Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 92 - konnte durch die Gründung von Fabriken ihr Produktionsvolumen deutlich ausweiten. Alle Ge- werbe, denen die Umstellung auf fabrikmäßige Erzeugung nicht gelang, sind schließlich der Konkurrenz der Fabriken erlegen. 521 1886 gab es in Steyr nur mehr siebzehn Messerer, sieben Zweckschmiede, sechs Feilhauer/ -schmiede, fünf Ahlschmiede, fünf Schermesserer, vier Schleifer, drei Polierer, drei Maschin- nägel-Erzeuger und einen Klingenschmied. An Nadlern, Schalenschrotern, Scherschmieden, Zugschmieden und Zirkelschmieden gab es bereits keinen einzigen mehr. 1901 gab schließlich auch der letzte Klingenschmied auf. 522 Der große Börsenkrach hatte die große Depression bis 1896 eingeleitet. Zur Rettung des Eisenwesens schlossen sich 1881 neun große Eisenwerke zur Österreichisch-Alpinen Montan- gesellschaft (ÖAMG) zusammen, die rund 58 Prozent des Erzberges besaß und sich auf die Produktion billigen Roheisens beschränkte. 523 Darunter befand sich auch die Innerberger Hauptgewerkschaft, die bereits 1868 privatisiert worden war, nachdem der Staat sie in der Fi- nanznot nach der Niederlage von Königgrätz an die Innerberger Aktiengesellschaft verkauft hatte. 524 Von der ÖAMG erhoffte man sich einen Ausweg aus der Produktions- und Absatz- krise. Tatsächlich läutete das moderne Großunternehmen eine Epoche des Aufschwunges ein, die bis zum Ersten Weltkrieg anhielt. Etwa zeitgleich erfolgte die Erhöhung der Zölle auf Eisen- und Stahlwaren um 20 bis 60 Prozent, „womit der Übergang vom Prinzip des Freihandels zum Schutzzollprinzip erfolgte.“ 525 3.1.2 Die Gründung des Handelshauses Als sich Johann Josef Koller zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Steyr niederließ, war die Krise des Eisenwesens im turbulenten 17. Jahrhundert bereits überwunden. Der Eisenexport begann aufzublühen und nach den beendeten Türkenkriegen stieg auch der Inlandsabsatz. 526 Es war für den jungen Koller also ein günstiger Zeitpunkt, um eine Existenz als Kaufmann aufzubauen. Steyr überzeugte mit seinen Standortfaktoren, nämlich die privilegierte Stellung der Stadt im gesamten Innerberger Eisenwesen, die räumliche Nähe zu den Eisenhandwerksbetrieben und die gute Verkehrsanbindung durch die Lage an der Enns, die nach ungefähr 30 Kilometern bei Mauthausen in die Donau mündet. Als weiteres Niederlassungsmotiv könnte auch das Vermei- den innerfamiliärer Konkurrenz eine Rolle gespielt haben, wie es Margrit Schulte Beerbühl 521 K ROPF , Krise, 122. 522 Elisabeth A LTZINGER , Die Entwicklung des Steyrer Eisenwesens von 1850–1914. Fallstudie zur regionalen Industrialisierung, Diplomarbeit, Wien 1984, 32. 523 R OTH , Eisenwarenproduktion, 314. 524 P ANTZ , Beiträge, 260; P ICKL , Steiermark, 25. 525 P ICKL , Eisenhandel, 361. 526 H ACK , Steyr, 20 f. ÖAMG Niederlassungs- motive

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2