Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 264 - Erst das Handelsrecht (1897) machte die Aufbewahrung von ein- und ausgehenden Briefen als Beweise für die Ansprüche gegen Dritte verpflichtend. Während die eingehende Korrespon- denz in Bündeln aufbewahrt wurde, organisierte man ausgehende Korrespondenz durch Ab- schriften in Briefkopierbüchern, denen ein alphabetischer Index zum schnellen Auffinden der Empfänger/-innen angeschlossen war. Anstatt die Briefe händisch abzuschreiben, wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch Kopierpressen verwendet, die jedoch aufgrund des Seidenpa- piers und Tintenfraßes heute nur mehr schwer lesbar sind. 1479 Briefe dienten nicht nur dazu, Geschäfte im überlokalen Handelsbereich von der ersten An- frage bis hin zur Zahlungsbestätigung oder Reklamation abzuwickeln, sondern waren auch Mit- tel, um darüber hinausgehende Informationen auszutauschen, z. B. über den Markt. Auch ge- druckte und öffentlich publizierte Medien konnten diese Funktion der Briefe nicht ersetzen. 1480 Immer wieder sind daher auch aktuelle Kriegsgeschehnisse, Lebensmittelpreissteigerungen oder andere Schicksalsschläge, neben den das jeweilige Geschäft betreffenden Inhalten, Thema in der Korrespondenz gewesen. Im Koller-Archiv schlagen sich derartige Informationen vor allem zur Zeit der Koalitionskriege gegen Frankreich nieder, die auf den Handel großen Ein- fluss nahmen. 1481 Auch die Erkundigung über potentielle Geschäftspartner/-innen und deren Kreditwürdigkeit geschah mitunter schriftlich. So informierte Ernst Gottlieb von Förster aus Breslau die Kollerin über das Falliment (Bankrott) eines gewissen Herrn C. G. Liebigs und bemühte sich darum, für das an diesen über Krems gesandte Fass Nr. 4 einen anderen Abnehmer zu suchen. 1482 Auch war es üblich bei der erstmaligen Korrespondenz mit bis dahin fremden Geschäftspartnern/ -innen, Referenzen zu nennen, bei denen sich das Gegenüber von der Zuverlässigkeit und Zah- lungsfähigkeit informieren bzw. überzeugen konnte. Als Georg Heinrich Götze aus Regensburg von einem guten Freund erfahren habe, dass Koller einen mit Drath auf das Beste bedienen könne und sich daher um den äusersten Preiß erkundigte, gab er Josef Plank in Linz und Johann Gottlieb Alkofer & Sohn in Regensburg als Auskunftspersonen über seine Vermögens-Um- stände an. 1483 Es stand im Interesse Jakob Kollers, sich im Vorhinein darüber zu informieren, ob Götze ein zuverlässiger Kunde war oder nicht. Die Antwort dieser Auskunftspersonen 1479 Wilfried R EININGHAUS , Das Archivgut der Wirtschaft, in: Evelyn Kroker, Hg., Handbuch für Wirtschaftsar- chive: Theorie und Praxis, München, Wien 1998, 61–97, hier 75 f. 1480 J EGGLE , Kommunikation, 434. 1481 Siehe insbesondere StA Steyr, Geschäftsbrief aus Triest (6.3.1806), Kasten XII, L3/2 FXXII 1–169 Nr. 51; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Triest (24.4.1806), Kasten XII, L3/1 FXVI 1–121 Nr. 119; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Villach (12.6.1806), Kasten XII, L3/2 FVII 1–91 Nr. 55; StA Steyr, Geschäftsbriefe aus Linz (1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 31; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Bozen (12.9.1806), Kasten XII, L3/2 FXXII 1–169 Nr. 151; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wien (7.11.1808), Kasten XII, L3/2 FXXIX 1–123 Nr. 103; StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wien (16.11.1808), Kasten XII, L3/2 FXXIX 1–123 Nr. 104. 1482 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Breslau (1.11.1748), Kasten XII, L3/4 FXVIII 1–134 Nr. 17. 1483 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Regensburg (21.8.1787), L3/1 FXXV 1–62 Nr. 31. Vermittlung von Marktinformatio- nen Erkundigung über Dritte
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