Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 64 - oder Schwiegersohn besaßen. Bis in das 19. Jahrhundert hinein gibt es viele Beispiele für Kaufmannswitwen, die das Geschäft jahrelang erfolgreich führten.“ 337 Wunder beschreibt den Status der Kauffrauen außerdem als „vergleichsweise selbstän- dig“. 338 Maria Elisabetha stand dem Unternehmen über drei Jahrzehnte lang als Prinzipalin vor, was für ihren Stand und die Handelsbranche auch in anderen Städten nicht ungewöhnlich war. In Leipzig z. B. waren Frauen sowohl im Groß- und Fern-, als auch im Einzelhandel landwirt- schaftlicher Produkte, Kramwaren und Fisch tätig. Hinzu kam noch der Verkauf von „Hand- werkskram“, den Erzeugnissen ihrer männlichen Verwandten „in der Werkstatt, an Marktstän- den oder in Buden auf dem Leipziger Wochenmarkt.“ 339 Auch Birgit Wensky entdeckte Frauen vor allem im Spätmittelalter in „erstaunlich vielen Handelsberufen und Handelssparten“, wobei es jedoch je nach Ort qualitative und quantitative Unterschiede gab. Daneben konnten sie durch eine Einlage oder den Einstieg in die Gesellschaftsverträge ihrer verstorbenen Ehemänner auch an Handelsgesellschaften teilhaben und – zumindest in Köln – diese sogar gründen. 340 Die Fort- führung eines Handelsunternehmens durch die Witwe des Inhabers musste im Witwenrecht der Zünfte – in diesem Fall in der seit dem 13. Jahrhundert nachzuweisenden Eisenhändler-Gilde von Steyr – geregelt worden sein (mehr zu Frauen im Handel und im Handwerk ab S. 188) . 341 Maria Elisabeths mittlerer Sohn Franz Wolfgang, der ihr bei der Führung des Handelsunter- nehmens lange Zeit behilflich war, machte sich im Jahr 1767 im Haus schräg gegenüber selb- ständig. Er kaufte die ehemalige Sylvester Paumgartnerische Behausung am Stadtplatz Nr. 14 inklusive der darauf radizierten Eisen-, Geschmeid- und Nagelhandlungsgerechtigkeit um 1.344 Gulden, womit er das Bürgerrecht erhielt. 342 Nur zwei Wochen später ehelichte er die Jungfrau Maria Theresia von Paumgartten (geboren 1745) 343 in der Kirche Maria am Anger 344 unweit von Enns. 345 Das Paar bekam in den kommenden 20 Jahren mindestens 16 Kinder. 1773 war Franz Wolfgang offenbar Ratsherr 346 und von 1779 bis mindestens 1786 außerdem oberster 337 Ebd., 182. 338 Ebd., 183. 339 Susanne S CHÖTZ , Weibliche Teilhabe am Leipziger Handel des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Mark Häberlein, Hg., Praktiken des Handels: Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit, Konstanz 2010, 493–510, hier 502 f u. 506–509. 340 Margret W ENSKY , Die Frau in Handel und Gewerbe vomMittelalter bis zur frühen Neuzeit, in: Hans Pohl, Hg., Die Frau in der deutschen Wirtschaft: Referate und Diskussionsbeiträge des 8. Wissenschaftlichen Symposiums der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e. V. am 8. und 9. Dezember 1983 in Essen (Zeitschrift für Unter- nehmensgeschichte: Beiheft 35), Stuttgart 1985, 30–44, hier 32 f. 341 H ACK , Eisenhandel, 56. 342 StA Steyr, Stadtratssitzung (31.1.1767), Regal 1, Stadtratsprotokolle, Bd. 170 (1767), fol. 26; K RENN , Häu- serchronik, 72. 343 Maria Barbara Anna Theresia Paumgartner, geboren am 20. Mai 1745 als Tochter von Sigmund und Maria Theresia; siehe Pfarre Enns-St. Laurenz, Taufbuch 05 (1727–1758), 101/05, fol. 273. 344 Josef S CHICKER , Die Kirche Maria auf dem Anger außerhalb Enns, http://www.zobodat.at/pdf/JOM_87_0447- 0471.pdf (18.11.2019). 345 Pfarre Steyr, Trauungsbuch 03 (1766–1784), 201/03, fol. 11. 346 Pfarre Steyr, Taufbuch 06 (1759–1774), 101/06, fol. 289. Frauen im Handel Franz Wolfgang Koller

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