Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 77 - nötig, um das Anlagevermögen für die Warenproduktion aufzubringen. 424 Außerdem war der Fortbestand eines Unternehmens immer auch von der geeigneten und willigen Nachfolge sowie von entsprechendem Know-how der Unternehmer abhängig. Dieses Know-how und andere In- formationen verursachten zwar hohe Transaktionskosten (z. B. aus der Bindung der Arbeits- kräfte an das Unternehmen durch Verträge oder die Kontrolle der Arbeitsleistung), sie waren aber dank steigender Skalenerträge der Massenproduktion niedriger als die Produktionskosten. Damit erklärte Stefan Gorißen in seiner Studie über die Harkorts mithilfe der Kostentheorie, warum sich der Übergang vom Handelshaus zur Protofabrik lohnen konnte. 425 Der Übergang zur Fabrik war aber nicht der einzige Weg, den Handelshäuser einschlagen konnten, die sich mit den Umbrüchen der Industrialisierung konfrontiert sahen. Aufgrund der auftretenden Konkurrenz der Fabriken im 19. Jahrhundert wandelte sich die Remscheider Firma Hasenclever von einem Handelshaus, das auf bestimmte Warengruppen spezialisiert war, zu einem System mit geografischer Spezialisierung. Es wurden Niederlassungen in Übersee (Rio de Janeiro, Buenos Aires) eingerichtet, wo man sich vor dem Fabrikantenhandel noch weitge- hend geschützt sah. 426 Die 1844 gegründete Grünburger Eisengeschmeidwarenhandlung Carl Hönig war wie die Koller auf den Export der in Steyr- und im Ennstal erzeugten Eisenwaren spezialisiert, zunächst mit einem Schwerpunkt in Ungarn, dann kamen Siebenbürgen und Böh- men als Absatzmärke hinzu. Der Firmeninhaber Carl Hönig hatte bereits 1866 über den Eisen- warenhandel, der schon seit Jahren ganz darnieder gelegen habe, geklagt. 427 Sein Nachfolger spezialisierte 1896 das Geschäft auf den Handel mit qualitativ hochwertigen Messerwaren, z. B. Bestecke, Tranchiergabeln, Gemüsemesser, Kinderbestecke, Taschenfeitel usw. Die Produkte wurden sowohl im Verlagssystem hergestellt als auch von Messerlieferanten aus der Region zugekauft. Das Fortbestehen des Handelshauses durch die Krisenzeiten 428 hindurch war ver- mutlich stark von der Spezialisierung auf Qualitätsware sowie der Ausbildung der Geschäfts- inhaber im Messerhandwerk beeinflusst, denn durch ihr Verständnis vom Handwerk konnten sie ihre Kunden/-innen vom Kauf der teureren Produkte überzeugen. In der Nachkriegszeit nahm die Firma den Direktvertrieb mit Spezialisierung auf den österreichischen Absatzmarkt auf. 429 Das Sortiment setzte sich noch immer aus im Verlag produzierten Messerwaren sowie 424 G ORIßEN , Handelshaus, 32 f. 425 G ORIßEN , Handelshaus, 37 f. 426 Jacob VAN K LAVEREN , Die industrielle Revolution und das Eindringen des Fabrikanten in den Handel (Vor- tragsreihe der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e. V. 17), Dortmund 1972, 17 f. 427 Der Exporthandel mit steyrischen Eisenwaren sei schon vor Jahren verschwunden und vom Importhandel mit Eisenwaren aus England, Belgien und Preußen abgelöst worden. 428 Die Krisenzeiten waren z. B. geprägt vom Aufkommen großer Fabriken als Konkurrenz für die kleingewerbli- che Produktion, außerdem von den beiden Weltkriegen sowie der Weltwirtschaftskrise. 429 Der Firmeninhaber reiste persönlich als Vertreter mit zwei Musterkoffern zu den potentiellen Kunden/-innen in ganz Österreich. Alternative Entwicklungen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2