Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 350 - (Nägel), dem Schuster- und Sattlerhandwerk (Ahlen, Feilen, Pfriemen, Erter), dem Tischler- handwerk (Feilen, Sägen), der Landwirtschaft (Sensen, Sicheln) sowie Haushalten (Messer, Scheren, Öfen) nachgefragt. Eisen und Stahl als Vorprodukte dieser Geschmeidwaren wurde hauptsächlich an die produzierenden Kleinbetriebe verkauft, die zu den Koller in verlagsartiger Beziehung standen, obwohl es zahlreiche in- und ausländische Interessenten/-innen dafür ge- geben hätte. Die Produktion erfolgte im Rahmen des Verlags, 1957 wenngleich nur die Rede von „verlagsartigen Beziehungen“ 1958 sein kann, da die Koller weder Werkzeuge noch Werkstätten besaßen und die Handwerker nicht im Stücklohn für sie tätig waren. Hingegen gaben die Koller ihre Produktionsaufträge an die von den Käufern/-innen gewünschten Produzenten/-innen wei- ter, streckten diesen dafür Geld und den zu verarbeitenden Rohstoff vor oder die Handwerker/ -innen kauften den Rohstoff bei den Koller. Obwohl keine Verlagsverträge überliefert sind, ließ sich doch eine gewisse Verbindlichkeit bzw. Dauerhaftigkeit der Beziehungen zwischen den Koller und den Produzenten/-innen nachweisen. Die Kunden/-innen der Koller wurden über vier zentrale Absatzinstrumente erreicht, wobei die mündliche Kommunikation „face-to-face“ ein Kernelement darstellte, das jedem der vier Ansätze inhärent war: Auf Jahrmärkten trafen Kaufleute aufeinander, knüpften und pflegten Beziehungen, tauschten sich über Neuigkeiten aus und konnten Waren persönlich begutachten. Mithilfe von Meisterzeichen, die bald als „Marken“ mit einer bestimmten Qualität in Verbin- dung gebracht wurden, konnten sich Angebots- als auch Nachfrageseite über Größe, Aussehen, Rohstoff und andere zentrale Eigenschaften der Ware auch über weite Distanzen hinweg eini- gen. Unterstützend wurden Muster und Proben ausgetauscht, um unmissverständlich die ge- wünschte Qualität zu kommunizieren. Der Rückgriff auf ein flexibles System aus Kommissi- ons- und Speditionshäusern an strategischen Knotenpunkten, ermöglichte schließlich auch re- lativ kleinen und mittelgroßen Einzelunternehmen am Außen- und Fernhandel teilzuhaben, auch wenn ihnen dafür das nötige Netzwerk, das Know-how und die finanziellen Mittel für dauerhafte Niederlassungen fehlten. Als „gatekeeper“ im Fernhandel waren für die Koller be- sonders die Kommissionshäuser in Venedig und Triest von großer Relevanz. Als beliebte Ab- satzmärkte stellten sich neben den großen Handelszentren Linz, Wien, Venedig und Triest mit ihren Einzugsgebieten, insbesondere die Po-Ebene im Süden, die Schweiz und Frankreich im Westen heraus. Vermehrt sind auch Geschäfte in den Orient (Konstantinopel und Izmir) nach- weisbar, und in einem einzigen Fall ist aufgrund einer Sensenreklamation belegt, dass die von 1957 Siehe dazu insbesondere Rudolf H OLBACH , Frühformen von Verlag und Großbetrieb in der gewerblichen Pro- duktion (13.–16. Jahrhundert) (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 110), Stuttgart 1994. 1958 G ORIßEN , Kaufmann, 72. Nachfrage

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