Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 284 - betrifft – die Koller keine doppelte, sondern eine einfache Buchführung verwendet haben. Im Gegensatz zur Doppik hatte … das einfache Buchhalten […] also mit unserm Handelsbesitz und dessen Veränderungen nichts zu thun, sondern führt blos die Rechnungen über unsre Forderungen und Schulden, oder über das, was uns unsere Handelsfreunde geben, und über das, was sie von uns empfangen; also wir ihnen, sie uns schuldig werden. 1579 Ob Johann Josef Koller die doppelte Buchführung überhaupt beherrschte, ist nicht bekannt. Während ihrer Ausbildung in Venedig bei Mehling und ihrem Unterricht bei einem maestro di conti (Rechenmeister) könnten aber seine Söhne in den 1750er Jahren die Doppik erlernt haben. Vielleicht war es nicht die fehlende Kenntnis dieser Buchführungstechnik, sondern eine prag- matische Entscheidung, die für die einfache Buchführung sprach. Schließlich war mit der dop- pelten Verbuchung und den regelmäßigen Abschlüssen, einer Bilanzerstellung und der Ermitt- lung von Gewinn und Verlust ein erheblicher Mehraufwand verbunden, der von Handelshäu- sern mit meist nur einem Prinzipal/einer Prinzipalin und nur wenigen Handelsdienern womög- lich gar nicht bewältigbar war. Darin sieht auch Stefan Gorißen für die Firma Harkort den Grund für die Verwendung der einfachen Buchführung. Der Forscher stellte erstaunt fest, dass die Harkorts Personenkontokorrentbücher und eine Reihe von Nebenbüchern verwendeten, wo- bei es wie bei der Doppik zunächst zu Eintragungen in ein Memorial und dem schrittweisen Übertrag in ein Journal und schließlich ein Hauptbuch kam. Dort wurden die Geschäftsfälle jedoch nur einmal verbucht, nämlich bei den jeweiligen Geschäftspartnern/-innen und nicht auch noch auf einem Gegenkonto, so wie es die Doppik erfordert hätte. Kapitalkonten, Gewinn- und Verlustrechnungen, stille Reserven und Bilanzen waren bei den Harkorts ebenfalls nicht zu finden. Ziel der einfachen Buchführung war nicht die Bilanzerstellung, sondern die Ermitt- lung der Außenstände, sodass die überlieferten „Bilanzen“ der Harkorts nichts über den tat- sächlichen Unternehmenserfolg aussagen. 1580 Auch wenn es nicht auszuschließen ist, dass die zweite Generation der Koller in Steyr von der (womöglich) einfachen Buchführung Johann Josef Kollers zur Doppik überging, wäre es auch nicht ungewöhnlich, wenn ein Handelshaus von der Größe und der Reichweite der Koller bei der einfachen Buchführung verblieb. Schließlich hatte es noch keine gesetzliche Verpflich- tung zur Bilanzlegung gegeben. Die Buchführung im Allgemeinen diente einerseits der Syste- matisierung der Geschäftstätigkeit, wodurch ein relativ rascher Zugriff auf wichtige Zahlen des Unternehmens (z. B. offene Forderungen) möglich war, und andererseits als Beweismittel vor 1579 L EUCHS , Handelswissenschaft, 203. 1580 G ORIßEN , Handelshaus, 334. Buchführung bei den Harkorts Zweck der Buchführung

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