Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 76 - Ebenfurther Dampfmühle war, die sich wiederum im Besitz der Schoeller & Co. Aktiengesell- schaft befand. 419 Die Auflösungstendenzen, die sich erstmals mit dem Tod Josef von Kollers im Jahr 1864 in den Quellen niederschlagen, deuten nicht nur auf einen Zusammenhang mit der Nachfolge- frage, sondern auch mit der Industrialisierung hin. Es liegt nahe, dass ein Eisenhandelsunter- nehmen die Zeit des allgemeinen ökonomischen Umbruchs nicht überstehen konnte, sofern es sich nicht an die neuen Gegebenheiten anpasste und sich z. B. intensiver in der Produktion engagierte. Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kümmerten sich zusehends die Fabrikan- ten selbst um den Absatz ihrer Produkte oder legten diese Aufgabe ohne Umwege in die Hände von Kommissionären. Die einheimischen Kaufleute konnten damit nicht mithalten und wurden von Alfred Hoffmann als nicht mehr leistungsfähig genug beschrieben. 420 Mit der Industriali- sierung lohnte es sich, Warenproduktion und -vertrieb in einem Unternehmen zusammenzufas- sen, sodass es für Handelshäuser kostentheoretisch sinnvoll sein konnte, einen Wechsel zur Fabrik zu vollziehen. 421 Diesen Wechsel vollzog z. B. die Nordrhein-Westfälische Firma Jo- hann Caspar Harkort, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts ebenfalls ein Exporthandelshaus für Eisen- und Metallwaren seiner unmittelbaren Region (Grafschaft Mark) war. Im Unterschied zum Koller-Handelshaus wandelte sich die Firma Harkort in den 1830er Jahren zum Fabrikun- ternehmen für allerlei Waren aus Eisen und konnte somit bis ins frühe 20. Jahrhundert weiter- bestehen. Es war diese Verlagerung zur Produktion, zu einem Zeitpunkt, als sich die ökonomi- sche Struktur Deutschlands modernisierte, der den Fortbestand des Unternehmens sicherte. 422 Die Koller wagten diesen Schritt zur Fabrik nicht, ebenso wenig wie die Nürnberger Kaufleu- tefamilie Merkel, die in veralteten Vorstellungen verhaftet blieb, den Industriekapitalismus ab- lehnte und am Kolonialwarenhandel „alten Stils“ festhielt. 1874 erklärte ihre Handlung, die inzwischen zum reinen Bankgeschäft übergegangen war, den Bankrott. Rebekka Habermas stellte ganz allgemein fest, dass der Kaufmannsberuf in seiner traditionellen Form die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht überlebte. 423 Nun gibt es leider keinerlei Quellen darüber, ob die Steyrer Koller überhaupt anstrebten, nicht nur Handel, sondern auch Produktion – über den Verlag hinausgehend – zu betreiben. Für die Ausweitung zu einer zentralisierten Form der Produktion war immerhin erhebliches Kapital 419 Erwin S TEIN , Hg., Die Städte Deutschösterreichs. Eine Sammlung von Darstellungen der deutschösterreichi- schen Städte und ihrer Arbeit in Wirtschaft, Finanzwesen, Hygiene, Sozialpolitik und Technik. 2. Bd.: Steyr und Bad Hall, Berlin 1928, [Anhang]. 420 H OFFMANN , Wirtschaftsgeschichte, 458. 421 G ORIßEN , Handelshaus, 32 f. 422 Ebd., 13. 423 H ABERMAS , Frauen, 93 u. 95 f. Industrialisierung als Grund für den Niedergang?

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