Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 295 - 4.2 Haushaltsausgaben und Konsummöglichkeiten Österreich – insbesondere Oberösterreich – wurde von zeitgenössischen Reisenden im 18. und 19. Jahrhundert aufgrund seines großen Wohlstandes und seiner Konsummöglichkeiten hoch gelobt: Es gebe einen Überfluss an landwirtschaftlichen Produkten und die Bevölkerung habe einen Hang zur Verschwendung. Zwar war der Lebensstandard tatsächlich höher als in den Nachbarregionen Böhmen und Niederösterreich, jedoch gab es auch innerhalb Oberösterreichs – je nach Region, städtischem oder ländlichem Umfeld und sozialer Schicht – große Unter- schiede. 1628 Cajetan Franz von Leitner, den es 1798 auf seiner Reise von Graz über Eisenerz schließlich nach Steyr verschlagen hatte, beschrieb die Steyrer Bürger gegen Ende des 18. Jahr- hunderts als im Luxuskonsum gemäßigt: „Ohne Zweifel ist diese Mäßigung in den Gegenstän- den des Luxus eine Folge der gleicheren Vertheilung der Reichthümer, wodurch reizende Bey- spiele der Pracht und Verschwendung hintan gehalten werden.“ 1629 Der Besucher hatte den Ein- druck, dass der Wohlstand unter der Steyrer Bevölkerung derart gleichmäßig verteilt sei, dass niemand – außer den lambergischen Fürsten – als besonders „überreich“ gelte und auch nie- mand seinen Luxus öffentlich zur Schau stelle. Ob dieses Urteil Leitners tatsächlich zutraf, kann durch einen Blick auf die Lebenshaltung der Familie Koller im 18. Jahrhundert als Reprä- sentanten der vermögenden Steyrer Bürgerschaft überprüft werden. Die überlieferten Quellen im Koller-Archiv erlauben zumindest punktuell Einblicke in das alltägliche Leben und den Konsum der Familienmitglieder – insbesondere um die Jahrhundertmitte. Ein herausragender Quellenbeleg in diesem Zusammenhang ist das Memorial aus dem Jahr 1743, welches am vorderen Umschlag als Alhier Stachel und Eissen Empfang und Abgabs Memmorial 1660 beschriftet ist, jedoch von hinten als Ausgabenliste des Jahres 1743 begonnen wurde. Das Büchlein stammte wohl noch vom Vorgänger-Unternehmen am Stadtplatz Nr. 11 und wurde wohl aufgrund seiner zahlreichen freien Seiten zu einem Notizbuch für Ausgaben umfunktioniert. Obwohl es als Post Gelt Verzeichnis beschriftet ist, enthält es auf den ersten circa 20 Seiten Ausgaben für Trink- und Taschengelder sowie für kleinere Anschaffungen des Koller-Haushalts im Jahre 1743. Der unbekannte Schreiber vermerkte zwar an der ein oder anderen Stelle ein Datum oder einen Hinweis auf die Jahreszeit (z. B. Ostern), jedoch sind die Einträge zum größten Teil undatiert. Der erste Eintrag betrifft die Zahlung von je einem Gulden an die acht Kinder des Haushalts: Lißl (1743 war sie 17 Jahre alt), Seperl (16 Jahre), Mariandl (14 Jahre), Säntl (13 Jahre), Fränzl 1628 Roman S ANDGRUBER , Lebensstandard und Ernährung in Oberösterreich im 18. und 19. Jahrhundert, in: Ös- terreich in Geschichte und Literatur mit Geographie 21/5 (1977), 273–294, hier 273–275. 1629 L EITNER , Reise, 206. Wohlstand in OÖ und Steyr Haushalts- ausgaben Geldgeschenke und Trinkgelder

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