Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 91 - Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts also besonders dramatisch. Erst 1824 konnte die Produktion das Niveau des Jahres 1802 wieder erreichen.“ 514 Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Steyr die maschinelle Produktion durch Josef Werndl (1831–1889) eingeführt, der nach seinen Wanderjahren in Prag, Wien, Thüringen, Ilion (New York) und Hartford (Connecticut) Ideen und Erfahrungen gesammelt hatte und bei seiner Rückkehr aus Amerika, Pläne von Maschinen zurück nach Steyr brachte. 515 1852 beschäftigte Werndl in seiner Fabrik zur Herstellung von Waffenteilen bereits 1.500 Arbeiter. 516 In den Fab- riken fanden die Arbeiter bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne als im klassischen Handwerk. 517 Obwohl 1841 nach wie vor 1,14 Millionen Sensen und 175.000 Sicheln in Oberösterreich produziert wurden, war die Hälfte der Beschäftigten infolge der Krisenjahre des Vormärzes arbeitslos gewesen. 518 Jene Gewerbe, die für den Export produzierten, waren stärker betroffen als jene, die für den Inlands- oder lokalen Markt produzierten. 519 Fabrikanten wie Josef Werndl haben das Zurückdrängen der Kleineisenindustrie Steyrs jedoch nicht verursacht, aber beschleunigt. Der allgemeine industrielle Umbruch führte zu einem Kosten-, Preis- und Qualitätsdruck, dem nur die serielle, normierte Massenproduktion entgegentreten konnte. 520 Eine vorübergehende Hochkonjunktur von 1867 bis 1873 führte zur Erholung der Eisenin- dustrie, wobei die Strukturschwäche zwar verdeckt, aber weiterhin bestehen blieb. Die erneute Wirtschaftskrise und der Krach der Wiener Börse von 1873 bedeuteten schließlich den Todes- stoß für das Kleineisengewerbe. „Ein Preissturz und eine schlagartige Verringerung des Kon- sums, gepaart mit billigen Importen, blockierten die ohnehin geringen Absatzmöglichkeiten der einheimischen Erzeuger.“ Es kam zu zahlreichen Betriebsauflassungen. Die Krise erreichte 1884 ihren Höhepunkt und ging in eine Zeit des Verfalls über, die bis zum Ersten Weltkrieg dauerte. Betriebe wurden nach dem Tod des Meisters stillgelegt – die Nachkommen erlernten andere Handwerke oder gingen einer Arbeit in einer Fabrik nach, wodurch „eine Reihe von kleineren eisenverarbeitenden Gewerben gänzlich verschwand.“ Einzig die Sensenindustrie 514 S ANDGRUBER , Eisenwurzen, 24 f. 515 1864 gründete Josef Werndl die Firma Josef und Franz Werndl & Comp. eine Waffenfabrik und Sägemühle, die durch die Erfindung des Hinterladergewehrs große Aufträge für die österreichische Armee an Land zog und in die ganze Welt exportierte; siehe Eva B AK , Stadtgeographie von Steyr, Dissertation, Wien 1958, 105–107. 516 Ebd. 517 K ROPF , Blüte, 64. 518 Paul Werner R OTH , Die Eisenwarenproduktion im Zeitalter der Industrialisierung, in: Paul Werner Roth, Hg., Erz und Eisen in der Grünen Mark: Beiträge zum steirischen Eisenwesen, Beitragsband zur Steirischen Landes- ausstellung 1984 „Erz und Eisen in der Grünen Mark“, Eisenerz, 12. Mai bis 14. Oktober 1984, Graz 1984, 309– 322, hier 311. 519 K ROPF , Krise, 121. 520 H ÖSL , Schlote, 3. Josef Werndl Börsenkrach

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