Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 290 - 3.5.3 Die Finanzkraft der Koller Da weder Hauptbücher noch Bilanzen oder vergleichbare Geschäftsunterlagen überliefert sind, anhand derer man zuverlässig und über einen längeren Zeitraum hinweg den wirtschaftlichen Erfolg der Koller beziffern hätte können, gibt es nur vereinzelt Ansatzpunkte dafür, wie es um die finanzielle Situation der Koller bestimmt war. Einen Zugang bietet die Frage nach der Praxis des Geldverleihs – abgesehen der Produzen- ten/-innen, welche die Koller verlegten. Wie zuvor erwähnt, war es nicht ungewöhnlich für Handelsleute mit entsprechendem Kapital auch Bankfunktionen zu übernehmen, wobei die Grenzen zwischen ihnen und kleinen Privatbanken bis 1900 fließend waren. Die Kaufleute konnten Kredite zum Teil in spezialisierter, zum Teil in semi-professioneller Form verleihen und nicht selten gingen aus ihren Reihen auch Privatbankiers hervor. 1598 Wie die Firma Harkort gewährten auch die Koller Produzierenden aus ihrer Region Kredite, was jedoch nicht auf ein Verlagsverhältnis zurückgehen musste. 1599 Die Abgrenzung zwischen Verlagsbeziehungen und davon unabhängigen Kreditanfragen ist nicht immer einfach – vor allem bei Briefen, die unda- tiert, unadressiert und ohne Absender überliefert sind, wie jener einer namentlich nicht bekann- ten Frau, die Herrn von Koller um einen kurzfristigen Kredit über 200 Gulden bat, da ihr Ehe- mann nach Leonstein gereist war und sie eine Zahlung durchzuführen hatte. Sobald ihr Mann wieder zurück sei, würde dieser das Geld an Koller zurückzahlen. 1600 Die Schermesserwitwe Ursula Pley aus Steyr lieh sich bei Johann Josef Koller 100 Gulden, um damit das Handwerhs- zeugs ohne Schein zu kaufen und ihren Stiefsohn Karl für das ihm abgekaufte Handwerkszei- chen zu entschädigen. Sie einigte sich mit Koller auf eine beachtliche sechsprozentige Verzin- sung pro Jahr und gab als Sicherheit ihr Haus sowie die Messerschleiferei an. 1601 Ein gewisser Herr Wazinger, der Josef Koller mit Lieber Freund! adressierte, bat im Namen seiner Gevatte- rin (Patin seiner Kinder) Anna Schirmbachler um 10 Gulden. Schirmbachler benötige das Geld, um mit den Kindern ihrem Mann von Steyr nach Wien zu folgen, wofür Wazinger einstand und Koller garantierte, ihm die 10 Gulden bei ihrem nächsten Zusammentreffen zu ersetzen. 1602 Eine weitere Anfrage um einen Kredit – genauer gesagt um einen Lieferantenkredit – langte im 1598 H ÄBERLEIN , Kreditbeziehungen, 46 f. 1599 G ORIßEN , Handelshaus, 180. 1600 OÖLA, Bittbrief an Herrn von Koller (zw. 1720 u. 1808), Neuerwerbungen, Schachtel 86/3, fol. 105. 1601 StA Steyr, Schuldobligation (4.5.1728), Kasten XII, L1 F1 1–108 Nr. 35. Pritz bezeichnete eine fünfprozentige Verzinsung als „hoch“, beim Salzburger Kaufmann Franz Anton Spängler waren Zinssätze von vier und fünf Pro- zent üblich; siehe P RITZ , Beschreibung, 410–412; Angelika K ROMAS , „Bezahlt laut Conto.“ Alltägliche Kredite und Zahlungen, in: Reinhold Reith u. a., Hg., Haushalten und Konsumieren: Die Ausgabenbücher der Salzburger Kaufmannsfamilie Spängler von 1733 bis 1785 (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg 46), Salzburg 2016, 259–269, hier 264. 1602 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Linz (14.3.1808), Kasten XII, L3/4 FXIX 1–133 Nr. 34. Geldverleih

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