Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 90 - Anton Rolleder schilderte in seiner Heimatkunde die Belastung der Steyrer Bevölkerung und die Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben durch die Besatzung der Franzosen. Der Auf- enthalt der feindlichen Truppen in Steyr bedeutete, dass die Bevölkerung ihre Häuser für die Einquartierung zur Verfügung zu stellen hatte und sich um die Versorgung mit Nahrungsmitteln kümmern musste. War dies den ärmeren Bürgern nicht möglich, musste die Stadt einspringen und Vorschüsse an die Bäcker, Fleischhacker und Wirte ausbezahlen. Die Besatzer bedienten sich bei Kaufleuten an Tuchen und Leder und ließen die heimischen Handwerker rund um die Uhr für sich arbeiten, wofür ebenfalls die Stadt aufzukommen hatte. Die Verpflegung der Kom- mandierenden alleine schlug täglich mit 500 Gulden zu Buche, während die Requisitionen ins- gesamt einen höheren fünfstelligen Guldenbetrag ausmachten. 508 Die Franzosen zogen am 19. März 1801 ab, jedoch fielen sie am 3. November 1805 erneut in Steyr ein. Die Vorhut der Franzosen forderte bei ihrem Einzug in die Stadt 10.000 Louis d’or 509 an Brandschatzung. Spä- ter forderten sie außerdem 10.000 Paar Schuhe, 100 Ochsen und 300 Eimer (17.400 Liter) Wein, jedoch konnte die Stadt nicht so viel aufbringen. Am 1. März 1806 zogen die Franzosen, zu denen inzwischen auch Bayern und Holländer gestoßen waren, wieder ab. 510 Aufgrund der Verschuldung durch die Napoleonischen Kriege kam es 1811 zum österreichi- schen Staatsbankrott. 511 Das „einstige österreichische Eisenmonopol [war] gebrochen“ und England, Frankreich, Belgien und die Niederlande übernahmen die führende Stellung im euro- päischen Eisenwesen. Als Gründe waren genannt: die Beibehaltung der altväterlichen Technik, während sich die Konkurrenz der Maschinen oder der Dampfkraft bediente, die Abhängigkeit der Produktion von der Natur durch die Verwendung der Wasserkraft, Geld- und Kreditmangel, „das Fehlen einer leistungsfähigen Kaufmannschaft“, die ungünstige Zollpolitik des Staates, zu geringe und deshalb zu teure Produktion, das Heizen mit Holzkohle anstatt mit Steinkohle, Holzmangel, schlechte Verkehrsmittel und daher hohe Frachtkosten, Landflucht sowie Ge- winnsucht und Bequemlichkeit der Betriebe. 512 Die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre zwischen 1806 und 1813 hatte eine Zeit lang zumindest die Überflutung der Festlandsmärkte mit billigem englischen Eisen verhindert. Nach ihrer Beseitigung und mit der Besserung des Papiergeldes verloren die innerösterreichischen Produkte aber endgültig „den Reiz der Billig- keit“ für ausländische Interessenten. 513 Für die österreichische Eisenindustrie war das zweite 508 Ebd. 509 Französische Goldmünze; 1640 von König Ludwig XIII. eingeführt. 510 R OLLEDER , Heimatkunde, 160–162. 511 Rudolf K ROPF , Die Krise der Kleineisenindustrie in der oberösterreichischen Eisenwurzen im 19. Jahrhundert, in: N. N., Hg., Heimat Eisenwurzen: Beiträge zum Eisenstraßensymposion Weyer 1994, Steyr 1997, 114–154, hier 117. 512 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 458. 513 K ASER , Eisenhandel, 6. „Franzosenzeit“ Staatsbankrott
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