Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 70 - im Mai 1809 war es, die Gefangenen, Deserteure und Verwundeten in der Stadtkaserne zu sam- meln. 379 Auch dieses Mal beherbergte er mehrere hochrangige Militärs, wie etwa die wechseln- den Stadtkommandanten, in seinem Haus. 380 In Kollers Nachruf ist außerdem zu lesen, dass er „behufs der Bestreitung der feindlichen Requisitionen“ 381 der Stadt ein Darlehen über 200.000 Gulden und den Manufakturisten außerdem Geldvorschüsse in Höhe von 429.000 Gul- den gewährt habe, damit die Eisenindustrie nicht in gänzliche Stockung gerieth . Weiters heißt es dort: Er hat mit eigener Gefahr nicht unbeträchtliches Staatsvermögen vor feindlicher Be- schlagnahme gerettet, durch seine Sprachkenntniß und eigene Verwendung bei den feind- lichen Kommandanten manche Benachtheiligung seiner Mitbürger abgewendet. 382 Für seine Verdienste und die Aufrechterhaltung der Steyrer Wirtschaft während der franzö- sischen Invasion wurde der Eisen- und Stahlwarenhändler nobilitiert und trug fortan den Zusatz „Edler von“. 383 Kollers wirtschaftliches Geschick musste auch über Steyr hinaus bekannt gewesen sein, denn als der Ingenieur und Eisenbahnpionier Franz Anton Gerstner 1829 seine Abhandlung über die Vorteile einer Eisenbahn zwischen der Moldau und der Donau veröffentlichte, hatte er ausgerechnet Josef von Koller als Auskunftsperson über die Eisenpreise der Innerberger Haupt- gewerkschaft herangezogen, während er sich über die Mauthausener Eisenpreise beim dortigen Kaufmann Eysn informiert hatte. 384 1832 wurde in Oberösterreich – wie auch in allen übrigen Provinzen Österreichs – eine sogenannte „Provinzial-Kommerz-Kommission“ eingerichtet, die in wichtigen kommerziellen und landwirtschaftlichen Angelegenheiten die Landesstellen der Hofkammer beraten sollte. Die Aufgabe dieser Kommission war die Ausarbeitung von Sach- verständigen-Gutachten, wozu Vertreter der Handelsleute, der Fabrikanten bzw. Manufakturis- ten, der praktischen Landwirtschaft und den technisch-ökonomischen Wissenschaften in die 379 B URGER , Franzosen, 110. 380 Ebd., 118 f. 381 Die Requisition wurde in den Kriegen der französischen Revolution eingeführt und von Napoleon systematisch angewendet. Damit war „das Herbeischaffen von Lebensmitteln und militärischen Bedürfnissen von den Bewoh- nern in Feindesland“ unter Anordnung der höheren Truppenbefehlshaber bei den örtlichen Behörden gemeint. Sämtliche Güter wurden gegen amtliche Empfangsbescheinigungen ausgegeben. Geschah dies nicht und bedienten sich die fremden Truppen eigenmächtig, handelte es sich um Plünderung; siehe Meyers, Bd. 6, Sp. 817. 382 Alpenbote 9/39 (1864), 265. 383 Johann Christian von H ELLBACH , Adels-Lexikon. 1. Bd.: A bis K, Ilmenau 1825, 684; B RANDL , Ge- schichte, 120. 384 Franz Anton Ritter von G ERSTNER , Über die Vortheile der Anlage einer Eisenbahn zwischen der Moldau und Donau, Wien 1829, 16. Die Eisenpreise dienten Gerstner zur Untermauerung seiner Feststellung, dass die Preise in den Eisenwerken der Steiermark und an der Enns sanken und die Eisenbahn das geeignete Transportmittel sei, um das vorzügliche und günstige Eisen nach Böhmen und in die Elbegegend zu befördern.

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