Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 289 - Über die Handhabung der Briefkopierbücher in der Praxis geben die unterschiedlichen Schriftbilder innerhalb einzelner Bücher Hinweise. Die Briefe sind eindeutig von unterschied- lichen Schreibern kopiert worden, weshalb auf eine Arbeitsteilung zwischen Koller und sei- nem/-n Handelsdiener/-n geschlossen werden kann. Es ist anzunehmen, dass aufgrund des ho- hen Aufkommens der täglich eingehenden Briefe, die Handelsdiener dafür zuständig waren, diese zu öffnen, zu lesen und Abschriften anzufertigen. Die Antworten – also die ausgehenden Briefe – wurden hingegen immer von derselben Person verfasst, wobei es sich um Johann Josef Koller selbst oder dessen Frau handeln musste. 1596 Es liegt nahe, dass Koller die Antworten im Briefkopierbuch notierte und dass einer der Bedienten (vielleicht sogar ein eigener Buchhalter) diese feinsäuberlich auf Briefpapier abschrieb, von Koller unterschreiben ließ und schließlich abschickte. 1597 Warum sich in sämtlichen überlieferten Briefkopierbüchern ausschließlich Korresponden- zen mit italienischen Geschäftspartnern – ob sie nun in Venedig, Brescia, Villach oder Enns niedergelassen waren – finden, wirft grundlegende Fragen auf: Wurden diese Kopierbücher eigens für die italienischen Korrespondenten aufgrund der Wichtigkeit dieser Handelsplätze angelegt? Hatte es ursprünglich auch für die übrigen Geschäftspartner/-innen eigene Briefko- pierbücher gegeben? Wurde die Praxis des Briefkopierens auch nach 1749 im Koller-Handels- haus fortgeführt oder bedeutet die fehlende Überlieferung, eine Aufgabe des sehr zeitintensiven Briefkopierens? Zumindest die letzte Frage kann damit beantwortet werden, dass es bestimmt auch in späte- ren Unternehmensphasen Briefkopierbücher gab – wenn diese auch nicht überliefert sind. Al- leine die Ausweitung des Handelsgeschäftes und die damit einhergehende Zunahme der Kor- respondenz machten Briefkopierbücher unerlässlich. Wie sonst hätten sich die Koller und ihre Handelsdiener einen Überblick über die Geschäfte behalten können? Schließlich hatten Briefe und Briefabschriften auch Beweiskraft, z. B. wenn die mittels Korrespondenz vereinbarten Preise und Konditionen in Frage gestellt wurden. Dann konnten die Koller in ihren Kopierbü- chern nachschlagen, welches Angebot sie dem/-r jeweiligen Interessenten/-in gemacht hatten und auf den entsprechenden Brief verweisen. 1596 StA Steyr, Briefkopierbuch (1723–1724), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 6. 1597 M ARPERGER , Handels-Diener, 185 f. Briefkopierbü- cher
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