Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 349 - neuen Gegebenheiten der Industrialisierung, der Selbstvermarktung der Manufakturen und Fab- riken und dem Niedergang der Kleineisenindustrie konfrontiert waren. Durch den Vergleich mit der Geschichte des Mauthausener Familienzweiges bzw. des elter- lichen Handelsunternehmens konnte eine alternative Entwicklungsmöglichkeit zur Aufgabe des Handels mit dem Beginn der Industrialisierung aufgezeigt werden: Während Jakob Koller in Mauthausen als Niederleger, Schiffmeister und Eisenhändler äußerst erfolgreich war, gingen die ihm nachfolgenden Generationen schrittweise zum Spezerei- und Gemischtwaren- und schließlich zum Tabakhandel über, wovon im 20. Jahrhundert noch eine Trafik übrig blieb. Johann Josef Koller in Steyr hingegen hatte eine Handlung mit einem Sortiment an Spezerei- und Material-, Textil- und sogenannten „Steyrer-Waren“ gekauft, wobei er zunächst sowohl Klein- als auch Großhandel betrieb und sich schließlich gänzlich auf die Vermarktung von in der Region produzierten Eisenwaren auf regionalen und überregionalen Absatzmärkten spezi- alisierte. Die Steyrer Koller führten dieses Geschäftsmodell in seinen Grundzügen bis 1888 fort. Dann folgte – wohl infolge des Wegbrechens ihrer kleingewerblichen Produzenten/-innen – die Geschäftsaufgabe, während beim Mauthausener Zweig die frühzeitige Veränderung des Sortiments als Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen zur Zeit der Industrialisie- rung ausschlaggebend für das Fortbestehen des Handelshauses gewesen sein dürfte. Weitere Unternehmensgeschichten aus der Handelsbranche veranschaulichten, dass eine Adaptierung des Geschäftsmodells – effektives Resilienzmanagement – das Fortbestehen des Handelshauses durch die Industrialisierung hindurch ermöglicht hätte. Bei den Koller in Steyr könnte außer- dem das Fehlen einer willigen bzw. fähigen Nachfolge Einfluss auf die Geschäftsaufgabe ge- habt haben. Die Überlieferung im Familien- und Geschäftsarchiv der Koller endet in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts, sodass die Zeit nach 1808 nur sporadisch in den Blick genommen werden konnte. Schließlich konnte die letzte Phase des Unternehmens nur kursorisch anhand von Einzelbelegen und Zeitungsberichten aufgearbeitet werden, sodass über die Gründe und Umstände der Unternehmensauflösung nur Vermutungen angestellt werden konnten. Das Unternehmen der Koller war eine Wirtschaftseinheit, die sich hauptsächlich auf den Verlag der Eisengeschmeidwaren aus der unmittelbaren Region (Eisenwurzen) sowie deren Vertrieb auf regionalen, überregionalen und Fernhandelsmärkten konzentrierte. Zur umfassen- den Produktpalette gehörten Spezerei- und Materialwaren, die in Oberösterreich nicht kultiviert bzw. produziert wurden und deshalb über die Adriahäfen aus Italien und dem Orient eingeführt werden mussten, außerdem Textilwaren, die ebenfalls aus diesen Gebieten sowie aus Böhmen und Mähren stammten, und schließlich Eisen, Stahl sowie Kleineisenwaren. Die von den Koller vermarkteten Eisengeschmeidartikel wurden z. B. von Hausbesitzern und dem Baugewerbe Vergleich Angebot

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