Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 293 - 4 Die Lebenshaltung der Familie 4.1 Konsum und Geschichte Um die Frage nach der Lebenshaltung bzw. dem Lebensstandard der Koller zu beantworten, steht der letzte große Abschnitt ihrer Familien- und Unternehmensgeschichte ganz im Zeichen der historischen Konsumforschung, die sich mit der historischen Dimension des Verbrauchs und der Nutzung von Waren und Dienstleistungen – vorwiegend durch Haushalte als Wirt- schaftseinheiten auf unterster Ebene – beschäftigt. 1611 Die Konsumgeschichtsforschung ist in den 1970er und 1980er Jahren aus der Alltagsgeschichte hervorgegangen, die „bei der Erfor- schung des alltäglichen Handelns und des Gebrauchs der Dinge auf das Konsumieren stieß“. In den 1980er Jahren setzte ein regelrechter Boom der Konsumgeschichtsforschung ein. 1612 Von besonderer Bedeutung war „The Birth of a Consumer Society“ von Neil McKendrick, John Brewer und John H. Plumb aus dem Jahr 1982. 1613 Die Autoren kritisierten, dass sich die Forschung bisher auf den Faktor der Produktion beschränke und beschrieben eine „Konsumre- volution“ im ausgehenden 18. Jahrhundert, deren Nachfrageschub die Voraussetzung für die Industrialisierung geschaffen habe. 1614 Ebenfalls 1982 erschien Roman Sandgrubers Studie über die Anfänge der Konsumgesellschaft in Österreich – ein Standardwerk der Konsumge- schichte, das insbesondere die Themenbereiche Ernährung, Bekleidung und Wohnen unter- sucht. 1615 Seither entstanden zahlreiche weitere Studien, z. B. zu den Themen Kommerzialisie- rung und Luxuskonsum sowie Konsumgeschichten aus nationaler oder europäischer Perspek- tive. 1616 Während zunächst die Frage nach den konsumierten Gütern im Mittelpunkt stand, be- schäftigt sich die Forschung mittlerweile mit den Motiven der Konsumenten/-innen und der Bedeutungszuschreibung der Güter, 1617 sowie mit der Geschichte der Dinge. 1618 1611 Christian K LEINSCHMIDT , Konsumgesellschaft (Grundkurs Neue Geschichte), Göttingen 2008, 7 f. 1612 Franz X. E DER , Geschichte des Konsumierens. Ansätze und Perspektiven der (historischen) Konsumfor- schung, in: Susanne Breuss / Franz X. Eder, Hg., Konsumieren in Österreich: 19. und 20. Jahrhundert (Quer- schnitte 21), Innsbruck / Wien / Bozen 2006, 9–41, hier 9 f. 1613 Neil M C K ENDRICK / John B REWER / John H. P LUMB , The Birth of a Consumer Society. The Commercialization of 18th Century England, Bloomington 1982. 1614 Rainer B ECK , Luxus oder Decencies? Zur Konsumgeschichte der Frühneuzeit als Beginn der Moderne, in: Reinhold Reith / Torsten Meyer, Hg., Luxus und Konsum: Eine historische Annäherung (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 21), Münster u. a. 2003, 29–46, hier 29. Siehe dazu auch Jan de V RIES , The Industrious Revolution. Consumer Behavior and the Household Economy, 1650 to the Present, Cambridge 2008. 1615 Roman S ANDGRUBER , Die Anfänge der Konsumgesellschaft. Konsumgüterverbrauch, Lebensstandard und Alltagskultur in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, München 1982. 1616 Rolf W ALTER , Geschichte des Konsums – Einführung, in: Rolf Walter, Hg., Geschichte des Konsums: Erträge der 20. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 23.–26. April 2003 in Greifswald (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 175), Stuttgart 2004, 7–13, hier 11. 1617 B ECK , Luxus, 41. 1618 Martin K NOLL , Nil sub sole novum oder neue Bodenhaftung? Der material turn und die Geschichtswissen- schaft, in: Neue Politische Literatur 59 (2014), 191–207; Kim S IEBENHÜNER , Things that matter. Zur Geschichte Historische Kons- umforschung

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