Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 9 - 1.1 Theoretische Verortung und Methode Die Arbeit folgt einem betriebswirtschaftlich-inspirierten Ansatz der Unternehmensgeschichte mit einem Fokus auf die Mitglieder der Unternehmerfamilie als die zentralen Akteure/-innen und berücksichtigt zugleich externe, wirtschaftliche und institutionelle Einflüsse ebenso wie die Einbettung in das Unternehmensumfeld. Die Langzeitstudie, die im Kern vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gespannt ist, orientiert sich dabei an klassischen Unternehmensbereichen, wie der Organisation, dem Personal, der Beschaffung, dem Vertrieb sowie dem Finanz- und Rechnungswesen. Theoretisch wird man die Studie im unternehmens- bzw. kaufleute- und handelsgeschichtlichen Zweig der Wirtschafts- und Sozi- algeschichte verorten können. Sie bedient sich einer mikroökonomischen Zugangsweise, wobei die fallbeispielhafte Unternehmensgeschichte einen Einblick in den Handelsalltag und die Gruppe der Steyrer Kaufleute ermöglicht. Schließlich kann Handelsgeschichte nicht ohne Kauf- mannsgeschichte und – vice versa – Kaufmannsgeschichte nicht ohne Handelsgeschichte ge- schrieben werden: „Eine empirisch unterfütterte Geschichte der Handelsbeziehungen läßt sich nicht von den Formen des Wirtschaftens bzw. dem Wirtschaftssystem insgesamt trennen. Umgekehrt läßt sich eine Geschichte des Handels nicht ohne intentional Handelnde denken […].“ 4 Ausgehend von der Annahme, dass jeder unternehmerischen Entscheidung bewusste oder unbewusste strategische Überlegungen zugrunde liegen, die von äußeren (z. B. der politischen Lage oder der Konjunktur) oder inneren Faktoren (z. B. der formalen Ausbildung oder der per- sönlichen Erfahrung) beeinflusst werden, sollten sich diese Strategien aus der Handelspraxis der Kaufleutefamilie Koller ableiten lassen. Wenn wir die dahinterliegenden Kommunikations- und Entscheidungsprozesse aufgrund von fehlenden Quellen aber nicht kennen, ist es schwie- rig, strategisches Handeln wirklich als solches zu identifizieren und die Absichten der Akteure/- innen festzumachen – z. B. ob es Kalkül oder die Anpassung an unveränderliche Gegebenheiten waren, die zu einer bestimmten Entscheidung führten. Bei der Suche nach den Strategien ist also große Vorsicht geboten, denn es droht schnell die Gefahr, voreilig falsche Schlüsse zu ziehen. Werner Plumpe ist der Überzeugung, dass diese Entscheidungen im Übrigen nicht auf „Rationalität“ fundierten, sondern Ergebnisse von komplexen Kommunikationsprozessen sind, „die nicht auf ‚objektive Lagewahrnehmungen‘ zurückgehen, die dann mit rationalen Strategien 4 Jochen H OOCK , Zum Stand der europäischen Kaufmannsgeschichte, in: Jochen Hoock / Wilfried Reininghaus, Hg., Kaufleute in Europa: Handelshäuser und ihre Überlieferung in vor- und frühindustrieller Zeit, Beiträge der Tagung im Westfälischen Wirtschaftsarchiv, 9. bis 11. Mai 1996 (Untersuchungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte 16), Dortmund 1997, 11–23, hier 11. Unternehmens- geschichte Strategie und Handelspraxis

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