Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 69 - Josef von Koller konnte bei der Übernahme der elterlichen Handlung bereits auf eine fast 100-jährige Erfolgsgeschichte im Eisenverlag und -großhandel aufbauen. Doch auch er bewies unternehmerischen Geist und ging Risiken ein, indem er sich z. B. finanziell an der 1802 ge- gründeten Österreichisch-Westafrikanischen Seehandelsgesellschaft beteiligte. 372 Die Ziele der seit 1803 von Triest abfahrenden Handelsgesellschaft waren es, Faktoreien anzulegen und eine eigene Kolonie zwischen Kap Verde (Senegal) und Kap Palmas (Südost-Liberia) zu errichten. Die Bestrebungen kamen jedoch zu einem jähen und lautlosen Ende, als bei der Rückkehr des Schiffes der Kampf gegen Napoleon erneut entflammte. 373 Im Jahr 1812 versuchte Koller er- neut, sich stärker als bisher im Fernhandel zu engagieren und eröffnet einen für die lokale Ei- senindustrie bedeutenden Handelszug in die Levante. 374 Die wiederholte Einquartierung hochrangiger französischer Militärangehöriger in Kollers Haus am Stadtplatz Nr. 11 in den Invasionsjahren 1800, 1805 und 1809 deutet darauf hin, dass das Haus nicht nur groß genug war, um mehrere Dutzend Personen zu beherbergen, sondern auch entsprechend ausgestattet war, um den Ansprüchen französischer Offiziere zu genügen. 375 Nachdem Steyr bereits zwei Mal von den Franzosen besetzt worden war, bemühten sich die angesehensten Bürger Steyrs – wozu auch Josef von Koller zählte – im Jahr 1807 um die Wie- dereinrichtung eines ordentlich organisierten und immer bestehenden bürgerlichen Infanterie- korps, welches sich um die Stadtverteidigung kümmern sollte. 376 Da ein Korps jedoch nur Hauptstädten zustand, kam es erst mit dem Landwehrpatent vom 9. Juni 1808 zur Formierung des Korps. 377 Das circa 800 Mann starke Bataillon, das im Herbst 1808 montiert und bewaffnet aufgestellt war und gemustert werden konnte, umfasste zwei Divisionen zu je zwei Kompanien: Josef von Koller wurde zum Major der 1. Division ernannt, die aus der Kompanie für die Stadt und jener für Ennsdorf bestand. 378 Kollers Aufgabe während der dritten Invasion der Franzosen 372 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wien (9.7.1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 106. 373 Percy Ernst S CHRAMM , Deutschland und Übersee. Der Deutsche Handel mit den anderen Kontinenten, insbe- sondere Afrika, von Karl V. bis zu Bismarck, Braunschweig 1950, 168 f. 374 Der Alpenbote. Politisches Blatt von Steyr, Hall und ihren Umgebungen 1864, 265. 375 Helmuth B URGER , Die Franzosen in Steyr, Dissertation, Wien 1949, 31, 39, 73 u. 75. 376 N. N., Chronik des k. k. priv. uniformierten bewaffneten Bürger-Corps der l. f. Stadt Steyr in Oberösterreich von 1380–1898, Steyr 1898, 12. 377 B URGER , Franzosen, 78. Es handelte sich eigentlich um eine Neuorganisation der Bürgerwehr, denn das Bür- gerkorps der Stadt Steyr sah seine Ursprünge in der Verteidigung Steyrs gegen die Raubzüge der Herren von Rohr (Schloss Leonstein) im Jahre 1380. Eine offizielle Landesverteidigungs-Ordnung wurde jedoch erst unter Ferdi- nand I. durch die oberösterreichischen Stände im Jahr 1532 erlassen. Seither wurde die Bürgerwehr einer strengen Musterung unterzogen und von jedem Haus musste ein Mann „ins Feld“ geschickt werden; siehe N. N., Chronik Bürger-Corps Steyr, 2–4. 378 Ebd., 16 f. Zu diesem Avancement gratulierte Koller ein enger Freund, der ihn mit Liebster Bruder adressierte; siehe StA Steyr, Brief aus Kirchdorf (5.9.1808), Kasten XII, L3/4 FXXX 1–155 Nr. 62. Die Franzosen in Steyr
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2