Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 271 - menge, die physisch übermittelt werden musste, denn das Mitführen oder der Versand von Bar- geld war nicht ohne Risiko – Kaufleute waren darum bemüht, die transferierte Geldmenge so gering wie möglich zu halten. 1510 Solche Kontokorrent-Konten sind bei den Koller erstmals in den 1720er Jahren nachzuwei- sen und wurden langjährigen Geschäftspartnern/-innen wie Giuseppe Chiesa in Venedig ge- währt. Zu Chiesa hatte Johann Josef Koller eine dauerhafte und sehr intensive Geschäftsbezie- hung unterhalten, wobei Chiesa von Venedig aus den Absatz von Eisenwaren organisierte und Koller umgekehrt Spezereiwaren über ihn importierte. 1511 Auch bei Geschäften mit der Maut- hausener Verwandtschaft wurde auf Kontokorrent verrechnet: Als Johann Georg Prandstätter im Dezember 1787 Nägel bei seinem Cousin Jakob Koller in Steyr bestellte, erkundigte er sich außerdem, ob wir in der Rechnung gleich gehen – bat also um Abgleich des Kontokorrent- Kontos. 1512 Die Verwandtschaft war grundsätzlich ein wesentlicher Faktor beim „Abbau von Unsicherheit bei ökonomischen Transaktionen“. 1513 Wie auch Adelheid von Saldern feststellte, waren Familien- und Verwandtennetzwerke trotz all ihrer „Spannungen, Brüche, Ambivalen- zen und Verweigerungen“ zuverlässiger als Verbindungen zu nicht-verwandten Personen. 1514 Ähnlich großes Vertrauen musste Josef von Koller zu Andreas Braun aus Ödenburg gehabt haben, dem er zuletzt Nägel verkauft hatte, die auf Kontokorrent verrechnet wurden. Im Juni 1808 bestätigte Braun die Richtigkeit der an ihn übermittelten Kontokorrent-Rechnung und kündigte an, den Saldo ehestmöglich zu begleichen. 1515 Umgekehrt genoss Josef von Koller als Kunde beim Eisenhandelshaus Johann Reyns sel. Erben & Co. in Prag so großes Vertrauen, dass ihm dieser Bezahlung auf Kontokorrent gewährte. 1516 Kontokorrent-Konten unterhielten die Koller aber nicht nur zu treuen und verlässlichen Han- delspartnern/-innen oder zu Verwandten, sondern auch zu Bankhäusern und sogenannten „mer- 1510 G ORIßEN , Handelshaus, 240–242. 1511 StA Steyr, Briefkopierbuch (1723–1724), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 5, fol. 10. 1512 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Mauthausen (24.12.1787), Kasten XII, L3/2 FXII 1–136 Nr. 24. 1513 Stefan G ORIßEN , Vom Wert der Verwandtschaft. Zahlungsverkehr und familiale Netzwerke in der bergisch- märkischen Kaufmannschaft, in: Karl-Peter Ellerbrock u. a., Hg., Kultur, Strategien und Netzwerke: Familienun- ternehmen in Westfalen im 19. und 20. Jahrhundert (Untersuchungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Technikge- schichte 29), Dortmund / Münster 2014, 189–204, hier 204. 1514 S ALDERN , Netzwerkökonomie, 313 f. 1515 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Ödenburg (22.6.1808), Kasten XII, L3/4 FXXX 1–155 Nr. 117. 1516 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Prag (12.1.1806), Kasten XII, L3/2 FXXXVI 1–90 Nr. 71. Kontokorrent bei den Koller Wechsel
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