Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 282 - 3.5.2.1 Bilanzierung Tatsächlich gibt es schon beim Vorbesitzer des Hauses und der Handlung am Stadtplatz Nr. 11 – Georg Ulrich Schäffler – Hinweise auf eine sorgfältige Buchführung. 1574 Aus dem Jahr 1691 sind ein Inventar und eine Bilanz überliefert, deren Erstellung ohne eine entsprechende Buch- haltung nicht möglich gewesen wäre. Mitte Juli 1691 hatte Schäffler die Inventur seines Wa- renlagers vorgenommen, wobei er neben den gelagerten Textil-, Spezerei- und Steyrer-Waren auch den vorrätigen Wein, der wahrscheinlich für seine Handlungsbedienten gedacht war, auf- nahm. 1575 An Aktiva wurden der Kassenbestand, der Wert der Waagen und Gewichte sowie der geschätzte Wert des Handels- und Wohnhauses aufgelistet. Anschließend wurden die Forde- rungen aus gleich fünf Schuldbüchern summiert. Schäffler hatte für die Forderung gegenüber Handwerksleuten zwei Bücher angelegt, ebenso führte er ein „Ladenschuldbuch“, worin er wahrscheinlich Laufkundschaft hatte anschreiben lassen, sowie ein Factorie Büechl , wobei es sich um ein Schuldbuch der Handelsniederlassung (Faktorei) Schäfflers in Venedig gehandelt haben könnte. Ebenso wurde der dortige Handelswarenvorrat bei Hans Wolf und Hans Emerich Auracher angeführt, der ebenfalls auf Basis einer Inventur ermittelt werden musste. Ein letztes Schuldbuch enthielt die Kreditoren Schäfflers, also jene Geschäftspartner/-innen, denen gegen- über er noch offene Verbindlichkeiten hatte. Schließlich konnte Schäffler auf Basis der Inven- turen und der unterschiedlichen Bücher eine Bilanz erstellen, in welcher folgende Posten ge- genüberstanden: 1576 Im Jargon heutiger Buchhaltung würden die Laden-, Spezerei- und Steyrer-Waren sowie das Warenlager in Venedig zum Handelswarenvorrat zählen. Cassa war selbsterklärend der Kas- senbestand und die Gewichte und Waagen würden der heutigen Betriebs- und Geschäftsaus- stattung entsprechen. Während das Wohnhaus dem Anlagevermögen entspreche, lassen sich der vorrätige Wein und Korn nicht so einfach auf die moderne Buchhaltung umlegen, denn sie wurden zur Versorgung der Bedienten und des Gesindes verwendet, was in dieser Form heute nicht mehr üblich ist. Schließlich entsprechen die Debitores aus den unterschiedlichen Büchern den Forderungen. Dieser „Geben“-Seite (Aktiva) stehen im „Haben“ (Passiva) sämtliche Kre- ditoren, also das Fremdkapital, gegenüber. Schäfflers Bilanz im Jahr 1691 ergab im Aktiva eine Summe von rund 24.457 Gulden und einen Saldo von rund 8.397 Gulden im Passiva, wobei es sich um das Eigenkapital des Unternehmens handelte. In der Sprache der Autoren zeitgenössi- scher Kaufmannsliteratur, handelte es sich aus der Sicht des Unternehmens dabei um unser 1574 Wahrscheinlich gelangten diese Unterlagen mit dem Hauskauf von Stadtplatz Nr. 11 in den Besitz der Koller. 1575 Die Handelsbedienten hatten im Zuge ihres Anstellungsverhältnisses häufig Anspruch auf Kost und Logis, worunter neben einem Bett und der Mitversorgung im Haushalt auch die Versorgung mit Wein zu verstehen ist. 1576 StA Steyr, Bilanz (1691), Kasten XII, L4/3 FIV 1–27 Nr. 14. Schäfflers Bilanz 1691 Doppelte Buchführung bei Schäffler

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