Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 247 - Steyer , wobei dies jedoch nicht als ein Hinweis auf eine Handelsgesellschaft verstanden werden darf. Bei der Firma Voith – hinter der die Handlungsgesellschafter/-innen Johann Jakob und Barbara Voith sowie Alois Redtenbacher standen – handelte es sich um eine Eisenwarenhand- lung am Grünmarkt Nr. 8. 1388 Womöglich wollten die beiden Handelshäuser Koller und Voith bei den Transportkosten sparen und beauftragten daher den Frächter gemeinsam, was nicht un- üblich war. Auch bei den Gebrüdern Castell im Schwarzwald kam es vor, dass Lieferungen unterschiedlicher Kaufleute zusammengefasst und durch denselben Spediteur oder Fuhrmann versandt wurden. Auf diese Weise konnten die Kosten langer Warentransporte gesenkt werden, wenn ansonsten kleine Lieferungen größere Spesen verursachten. 1389 Neben der Beauftragung spezialisierter Transportpersonen und -unternehmen nutzten Kauf- leute auch die Möglichkeit, Waren durch Reisende zustellen zu lassen, die ohnehin im Begriff waren, sich an den Bestimmungsort zu begeben. Ein Beispiel für die Nutzung dieses informel- len Zustellweges stammt vom Juli 1806: Stefan Krackowizer aus Wels nahm ein Fass der Kol- ler, das beim Fuhrmann Helmhart gelagert war, an sich, um es davor zu bewahren, beim Einfall der Franzosen geplündert zu werden. Schon zuvor seien wiederholt mehrere Kisten bei Helm- hart vom Feind gewaltsam geöffnet worden, wie Krackowizer berichtete. Da sich aufgrund der feindlichen Bedrohung noch keine Fuhrleute auf die Straßen wagten, gab Krackowizer das Fass Herrn Voith mit, der auf dem Weg nach Salzburg war, damit dieser es an die Faktorei Freys- auff 1390 übergebe. Voith verlangte dafür weder Frachtspesen noch Provision, weshalb sich Kol- ler sowie der im Brief nicht genannte Empfänger des Fasses glücklich schätzen konnten, dass trotz der schwierigen Lage, das Fass zu geringen Unkosten transportiert werden konnte. 1391 Die Zustellung von Waren durch Reisende war jedoch stark vom Zufall abhängig und daher keine planmäßig nutzbare Transportoption: Es bedurfte dazu eines vertrauenswürdigen Bekannten, der ausgerechnet an den Bestimmungsort der Warensendung reiste und noch dazu über entspre- chende Kapazitäten verfügte, die Warensendungen zu befördern, z. B. eine eigene Kutsche, die für das Zuladen von Lasten geeignet war. In Notsituationen, wie der genannten Bedrohung durch feindliche Invasion oder wenn es aufgrund anderer Umstände keine Schiffs- oder Fuhr- gelegenheit gab, stellte dieses Vorgehen eine für die Verkäufer/-innen und Käufer/-innen will- kommene Alternative dar. 1388 K RENN , Häuserchronik, 12. 1389 S CHWANKE , Corespondenz, 620. 1390 Die Freysauff von Neudegg waren ein alteingesessenes Adelsgeschlecht in Salzburg, dessen Mitglieder seit dem späten 16. Jahrhundert als Handelsfaktoren tätig waren; siehe Rudolph A NGERMÜLLER , Ein „seliger Men- schenfreund“: Sigmund Hafner, Edler und Ritter von Innbachhausen (1756–1787), in: Salzburg Archiv 33 (2008), 213–274, hier 263. Näheres über die Familie auch bei M ARTIN , Familien, 255–261. 1391 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wels (6.7.1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 56. Alternative Zustellmöglich- keiten
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