Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 233 - Die Koller griffen als Großhandelshaus mittlerer Größe, das keine dauerhaften Niederlas- sungen oder ständige Vertreter/-innen in der Form von Handelsfaktoren hatte, ebenfalls auf solche Mittelspersonen zurück, um Zugang zum Fernhandel zu bekommen. Die Überlieferung der Geschäftsbriefe im Koller-Archiv zeigt, dass Triest, Wien, Linz und Venedig für die Koller jene zentralen Orte darstellten, die als Knotenpunkte des Außenverkehrs Geschäfte mit weit entfernten Geschäftspartnern/-innen möglich machten. Weiters waren vermittelnde Personen im Auftrag der Koller auch in Klagenfurt, Regensburg, München und Salzburg ansässig (siehe Abbildung 27) . 1311 Eine der am frühesten nachweisbaren Vermittler der Koller, war Giuseppe Chiesa in Vene- dig, von dem zwischen 1721 und 1751 mindestens 69 Geschäftsbriefe überliefert sind. Wie bereits erwähnt, lieferte er mehrmals Öl und andere klassische „Südwaren“ an die Koller und nahm im Gegenzug Eisengeschmeide ab. In einer Rechnung vom Oktober 1722 für ein Fass Öl aus Apulien fanden sich nicht nur Mautkosten und Fuhrlohn für den Transporteur Andre Schmid in Villach, 1312 sondern auch eine zweiprozentige Provision für Chiesa. 1313 Diese Provi- sion könnte der Hinweis sein, dass es sich bei diesem Geschäftsfall um eine Einkaufskommis- sion Chiesas im Auftrag der Koller handelte. 1314 Nur wenige Monate später erging der Auftrag für eine Verkaufskommission, als Chiesa ein Fass mit Waren von Koller erhielt, sich jedoch weigerte, es zu öffnen bzw. anzunehmen – nur wenn Koller sich dazu bereit erkläre, den Preis von den darin befindlichen Carabiner Messern zu ändern, würde Chiesa den Verschleiß dafür besorgen. Chiesa schlug vor, die großen Karabiner-Messer zu 2 Gulden und 20 Kreuzern, die mittleren zu 1 Gulden und 40 Kreuzern und die kleinen zu 1 Gulden und 20 Kreuzern zu ver- kaufen. 1315 Es lag in Chiesas Interesse, den Preis mit Koller auszuverhandeln, denn ein zu hoher Preis mache es ihm schwer, Abnehmer/-innen für die Messer zu finden. Als Kommissionär im Auftrag der Koller ist außerdem Antonio Maria Tiboni in Venedig zu identifizieren, von dem zwischen 1735 und 1781 mindestens 51 Geschäftsbriefe überliefert sind. Er vermittelte von Venedig aus Warengeschäfte ins übrige Italien, z. B. im November 1735, als er von Koller vier Fässer Eisenwaren erhielt, wovon je eines für Johann Batista Vaci- ago in Piacenza, Petoia Aganzini & Co. in Brescia und Pertochini & Aganzini – ebenfalls in Brescia – bestimmt waren. Das vierte nahm Tiboni selbst ab, der demnach nicht nur Kommis- 1311 Dabei ist zu bedenken, dass die eindeutige Unterscheidung in Endabnehmer/-innen, bloße Transportunterneh- men oder Kommissions- und Speditionshäuser mit Vermittlerfunktion nicht immer eindeutig war. 1312 Andreas Schmidt gehörte 1761 zu den acht Faktoren Villachs; siehe H ASSINGER , Handels- und Verkehrsstel- lung, 269. 1313 StA Steyr, Briefkopierbuch (1722–1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 2, fol. 15 f. 1314 G ORIßEN , Differenzierung, 49 f. 1315 StA Steyr, Briefkopierbuch (1722–1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 2, fol. 27 f. Wichtige Um- schlagplätze VENEDIG: Giuseppe Chiesa Antonio Maria Tiboni
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