Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 63 - 2.2.2 Maria Elisabetha Koller und Söhne (1742–1773) Mit dem Tod Johann Josefs begann zunächst ein mehrjähriger Streit um die Erbschaft zwischen seiner Witwe und seinem Sohn aus erster Ehe – Johann Adam. 331 Obwohl das Testament des Verstorbenen vom 27. September 1734 Maria Elisabetha als Universalerbin vorsah, erklärte diese vor einer eigens zur Klärung des Erbschaftsstreits eingesetzten Kommission, dass sie die Verlassenschaft anhand ihres Ehevertrages vom 28. Oktober 1724 abgewickelt haben wollte. 332 Johann Adam hingegen beanstandete, aus der mütterlichen Erbschaft 1724 einen zu geringen Betrag in Höhe von 2.000 Gulden erhalten zu haben, weshalb er aus der väterlichen Verlassen- schaft eine Entschädigung von weiteren 1.120 Gulden forderte. Außerdem ging es um das Fi- deikommiss, 333 welches durch Johann Georg Koller errichtet worden war und Häuser und Gär- ten in Pyrach sowie zwei Zehente umfasste (dazu genauer im Kapitel „Die Gartenhäuser“ ab S. 335) . Johann Adam sah sich als ältester Sohn als rechtmäßiger Erbe der besagten Immobi- lien, so wie es das Fideikommiss Johann Georgs vorsah. Die Witwe Koller hingegen beharrte auf ihren ältesten Sohn aus zweiter Ehe – Johann Josef Anton – als Erben, so wie es Johann Josef angeblich gewünscht hatte. 334 Schlussendlich erhielt Johann Adam Koller die beiden Gar- tenhäuser in Pyrach sowie die beiden Zehente, wohingegen die Witwe Koller die übrigen drei Gartenhäuser zugesprochen bekam. 335 Maria Elisabetha führte nach dem Tod ihres Mannes über 30 Jahre lang die Eisenhandlung gemeinsam mit ihren Söhnen Josef Anton, Franz Wolfgang und Jakob unter dem Namen „Jo- hann Josef Kollers sel. Witwe & Erben“ fort. Eine Wiederverheiratung der 45-jährigen Witwe ist nicht belegt. 336 Da sie als Tochter eines Micheldorfer Sensengewerken wahrscheinlich be- reits im elterlichen Betrieb zumindest ein grundlegendes Verständnis kaufmännischer Tätigkeit entwickelte hatte und sie dieses wohl während ihrer Ehe mit Johann Josef anwenden und ver- tiefen konnte, war der Zwang zur Wiederverheiratung nicht besonders groß, wie Heide Wunder feststellte: „Die Ehefrauen wirkten vielfach von Beginn der Ehe an im Geschäft mit und waren be- reits während ihrer Jugend auf diese Aufgabe vorbereitet worden, so daß sie Qualifikation und Erfahrung für die Fortführung des Geschäftes bis zur Übernahme durch einen Sohn 331 StA Steyr, Schreiben (11.12.1742), Kasten XII, L1 FII 1–108 Nr. 31. 332 StA Steyr, Erbserklärung (10.5.1743), Kasten XII, LII 1–95 Nr. 55. 333 Ein unveräußerliches und unteilbares Erbgut; siehe Goethe Wörterbuch. Bde. 1–5: A–M [digitalisierter Volltext unter: http://woerterbuchnetz.de/GWB ], Stuttgart seit 1978, Bd. 3, Sp. 707 f. 334 StA Steyr, Informationspuncta (12.7.1743), Kasten XII, L1 FII 1–95 Nr. 67. 335 Angela H AINDL , Ergänzung der Bürgerschaft Steyrs im 18. Jahrhundert, Dissertation, Innsbruck 1950, 191. 336 Nach Heide Wunder galt man in der Frühen Neuzeit erst ab 50 Jahren als „alt“ und ab 70 Jahren als „wirklich alt“; siehe W UNDER , Frauen, 185. Streit mit Johann Adam von Koller Eisenhändlerin Maria Elisabetha Koller

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