Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 276 - und einer seiner Wiener Bankiers als Bezogener fungieren sollten. 1534 Der Wechsel machte re- lativ unkompliziert Überweisungen von einem Land in ein anderes möglich und erlaubte dar- über hinaus, Kredite in einem Land aufzunehmen und in einem anderen Land zurückzuzah- len. 1535 Wechsel waren seit dem 17. Jahrhundert internationales Zahlungsmittel. Um europaweit im Handel zirkulieren zu können, musste der Wechsel von überregional kreditwürdigen Häusern ausgestellt und von vergleichbar gut reputierten Häusern akzeptiert bzw. eingelöst werden kön- nen. 1536 Bis zum 19. Jahrhundert „war die gesamte ökonomisch relevante Welt in ein System des bargeldlosen Zahlungsausgleichs auf W[echsel]-Basis eingebunden […].“ 1537 Eckpfeiler dieses Systems waren auf das Bankengeschäft spezialisierte Kaufleute, die untereinander Ver- bindungen zu anderen „Bankhäusern“ in ganz Europa unterhielten, sodass Transfers zwischen allen wichtigen Handelsplätzen möglich waren. Regelmäßig wurden die Kaufleute mit aktuel- len Wechselkursnotierungen der Plätze Wien, Amsterdam, Hamburg, Venedig und anderen ver- sorgt, wenn auch die Auswahl der verwendeten Wechselmärkte eher weniger von der geogra- fischen Nähe oder dem günstigen Wechselkurs abhing, sondern eher vom Vorhandensein per- sönlicher Beziehungen zeugt. 1538 Die oben erwähnten Häuser mit Bankfunktion, von denen Kontokorrent-Rechnungen über- liefert sind, waren aber bei weitem nicht sämtliche Kreditinstitute oder Großhandelshäuser, über welche die Koller Zahlungen abwickeln ließen. In der ersten Unternehmensphase dürfte ein gewisser Herr Gschnaller in Wien eine Anlaufstelle gewesen sein, wenn es um den Zah- lungsausgleich mit Venedig und dem übrigen italienischen Raum ging. Dabei stellten die itali- enischen Kunden Kollers, Wechsel auf Gschnaller aus, welcher sie als Bezogener akzeptierte und bei Vorlage des Wechsels den Betrag an Koller auszahlte oder ihm diesen gutschrieb. 1539 Nach Gschnaller, der offenbar in finanzielle Engpässe geraten war, 1540 fungierte verstärkt Franz Brandegski in Wien als Hauptadresse für Wechselgeschäfte aus Italien: Giuseppe Chiesa aus 1534 D ENZEL , Wechsel, 730. 1535 John H. M UNRO , Wechsel, in: Michael North, Hg., Von Aktie bis Zoll: Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, 413–416, hier 413. 1536 Markus A. D ENZEL / Oskar S CHWARZER , Wechsel, in: Michael North, Hg., Von Aktie bis Zoll: Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, 416–418, hier 416. 1537 D ENZEL , Wechsel, 732. 1538 „Im praktischen Kalkül der Kaufleute waren die Wechselkursnotierungen vermutlich nur ein Faktor neben der Bewertung von sozialen und geschäftlichen Beziehungen bei der Durchführung von Transaktionen und die daraus resultierenden Netzwerke und Topografien des Zahlungsverkehrs sind persönlich geprägt und müssen nicht un- mittelbar den Strukturen folgen, die sich aus den Kursnotierungen ergeben.“; siehe J EGGLE , Kommunikation, 447 f. 1539 StA Steyr, Briefkopierbuch (1722–1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 2. 1540 Johann Josef Koller bat Giuseppe Chiesa darum, die von Gschnaller akzeptierte Tratte nicht mehr einzulösen, da er gehört hatte, das Gschnaller nicht mehr in standt sey bezallen zu können; siehe StA Steyr, Briefkopierbuch (1723–1724), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 6, fol. 6. „Bankensystem“ Weitere Bank- häuser der Koller
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