Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 317 - gedacht, da die älteste Tochter 1806 mit erst fünf Jahre noch zu jung für derartige Lektüre gewesen wäre. Josef von Kollers Interesse an Literatur aus den Gattungen Politik und Ge- schichte entspricht dem Selbstverständnis des sich entwickelnden Bildungsbürgertums dieser Zeit. 4.2.5.2 Musik Ausdruck dieses Bildungsbürgertums war neben der Konsumation von Literatur außerdem die Hinwendung zur Musik, wie es die Koller nachweislich während der Biedermeierzeit taten. Bereits im 18. Jahrhundert hatte das städtische Bürgertum „mit dem Aufbau einer eigenen, von kirchlichen und höfischen Institutionen unabhängigen Musikkultur“ begonnen, wobei die Ini- tiative auf ortsansässige wohlhabende und gebildete Bürger zurückging, die regelmäßig private oder halböffentliche Musizierabende organisierten oder gar „musikübende Gesellschaften“ gründeten. 1763 Nach dem Wiener Kongress wurde diese Musikkultur fortgesetzt, die geprägt war von Kleinbürgerlichkeit, Anspruchslosigkeit, Nachahmung, Sentimentalität, Schwärmerei und Trivialität. 1764 Besonders beliebt war die Gattung der Lieder, die kurz, verständlich, unter- haltend und auch von Hobbymusikern/-innen gespielt werden konnten. 1765 Zu diesen Hobby- musikern/-innen gehörten auch Josef von Koller und seine älteste Tochter Josefine (1801– 1874), die in den bildungsbürgerlichen Musikerkreisen Steyrs während des Biedermeiers sehr aktiv waren. Der erste Hinweis auf musikalisches Interesse der Koller stammt aus dem Jahre 1808, als Josef von Koller beim Salzburger Kunst- und Musikhändler Benedikt Hacker um Kopien be- stimmter Kirchenmusikstücke Josef Haydns anfragte. 1766 Benedikt Hacker (1769–1829) hatte sich 1783 in Salzburg niedergelassen, wo er von Leopold Mozart und dann von Johann Michael Haydn – dem fünf Jahre jüngeren Bruder Joseph Haydns – unterrichtet wurde. Da er von der Musik nicht leben konnte, wurde er zunächst Kommis (Handelsdiener) und später Buchhalter bei der zuvor erwähnten Mayrischen Buchhandlung. 1803 eröffnete er seine eigene Buchhand- lung, zu der eine Notenleihanstalt und ein Musiksalon gehörten und in der er die Werke seines Mentors Haydns druckte und verlegte. 1767 Das Musikinteresse der Koller bestätigt Josef Ofner, der schrieb: „Im Hause des Kaufmannes Josef von Koller wurde der Muse nur alla camera [im Kammerstil, Anm. d. Verf.] gehuldiget, und zwar in der Regel abends nach einem geselligen 1763 Freia H OFFMANN , Auf der Straße der Emanzipation. Reisende Musiker um 1800, in: Hermann Bausinger u. a., Hg., Reisekultur: Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, München 1991, 193–201, hier 194. 1764 W EILER , Spuren, 5. 1765 Ebd., 7. 1766 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Salzburg (3.11.1808), Kasten XII, L3/1 FXXVIII 1–107 Nr. 39. 1767 Elisabeth Th. H ILSCHER , „Hacker, Benedikt“, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Hg., Oester- reichisches Musiklexikon online (oeml): http://www.musiklexikon.ac.at (18.11.2019). Kirchenmusik Josef Haydns

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