Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 262 - Da auf den Umschlägen der meisten Geschäftsbriefe das Eingangsdatum vermerkt wurde, lässt sich rekonstruieren, wie lange ein Brief vom Absendeort bis nach Steyr unterwegs war. Noch im 15. Jahrhundert benötigte ein Bote zu Pferd für die Strecke Venedig–Nürnberg (630 Kilometer) 10 bis 13 oder 14 Tage – zwischen Augsburg und Venedig (rund 490 Kilome- ter) war ein Brief eine knappe Woche unterwegs. 1470 Dies ergibt eine Strecke von 45 bis 70 Ki- lometern pro Tag. Für das Jahr 1787 sind mehrere Stichproben aus der eingehenden Korres- pondenz Jakob Kollers genommen worden, um zu überprüfen, wie hoch die Transportge- schwindigkeit im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts war: Ein Brief Anton Herzogs aus Augsburg 1471 , den dieser am 8. Februar verfasste, kam am 15. Februar in Steyr an, benötigte für 300 Kilometer also 7 Tage, wodurch sich eine täglich zurückgelegte Strecke von 43 Kilometern ergibt. 1472 Ein Brief aus Eisenerz von Kollers Schwager Ferdinand Josef Menhardt – datiert auf den 21. Dezember, empfangen am 23. Dezember – kam nach nur zwei Tagen in Steyr an und legte demnach täglich 48 Kilometer zurück. 1473 Ein Brief von Triest nach Steyr (rund 400 Kilometer) war im Jahr 1787 sechs Tage un- terwegs, wodurch sich eine Tagesstrecke von rund 67 Kilometern ergibt. 1474 Ein Brief aus Ferrara benötigte über Triest nach Steyr (rund 733 Kilometer) 13 Tage, wodurch sich eine zurückgelegte Strecke von rund 56 Kilometern pro Tag ergibt. 1475 Zur Zeit der Koller konnte die Post – ähnlich wie im Mittelalter – auf dem Landweg pro Tag zwischen 43 und 67 Kilometern zurücklegen. Der Transport auf dem Wasserweg hingegen war deutlich schneller – selbst stromaufwärts, wie ein Brief aus Konstantinopel vom 25. August 1787 zeigt. Er kam am 14. September nach nur 20 Tagen in Steyr an, nachdem er – je nach Strecke – 1.800 bis 2.015 Kilometer zurückgelegt hatte. 1476 Das ergibt eine Transportgeschwin- digkeit von 90 bis 100 Kilometer pro Tag. Als Transportrouten kamen einerseits der Landweg von Konstantinopel bis zur Donau oder die Reise durch das Schwarze Meer bis zum Donaudelta und dann stromaufwärts bis nach Wien, schließlich nach Enns und von dort über die Enns nach Steyr in Frage. Wäre der Brief nicht auf, sondern entlang der Donau transportiert worden, dann hätte es anstatt 20 Tagen – bei einer Geschwindigkeit von 43 bis 67 Kilometern pro Tag – ganze 1470 S IMONSFELD , Fondaco, 102. 1471 Anton Herzog gehörte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu den elf Wechselhandlungen oder Ban- quiers Augsburgs; siehe Wolfgang Z ORN , Handels- und Industriegeschichte Bayerisch-Schwabens 1648–1870. Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte des schwäbischen Unternehmertums, Augsburg 1961, 60 f. 1472 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Augsburg (8.2.1787), Kasten XII, L3/1 FXXV 1–62 Nr. 41. 1473 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Eisenerz (21.12.1787), Kasten XII, L3/1 FXXV 1–62 Nr. 11. 1474 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Triest (4.6.1787), Kasten XII, L3/3 FXXVII 1–182 Nr. 91. 1475 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Ferrara (11.6.1787), Kasten XII, L3/1 FXXIV 1–116 Nr. 3. 1476 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Konstantinopel (25.8.1787), Kasten XII, L3/1 FXXV 1–62 Nr. 3. Geschwindigkeit des Briefver- sandes
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