dreißigjährigen Hochwässern wurde fast der ganze Talboden überschwemmt. Nur der westliche Teil der Pufferau liegt so hoch, dass er bei einem dreißigjährigen Hochwasserfall nicht überflutet wird. Diese stete Hochwassergefahr hinderte die Steyrer, das Mitterwasser und die Reiche Steyr energiemäßig auszunützen. Im Bereich der breiten Talniederung war dieser Flussarm zur Abfuhr der Hochwasserfracht notwendig. Erst in Zwischenbrücken, wo die Steyr zwischen steilen Konglomeratfelsen eingeengt wird, entstand früh am Fluss selbst eine große Wehranlage zum Betrieb der Spitalmühle und der Hofmühle an beiden Ufern, mitten in der Stadt. Die Zeugstätten standen im Abflussbereich der Hochwässer. Sie waren während des Hochwasserstandes nicht benützbar und wurden verschlammt, aber in der Regel nicht wesentlich beschädigt oder zerstört. Die Wührgrabler waren bestrebt, durch entsprechende Wasserbauten das bestehende Flussregime zu erhalten und errichteten hierzu Buhnen, Schlachten und anderes „Wassergepey“, das dem Schutz der Anlagen dienen sollte. Aber diese Schutzbauten reichten nicht aus, um die Gefahr abzuwenden und die anfallende Hochwasserfracht aufzunehmen, wie sich wiederholt zeigte, so besonders 1572 bei einem tausendjährigen Hochwasserfall. Selbst eine großzügige Regulierung des Mitterwassers im Bereich zwischen dem Eysnfeld — der alten Mitterau und der Pufferau im Jahre 1880 und Verbesserungen der Regulierungsdämme in den folgenden Jahren konnten Überflutungen in der Steyrniederung nicht verhindern. Diese Regulierung stellt an der Seite des Eysnfeldes einen gewaltigen Eingriff in das Stadtbild dar, der in der Folge durch eine natürliche Begrünung abgeschwächt wurde. Der Hauserstich, entstanden an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, zeigt die Entwicklung der Stadt in der Steyrniederung mit großer Genauigkeit. Auf der Pufferau südlich der Ersten Zeugstätte stellt Hauser die Werkstätte am Saggraben, die Säge des Joachim Händl und das Papiererhaus dar. Am Wehrwasser sind der ehemals Löschenprant'sche Hammer und die Objekte A 12 und A 13 zu sehen. Bei der Großen Falle ist die Bruckmühle an einem Mühlenrad zu erkennen. Nördlich, hangseitig, am Fuß des Ahlschmiedberges und des Hammerschmiedberges sind die drei Mühlen, die im gemeinsamen Besitz des Sebastian Händl standen, als ein Objekt durch ein Mühlenrad kenntlich dargestellt. Das Haus Aichet 67, oberhalb des Wohnhauses der Neumühle, besteht ebenfalls schon. Es steht in der Folge meist in gemeinsamen Eigentum mit der Schleife A 8. Auf der Insel „Bei der Steyr“ oberhalb der zweiten Zeugstätte sind amWehrgrabenufer zwei Häuser jeweils in einem eingefriedeten Garten wiedergegeben. Abseits gegen das Mitterwasser steht inmitten der Holzplätze die Pulverstampf. Die Insel „Auf dem Anger“ zeigt wehrgrabenseitig eine geschlossene Bebauung. Unterhalb der Zweiten Zeugstätte überbrückt die Kupferhammerbrücke das Gerinne. Oberhalb der Dritten Zeugstätte ist die Innere Reiterbrücke, unterhalb die Ledererbrücke dargestellt.
—11— Im Bereich der Vierten Zeugstätte sind auf dem Hauserstich zwei Stege erkennbar. Die Insel Elba fehlt auf der Darstellung. Sie wurde erst in späterer Zeit durch die Anlage eines zusätzlichen Fluders bei der zweiten Zeugstätte geschaffen. Während am Wehrgraben, in der Fabrikstraße und auf dem Anger eine geplante Ordnung der Bebauung erkennbar ist, zeigt sich eine solche im Aichet nur in Ansätzen am Bründlplatz, bei der Kapelle in der Aichetgasse und darunter in der Siechengasse. An Wasserbauten sind auf dem Stich von Vater und Sohn Hauser nur die beiden Streichwehre in Zwischenbrücken zu erkennbar. Auf dem Anger und in der Mitterau wurden Holzlagerplätze dargestellt. Die Bebauung am Wehrgraben und die Lagerplätze liegen im Hochwasserabflussbereich. Der Stich in Matthäus Merians Topographia Germaniae, der weitgehend die Hauser'sche Ansicht als Vorlage benutzt, gibt den Wehrgrabenbereich nur sehr ungenau wieder. Beide Stiche zeigen aber die Gegend Mitterwasser — Mitterau in einer von der heutigen abweichenden Form. Die Hochwässer haben hier die Gerinne geändert. Der erwähnte Abriss der Unterhimmler Au aus dem Jahre 1638 ist in seiner Darstellung der Mitterau falsch, da das weit oberhalb des Teufelsbaches liegende Gsangwehr mit der Abzweigung des Mitterwassers fehlt. Der 1663 errichtete Steinkasten und das schon seit alter Zeit bestehende Wehr in Niederaichet, das Plautzenwehr, sicherten die Wasserzufuhr zum Saggraben und Wehrgraben, wovon letzterer mit seinen vier Zeugstätten, der Bruckmühle an der Großen Falle und etlichen Holzlagerplätzen an seinen Ufern zu einem wirtschaftlichen Entwicklungsgebiet der Stadt wurde. Der Wehrgraben war um 1600 von vier Brücken überspannt. zu diesen Brücken kamen noch einige Stege, von welchen drei öffentlich benutzt werden konnten. Es waren dies die Stege bei der Ersten, Dritten und vierten Zeugstätte. Die Stege bei den Zeugstätten dienen auch gegenwärtig noch dem Fußgängerverkehr. Der Steg am Fuß des Wiesenberges oberhalb der Bruckmühle — später entstanden—wurde
—12— im Zuge des Ausbaues des innerstädtischen Verkehrsringes in jüngster Vergangenheit zur Brücke ausgebaut. Die Brücken wurden im Mittelalter in Steyr alle in Holzbauweise ausgeführt. Sie waren vor allem in der Steyrniederung bei Hochwasser stets gefährdet, da die Fahrbahn jeweils unter der Höhenmarke eines dreißigjährigen Hochwassers lag. Bei den einfachen Brücken über die Steyr und über ihre Nebenarme bildeten starke Schlachtungen die Widerlager. Aus Konglomeratblöcken aufgemauerte Widerlager entstanden vermutlich erst im18. Jahrhundert. Verstrebte Pilotenmit einer starken Balkenüberlage bildeten die Brückenjoche, die bei Brücken, welche die Reiche Steyr oder das Mitterwasser überspannten, mit einem Sporn gegen die Eistrift oder Treibholz gesichert waren. Die Zahl der eigentlichen Brückenträger richtete sich nach der Feldweite und der zu erwartenden Belastung, wie dies aus einem Vergleich der Brückenpläne zu sehen ist. Als Fahrbahn dienten starke Mann an Mann verlegte Bohlen. Diese Art der hölzernen Brücken war am Wehrgraben zu finden. Die Direktionsbrücke wurde 1888 als Stahlbrücke erbaut. Als erste der Holzbrücken über den Wehrgraben fand die Annabrücke 1943 einen Ersatz durch ein Stahlbetonbauwerk. Diese Brücke besteht aus zwei Feldern und hat wie die alte Holzbrücke einen Mittelpfeiler. Deren Tragfähigkeit genügte den Anforderungen des modernen Verkehrs nicht mehr. Die Plandarstellungen geben Aufnahmen aus dem Jahre 1923 wieder, als alle Brücken im Stadtgebiet durch Neuaufnahmen erfasst wurden. Im 15. Jahrhundert waren alle Abflüsse des Wehrgrabens überbrückt. Über das Gerinne selbst bestanden, wie schon erwähnt, vier Brücken. Die erste von ihnen lag gleich unter dem Plautzenwehr noch oberhalb der Ausleitung des Saggrabens. Die zweite Brücke führte knapp unterhalb der zweiten Zeugstätte über das Wehrwasser. Sie wurde nach einem dort befindlichen Hammer Kupferhammerbrücke genannt. Die Innere Reiterbrücke ermöglichte einen Übergang von der Frauenstiege über das Oberwasser der Dritten Zeugstätte, unter der die Ledererbrücke über das Unterwasser dieser Zeugstätte führte. Den Namen hatte sie von einem Lohgerber, der unmittelbar am nördlichen Brückenkopf seinen Betrieb führte.
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—14— Das Mitterwasser und die Reiche Steyr waren im 16. Jahrhundert noch nicht überbrückt. Eine Durchfurtung war bei Normalwasser möglich. Erst nach einem Katastrophenhochwasser des Jahres 1572, das große Zerstörungen und Veränderungen der Uferbereiche an der Pufferau und Mitterau verursacht hatte, wurde um 1615 eine Brücke von der Pufferau zur Mitterau errichtet, nachdem die Mitterau durch eine Brücke über das Gsangwasser nahe der Teufelsbacheinmündung erschlossen worden war. Diese Brücke, die Kalkofenbrücke, ist auf dem Hauserstich erkennbar. Als Initiator des Brückenbaues über das Mitterwasser dürfte der Bürgermeister Händl anzusehen sein, der oberhalb des Hofes im Niederaichet, dem späteren Plautzenhof, einen Kalkofen betrieb und das Rohmaterial für diesen aus den Steyrschottern holen ließ. Er besaß auch die Erste Zeugstätte mit Ausnahme der Mahlmühlen. Durch die Brücke über das Mitterwasser erhielt diese Zeugstätte eine kurze Verbindung zum Stadtzentrum. Sie brachte den Handwerkern an der Steyr Transportvorteile. Außerdem konnte die Mitterau nun auch von Norden her bewirtschaftet werden. Ihr Waldbestand und die Uferweiden hatten eine wirtschaftliche Bedeutung. In späterer Zeit, im 18. Jahrhundert, wurde unterhalb der Einmündung des Gsangwassers über die Reiche Steyr eine Brücke errichtet. Die Brücken wurden, sofern sie neben Holzlagerplätzen lagen, im Triftfall zu Holzrechen umfunktioniert. Man legte oberwasserseitig schwache Stämme schräg von der Brücke in den Flussgrund. Die geringe Eintauchtiefe einerseits und die große Überwasserlänge andererseits verhinderte einen Auftrieb dieser Rechenzähne. Sie wurden durch aufgenagelte Querketten über demWasserspiegel oder aufgenagelte Lanntennen auf Distanz gehalten. Auf den Brückenquerhölzern, die auf demBohlenbelag für dessen Stabilität sorgten, wurden die Rechenzähne mit Klampfen provisorisch befestigt. Bei einer solchen Bauweise konnte ein derartiger Holzrechen nach Ende der Trift leicht wieder abgebaut werden. Der Hauserstich zeigt auf der Mitterau Holzstapel nahe der Brücke beim Hof im Niederaichet sowie auf der „Bei der Steyr“ genannten Insel an den Ufern des Überwassers und auf der Insel Elba.
—15— Die Flößerei mit den Ladenkarln brachte Schnittholz in die Stadt. Sie erfolgte imWehrgraben durch die Grundablässe. Die Wasserbauten waren in einem bestimmten Ausmaß auf die Flößerei und Trift abgestimmt. Die Lagerplätze für das getriftete Rundholz mussten nahe an Brücken liegen, die man zu Holzrechen umfunktionieren konnte. Sie mussten aber auch entsprechende Straßenverbindungen zum Abtransport des Holzes aufweisen. Es ist zu bedenken, dass das Bauholz bis in das vorige Jahrhundert noch als Rundholz auf den Bauplatz gebracht wurde, wo es von den Zimmerleuten abgelängt und zubehauen wurde. Noch in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts wurde Langholz nur mit dem Kopfende auf kurze, starkeWagen aufgelegt und von den Ländenmit Pferden zum Bestimmungsort geschleift. Die Gebäude waren deshalb an den Straßenecken mit Prellsteinen versehen. Diese Steine weisen oft ein eingehauenes Dekor auf und sind heute noch im Stadtbild zu sehen. Die kleinstrukturierten Zeugstätten, von welchen die Erste am Oberlauf des Wehrgrabens weitgehend erhalten ist, mit ihren Wasserbauten und den dazwischen angesiedelten Gewerben wie Färbereien, diversen Mühlen, Stampfen und ähnlichen Anlagen zeigen lückenlos die Entwicklung der gewerblichen Energienutzung des Wassers bis zur Lösung von der Wasserenergie und der Nutzung anderer Energieträger. An dieser Ersten Zeugstätte sind in der südlichen Hälfte noch Reste der gewerblichen Arbeitswelt mit kleinen Werkstätten, schmalen Fludern und kleinen Wasserrädern zu sehen. Die nördliche Hälfte zeigt den Einbruch des Zusammenbau, Aufstockung und einem massiver Form wurde die kleinteilige, Industriezeitalters. Durch gleichzeitigen Ausbau in gewerbliche Struktur zu einer industriellen Anlage umzugestalten versucht. Die alten, kleinen Wasserräder wurden durch neue, doppelt breite Räder in Eisenkonstruktion ersetzt und fallweise in die nun massiv errichteten Objekte eingebaut. Der erhöhte Platzbedarf führte zu einer Überbauung der nördlichen Gerinnehälfte. Der alte Hammer am Nordufer musste 1892 einer neuen, zweigeschoßigen Fabriksanlage weichen. Anstelle der vier kleinen Wasserräder trat ein großes eisernes Wasserrad. Mit demÜbergang in die industrielle Arbeitswelt wurden die Dimensionen größer, die Wasserbauten massiver und die kleinteiligen Strukturen der Zeugstätten durch größere Einheiten ersetzt. In der zweiten Zeugstätte und am Gsangwasser entstanden E-Werke, welchen die bestehenden kleinen Werkstätten zum Opfer fielen. Die Baukörper dieser Anlagen veränderten das Stadtbild amWehrwasser. Aus vielen kleinen Werkstätten entwickelten sich Fabrikskomplexe. Man stellte diese Neubauten anfangs bewusst in den Hochwasserabflussbereich und nahm aus wirtschaftlichen Gründen Wasserschäden in Kauf. Als aber die Objekte zu klein wurden und die Wirtschaftlichkeit neue Produktionsmethoden verlangte, wanderte die Produktion in größere Einheiten auf weiträumigere Flächen ab. Die rasche Entwicklung im Zuge der Industrialisierung wurde am Wehrgraben abgebrochen. Diese rasante Entwicklung, die in der Steyrniederung und amWehrgraben zu einem scharfen Bruch und dem Bestand von Alt und Neu nebeneinander führte, wobei es zur Entstehung sehr reizvoller Ensembles kam, ließ ein Bild entstehen, welches diese Änderungen widerspiegelt. Die in Jahrhunderten durch Gewerbefleiß entstandenen Stadtteile wurden vom raschen Aufblühen der Industrie umgeformt. Der Umformungsprozess wurde unterbrochen, als neu entstehende Erfordernisse die Industrie abwandern ließen und ein Verfall des Bestandes eintrat. So ist an den Triebwasserkanälen, vor allem am Wehrgraben, am heute noch fließenden Wasser, der Übergang vom Gewerbe zur Industrie und dessen Einfluss auf die Entstehung und die Entwicklung der Stadtteile an der Steyr erkennbar. 3. Der Einfluss der vorindustriellen Eisenverarbeitung auf die Stadtentwicklung Nicht nur das Flussregime der Steyr und die zum Betrieb und zur Sicherung der Zeugstätten notwendigen Wasserbauten haben die Stadtentwicklung beeinflusst. Eine wesentliche Beeinflussung der Stadtentwicklung fand durch die vorindustrielle Stahlverarbeitungs- und den Eisenhandel statt. Steyr wird als Eisenstadt bezeichnet. Seit früher Zeit prägt das Eisen, sei es als Handelsware oder als in der Stadt gefertigtes Endprodukt, das Erscheinungsbild und die Anlage der Stadt. Es war Hauptursache des
—16— Wachstums der Siedlung am Zusammenfluss von Enns und Steyr. Es entstand die kernbestimmte Bürgerstadt, die von der ersten Stadtbefestigung umschlossen wurde. Steyr ist eine Gewerbe- und Handelsstadt, deren Entwicklung von Eisen und Stahl geprägt wurde. Auch der Holzhandel spielte eine nicht unbedeutende Rolle. Das Floßholz, das zum Bau der für den Eisentransport aus dem Gebirge notwendigen Flöße gebraucht wurde, überstieg den in der Stadt vorhandenen Holzbedarf, sodass ein Weiterverkauf des überschüssigen Holzes notwendig war. Das Energiedarbot der Steyr, der Wasserreichtum der Enns von Bedeutung für die Floßfahrt, Rechte und Privilegien vom Landesherren verliehen, der Handel mit Eisen, Eisenwaren und Holz förderten das Wachstum der Stadt. Politisch von Vorteil zeigte sich die Hauptstadtfunktion im Mittelalter. Wirtschaftlich bedeutsam war die Tatsache, dass die Ottokare als Herren von Steyr auch Besitzer des Erzberges waren und die Steuern aus dem in Steyr verkauften und verarbeiteten Eisen ihnen zuflossen. Schließlich war es die Gunst der geographischen Lage am Kreuzungspunkt von Flößerweg und Eisenstraße und an der mit Flößen und später mit Schiffen befahrenen Enns, die gerade hier den Eisenhandelsplatz entstehen ließ. Die drei Siedlungskerne, die Burg mit der Unterstadt, das Steyrdorf mit dem ostwärts gelegenen Örtl und schon früh mit Kirche, Spital und Friedhof ausgestattet, und das Ennsdorf übernahmen unterschiedliche Funktionen. Das Steyrdorf mit dem Wehrgraben und seinen Zeugstätten wurde Sitz und Zentrum des Eisengewerbes und in früher Zeit auch des Handels, der im 13. Jahrhundert verkehrsbedingt in das an der Enns entstehende Stadtzentrum abzuwandern begann. Die Ansiedlung von Eisengewerben durch den Landesherren — Berndt versucht die Herkunft der Handwerker anhand des verzickten Dienstes, den sie zu leisten hatten, nachzuweisen3 — erfolgte ursprünglich im Steyrdorf und dann im Umland der befestigten Stadt auf dem Wieserfeld, im Aichet, im Örtl und in spärlicher Form im Ennsdorf. Die Werkstätten mit Hämmern und Schleifen, für deren Betrieb die Wasserenergie notwendig war, entstanden im Bereich der vier Zeugstätten des Wehrgraben und am Gsangwasser. Diese Ansiedlung setzte zögernd ein. Sie bot keine Schwierigkeiten, da der Landesherr, bis 1407 weitgehend auch im Steyrdorf und im Umland der Stadt, Grundherr war. Für die Erste Zeugstätte bedeutete das, dass die Meister ihre eigenen Werkstätten in frühen Zeiten auf dem Aichethang zwischen den Höfen errichteten. Die ältesten Handwerkerhäuser entstanden an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert gleichzeitig mit der Adaptierung des Wehrgrabens zum Triebwasserkanal. Zu diesem Schluss gelangt man, wenn man die Feststellung von Pritz4 berücksichtigt, dass nach 900 Eisen in Steyr in beachtlichem Ausmaß bearbeitet wurde.
—17— Zu dieser Zeit bestand das innere Steyrdorf im Bereich seiner frühesten Ummauerung. Die ersten Ansätze der Zeugstätten hatten sich am Triebwassergerinne gebildet. Die in den Zeugstätten im stadtnahen Gebiet am inneren Wehrgraben werkenden Arbeiter schufen sich ihren Wohnraum im in früher Zeit durch eine Palisadenwand geschützten inneren Steyrdorf. Die Steyrniederung blieb mit Ausnahme der Werkgaden unbebaut. Die Gefällsverhältnisse des Gerinnes hatten die Anlage von zwei Zeugstätten unmittelbar unterhalb des Steyrdorfs ermöglicht, eine dritte entstand etwas weiter westlich an der Abzweigung des Überwassers und schließlich weit im Westen, fast am Beginn des Triebwasserkanals, hatte sich die Erste Zeugstätte um eine Mahlmühle, die Truglmühle, gebildet. Diese Mahlmühle ist mit den Bauernhöfen des Umlandes in Verbindung zu bringen. Ihr Entstehen ist im bäuerlichen Bedarf begründet. Das Eisenhandwerk und der Handel mit Eisenprodukten beeinflussten die Stadtentwicklung sichtbar in der Ausprägung notwendiger Verkehrswege, in der Erstellung von Werkstätten, Lagerräumen, Handelshäusern und in späterer Folge in den Kontoren und Magazinen der Eisenhandelsgesellschaft und der Innerberger Berggewerkschaft. Die Erbauung von Handwerkersiedlungen, die Anlage von Werkstattgruppen an den Triebwassergerinnen der Steyrarme und damit verbunden die Umgestaltung des Flussregimes wirkten sich auf das Stadtbild und die Stadtgestaltung aus. Diese Beeinflussung der Stadtentwicklung begann mit der Ansiedlung der ersten Eisenarbeiter am Ende des 11. Jahrhunderts im Steyrdorf. Zu dieser Zeit war südwestlich der Burguntersiedlung die Fläche des Stadtplatzes noch nicht bebaut. Die im Steyrdorf schon früh vorhandenen Strukturen mit Kirche, Spital und Friedhof5 gaben diesem Stadtteil den Vorrang unter den Siedlungskernen der Stadt. Erst mit der Abwanderung der Handelsherren aus dem Steyrdorf in das im 13. Jahrhundert entstehende Stadtzentrum trat eine entscheidende Veränderung ein. Der Grund dieser Veränderung war in der Lage des im Werden befindlichen Stadtplatzes am Verkehrsband der Enns zu suchen. Zur Zeit der Entstehung des Stadtplatzes wurden aufgrund einer Bauordnung der Stadt, die allerdings nicht erhalten ist, jeweils zwei Häuser an einem gemeinsamen Hof mit einem gemeinsamen Brunnen errichtet. Ihre seitlichen Außenmauern trennt ein schmaler Bauwich, der zur Abfuhr der Schmutzwässer diente. Da in der inneren Gleinkergasse und Siechengasse, der heutigen Sierningerstraße, diese Bauweise nicht eingehalten ist, ist erwiesen, dass diese Straßenzüge schon vor 1407 bebaut wurden, als sie noch über herrschaftliches Gebiet verliefen. Diese Art der Bauwichausbildung ist heute noch in den Katasterplänen ersichtlich. Der unmittelbare Zusammenbau der Häuser lässt auf eine massive Bauweise schließen. Ofner6 erwähnt in seiner Kunstchronik der Stadt Steyr, dass zufolge eines Befehles des Herzogs Albrecht aus dem Jahre 1340 die Bürgerhäuser als wehrhafte, feste Zuflucht für ihre Bewohner zu errichten wären. Dieser Befehl zielt auf eine massive Bauweise hin. Außersteyrdorf auf Herrschaftsgrund hatte eine Ummauerung oder einen Palisadenschutz, die um 1480 erneuert wurden. Der Eisenhandel und das Eisenverlagswesen, es bestand imWesentlichen in der Vorauszahlung des Händlers auf eine zu erwartende Lieferung des Hammermeisters, und vor allem das Stapelrecht der Steyrer Bürger brachten der Stadt großen Reichtum, der sich noch heute in den erhaltenen Bürgerhäusern zeigt. Eine Periode des Wohlstandes und der wirtschaftlichen Prosperität an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert hat die Stadt und besonders das Steyrdorf durch den Aufschwung des Eisenhandwerkes anwachsen lassen. Über die bauliche Entwicklung können exakte Aussagen aber erst ab dem Jahre 1543 mit der Einführung der Stadtsteuerbücher getroffen werden. Der Zuwachs an Handwerkerhäusern vollzog sich im späten 14. und im 15. Jahrhundert vor allem westlich des inneren Steyrdorfes und im geringen Ausmaß auch östlich davon im Örtl außerhalb der Stadtmauer. Diese Mauer war mit vier Toren ausgestattet, wovon zwei Toranlagen vor allem dem Eisenwesen dienten: das Steyrtor, das den Zugang zum Ortskai, also der Floßlände und Ladestelle bildete, an der das Eisen für die in Steyrdorf ansässigen Händler entladen wurde, und das Tor in der Badgasse, am Inneren Schaurstein, das den Zugang zu den Werkgaden am inneren Wehrgraben bildete. Das Eisen für die Händler im Stadtzentrum wurde oberhalb der Steyrmündung entladen.
—18— In zwei Wachstumsschüben legten sich die mittelalterlichen Erweiterungsgebiete sektoral westlich vor den alten Kern des Innersteyrdorfs. Der erste Zuwachs des Baugebietes, das äußere Steyrdorf, schloss an die Stadtbefestigung, die vom Hungerturm zum Gschaiderberg das innere Steyrdorf nach Westen abschloss, an. Der Steilabbruch zum inneren Wehrgraben im Süden, die Linie Frauenstiege — Frauengasse —Wieserfeld imWesten und schließlich der Taborhang imNorden begrenzten den neuen Stadtteil.
—19— Das äußere Steyrdorf war bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts durch die Ansiedlung von Handwerkern der Eisengewerbe entstanden. Diese Ansiedlung spiegelt die wirtschaftliche Entwicklung der Zeit wider. Die von Stein nach Osten ausholende alte Straßenverbindung war sehnenartig verkürzt über die Gleinkergasse zum Tor der alten Befestigung am oberen Gschaiderberg geführt worden. Die Gleinkergasse bildete nun die Ausfallstraße nach Norden. Allerdings musste das sehr steile Straßenstück des Schnallenberges in Kauf genommen werden, an dem einst ein Kreuzweg bestand, der am Anfang der Kirchengasse im ersten, hangseitigen Haus seine erste Station hatte. Einige Kapellen am Schnallenberg bestehen heute noch. Die Anlage dieser neuen Vorstadt für die Messerer und die anderen Eisengewerbe zeigt eine planende Absicht. Parallel zur Siechengasse wird die Bruchbodengasse angelegt. Führt die Siechengasse auf jener Schotterterrasse, die mit einer steilen Konglomeratwand zur Steyrniederung und zum Wehrgraben abfällt, so ist die Bruchbodengasse auf der nächst höheren Terrasse so situiert, dass die talseitigen Häuser schon im Hangbereich liegen, wie dies auch in der Siechengasse der Fall ist, sodass über der Konglomeratwand zwischen Hangabbruch und Straßengrund noch eine Fläche zur Verfügung steht. Diese Straßenführung erlaubt es, den in dieser Zeit üblichen Haustyp der Eisenhandwerker auf der talseitigen Straßenseite zu errichten, wobei die Werkstätten im Sockelgeschoß untergebracht wurden. Die Vorstadt Außersteyrdorf wurde 1477 bis 1480 ummauert.7 Auslösendes Moment für diese Ummauerung war neben dem kaiserlichen Befehl hierzu das Sicherheitsbedürfnis der dort ansässigen Handwerker, die anlässlich der Erstürmung des Innersteyrdorfs durch Jörg von Stein 1467 während einer Fehde mit dem Landesherrn nach sieben vorhergehenden vergeblichen Angriffen schwer gelitten hatten. Die neue Mauer umschloss das Gebiet des äußeren Steyrdorfs und verlief vom Hungerturm zum Gleinkertor, weiter zum Bruchbodentor und zum Frauentor an der Siechengasse. Von hier überwand sie den Steilabfall zum Wehrgraben, wo sich an der Doktormühle bei der Dritten Zeugstätte das Tor am Äußeren Schaurstein befand. Die neue Befestigung lief dann als Palisadenwand linksufrig amWehrgraben zum Tor am Inneren Schaurstein. Die unter dem Konglomerathang entstehende Bebauung mit Handwerkerhäusern wurde damit in die Befestigung einbezogen. Die zweite durch die Ansiedlung weiterer Eisenhandwerker notwendige Erweiterung der Stadt ging planmäßig vor sich. In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde an der Siechengasse, an der nach Westen verlängerten Bruchbodengasse und amWieserfeld die Bebauung weiter nachWesten geführt. Das östliche Wieserfeld, die Frauengasse, die Frauenstiege und die Zachhubergasse schließen den neuen Stadtteil in Nord-Südrichtung auf. Hier baut sich das Gelände wie im äußeren Steyrdorf von der Steyrniederung über eine Konglomeratsteilstufe zur Terrasse, auf der die Siechengasse verläuft, auf. Auf der nächsten Stufe liegt die Bruchbodengasse und wenig höher das Wieserfeld, über dem sich dann die Hochterrasse mit Stadlhof und Gottesacker ausbreitet. Die steilen Straßenverbindungen der Gleinkergasse und des Mehlgrabens führen nach Norden auf diese Hochterrasse. Straßenverbindungen vom Innersteyrdorf zu Steyrniederung bestehen nur über die Badgasse und den Gschaiderberg. Gehverbindungen zum Wehrgraben entstanden über die Frauenstiege und über die Grabnerstiege beim Bruderhaus. Sowohl der Name Wieserfeld als auch Bruchboden deuten auf feuchte Flächen hin. Vor dem Bruchbodentor, das 1620 vermauert und 1842/43 abgebrochen wurde, bestand bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Feuerlacke. Die südwestlich zwischen Siechengasse, Mittergasse (Verlängerte Bruchbodengasse) und Zachhubergasse gelegene Dreiecksfläche zeigt eine großflächige Parzellenstruktur und scheint nicht von Handwerkern besiedelt gewesen zu sein. In den etwa hundert neu entstandenen Häusern im Wieserfeldbereich hatten an die achtzig Eisenhandwerker ihre Unterkunft und ihre Werkstätte. Siebzig von ihnen waren Messerer. Mitte des 16. Jahrhunderts scheint nicht allein die günstige Wirtschaftslage der Grund für den raschen Ausbau des Wieserfeldbereiches und der Siechengasse gewesen zu sein (1543 bis 1565). Sicher
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