Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 89 - kam immer mehr zum Durchbruch, wodurch keine Rücksicht mehr auf die Belieferung der inländischen Manufakturisten mit Eisen und Stahl genommen wurde, denn vom Stahlexport erhofften sich die Aktionäre Gewinne zwischen 18 und 30 Prozent. 501 Diese völlige Liberalisierung war Ergebnis der Josephinischen Reformen, durch welche die jahrhundertelange Privilegierung Steyrs im Eisenhandel zu seinem Ende kam. 502 Mit der Auf- hebung der Preissatzungen 1781, der Einstellung der staatlichen Verwaltung der Innerberger Hauptgewerkschaft und der Auflösung der Wiener Eisenhandlungs-Kommunität, wurde die Vereinheitlichung des Eisenhandels in der gesamten Monarchie angestrebt. Erst 1792 wurde das bisher freie Gewerbe des Eisenhandels wieder eingeschränkt, indem ab diesem Zeitpunkt Eisenhandelsleute zumindest eine einschlägige Lehre nachzuweisen hatten. 503 Die Folgen der Liberalisierung waren Überproduktion und Preisverfall. 504 Es wurden zahl- reiche neue Betriebe gegründet und zugleich dehnten die bestehenden Betriebe ihre Produktion aus, um die Gestehungskosten zu senken. Dies führte zu einem überspannten, ungeregelten System mit wilden Spekulationen, einem verschärften Wettbewerb, einem überfüllten Markt und gedrückten Preisen, die aber immer noch höher waren als jene auf dem Weltmarkt. 505 „Trotz dieser verschiedenen Klagen kann man annehmen, daß der Absatz der österreichi- schen Eisenwaren am Ende des 18. Jahrhunderts einen gewissen Höhepunkt erreicht hatte, obwohl damals schon ein Teil des italienischen Marktes an die schwedische Kon- kurrenz verlorenging. Dafür aber war in der Levante, Österreichs wichtigstem Absatzge- biet, in der Theresianischen Zeit kein erbländisches Industrieprodukt mehr begehrt und die Kurze Nachricht konnte daher feststellen, daß (um 1760) oberösterreichische Feilen und Messer in großen Mengen nach Italien, Spanien und in die Türkei gingen.“ 506 Die ersten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts begannen unglücklich und verhängnisvoll. Die Franzosen unter Napoleon Bonaparte hatten im Juni 1800 die österreichische Armee bei Marengo (Italien) geschlagen und rückten Richtung Österreich vor. Am 22. Dezember erreich- ten die Truppen Steyr und hielten diese mit 36.000 Mann besetzt. Am Weihnachtstag wurde ein Waffenstillstand im Haus des Steyrer Apothekers Göppl (heutige Löwen-Apotheke, Enge Gasse Nr. 1) unterzeichnet – am 9. Februar 1801 folgte der Friede von Lunéville. 507 501 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 449 f. 502 Karl-Heinz R AUSCHER / Franz K NOGLER , LKW aus Steyr, 3. Auflage, Gnas 2014, 19. 503 J ÄGER -S UNSTENAU , Eisenhandel, 20. 504 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 449 f. 505 K ASER , Eisenhandel, 11 f. 506 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 457. 507 R OLLEDER , Heimatkunde, 160–162. Ende der Privi- legierung Steyrs Konkurrenz 19. Jahrhundert
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