Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 273 - Dieser mitunter sehr komplizierte Vorgang eines Wechselgeschäftes soll zum besseren Ver- ständnis anhand eines Beispiels veranschaulicht werden: ImWechsel i n Abbildung 35, der vom Bankhaus Schönemann & Heyder in Frankfurt am Main (in grün) ausgestellt wurde, fungierten Kuner & Comp. in Wien (orange) als Bezogene (Trassat/Akzeptant). Erster Wechselnehmer bzw. Remittent war die Firma Johann Josef Kollers sel. Witwe & Erben in Steyr (blau), die den Wechsel vom Aussteller und Wechselgeber (Trassant) Schönemann & Heyder gekauft hatte. Wollte die Steyrer Handlung mit diesem Wechsel daraufhin eine eigene Schuld bei einem Drit- ten begleichen, musste sie dazu nur ihren Gläubiger auf der Rückseite als Begünstigten (zweiten Wechselnehmer/Präsentant) einsetzen und den Wechsel an ihn weitergeben. Dieser wiederum präsentierte am Fälligkeitstag – zwey Monath nach dato (zwei Monate nach dem Ausstellungs- datum am 2. November 1751) – den Wechsel bei Kuner & Comp., die den Betrag über 169 Gul- den und 19 Kreuzern in Corrent (örtliche Währung) auszubezahlen hatten. 1521 Es ist alleine anhand der überlieferten Wechsel meistens nicht nachvollziehbar, welche Ge- schäfte dem jeweiligen Geldtransfer zugrunde lagen, also ob die Einsender der Wechsel nun die eigentlichen Schuldner/-innen bzw. Kunden/-innen der Koller waren oder lediglich als Re- mittenten oder remittierendes Bankhaus fungierten, indem sie den Wechsel ihres Bankkunden weiterschickten. Lediglich die Rollen der Beteiligten am Wechseltransfer sind bekannt, da die Aussteller immer rechts unten unterschrieben, die Bezogenen links unten mit ihrer Unterschrift akzeptierten, die Wechselnehmer im Text genannt sind und die neuen Begünstigten im Indos- sament auf der Rückseite aufscheinen. Auch sogenannte Solawechsel waren möglich, bei denen der Ausstellende zugleich der Bezogene war und mit dem Wechsel ein Zahlungsversprechen zu einem späteren Zeitpunkt abgab. Der Laibacher Fuhrmann Andre Fux stellte am 10. Februar 1753 einen solchen Solawechsel mit folgendem Wortlaut aus: Vierzehen Tög nach dato, bezahle ich selbsten gegen disen meinen Sola Wexelbriff an Hern Joseph Hueber, oder dessen ord e Gulden dreysig Corrent, valuta habe von deme paar empfangen, ich verspriche in Vorfahl Zeit puntuale Zahlung, widrigenfahls unter wirff mich einen o. ö. Wexel Gericht. Adio. Josef Hueber hatte 30 Gulden an Fux in bar übergeben, dafür den Solawechsel von Fux erhalten und diesen rückseitig auf Friedrich Winterls sel. Witwe in Steyr indossiert. Auf diese Weise konnte Hueber die 30 Gulden nach Steyr „überweisen“, um seine Schuld bei Winterls Witwe zu begleichen. 1522 1521 StA Steyr, Wechsel aus Frankfurt (2.11.1751), Kasten XII, L3/3 FXXXIII 1–117 Nr. 4. 1522 StA Steyr, Solawechsel aus Laibach (10.2.1753), Kasten XII, L4/4 FII 1–19 Nr. 2.
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