Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 8 - 1 Einleitung Vorliegende Arbeit ist das Ergebnis der Aufarbeitung des Geschäftsarchivs der Eisenhandels- leute Koller aus Steyr, womit deren fast 200-jährige Unternehmens- und Familiengeschichte rekonstruiert werden konnte. Mit diesem mikrohistorischen Fallbeispiel werden einerseits Ein- blicke in die Lebenswelt der Steyrer Kaufleute in vorindustrieller Zeit ermöglicht und anderer- seits die Praktiken des Eisen- und Eisenwarenhandels dargelegt. In diesem Kontext interessier- ten neben der allgemeinen Familiengeschichte und Unternehmensentwicklung unter anderem die Reichweite des Handels, die Zusammenstellung des Sortiments, die Qualifikationen der Koller-Kaufleute, die personelle Ausstattung des Privat- und des Handelshauses, die Kommu- nikation mit in- und ausländischen Geschäftspartner/-innen und die Lebenshaltung der Familie, über die – in Ermangelung an eindeutigen Quellen wie Bilanzen – auf den langfristigen Erfolg zu schließen war. Die Forschungsarbeit fußt auf einer umfangreichen und zeitlich umfassenden Quellensamm- lung von beinahe 5.400 Dokumenten, die als sogenanntes Koller-Archiv im Stadtarchiv Steyr aufbewahrt werden. Die Überlieferung eines Unternehmensarchivs in diesem Ausmaß, vor al- lem von Akteuren/-innen, die sowohl von der wissenschaftlichen als auch von der heimatkund- lichen Forschung größtenteils vernachlässigt wurden, stellt eine Besonderheit dar. Informatio- nen über die Koller schlagen sich nämlich nur vereinzelt in anderen Kontexten nieder, z. B. wenn es um die wiederholte französische Invasion zu Beginn des 19. Jahrhunderts geht, in der Josef von Koller (1780–1864) eine nicht unbedeutende Rolle spielte, 1 oder in der Literatur über den Komponisten Franz Schubert, der bei wenigstens einem seiner Besuche in Steyr im Haus der Koller zu Gast war und dort mit der Tochter Josefine (1801–1874) musizierte. 2 Die Aufarbeitung des Koller-Archivs ermöglichte zum einen Lücken in der Steyrer Stadtge- schichtsschreibung zu schließen, die vor allem im 18. Jahrhundert und im Bereich des Handels eklatant sind. Als Fallstudie über eine oberösterreichische Handelsfamilie trägt sie zum anderen dazu bei, das noch schmale Spektrum an österreichischen Unternehmensgeschichten – insbe- sondere an mikrohistorischen Untersuchungen zu Handelshäusern aus der ausgehenden vorin- dustriellen Zeit 3 – zu erweitern. 1 Manfred B RANDL , Neue Geschichte von Steyr. Vom Biedermeier bis heute, Steyr 1980, 120. 2 H. Peter C LIVE , Schubert and His World. A Biographical Dictionary, Oxford 1997, 99. 3 Wie z. B. Markus A. D ENZEL , Die Geschäftsbeziehungen des Schaffhauser Handels- und Bankhauses Amman 1748–1779. Ein mikroökonomisches Fallbeispiel, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 89/1 (2002), 1–40, hier 2.
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