Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 231 - 3.4.2.4 Kommissions- und Speditionshäuser Das Stichwort „Zwischenhandel“ führt zur vierten und letzten hier erläuterten Absatzstrategie der Koller: Die Nutzung von Kommissions- und Speditionshäusern als Vermittlerinstanzen des Handels. Obwohl die Koller ihre Geschäfte stets von ihrem Kontor in Steyr am Stadtplatz Nr. 11 oder auch von den Jahrmärkten in Linz und Wien aus lenkten und sie kein Filialnetz aufbauten, gelang es ihnen, weitreichende Geschäftsbeziehungen im Bereich des Fernhandels aufzubauen. Abnehmer/-innen waren z. B. in Smyrna (heute Izmir) und Konstantinopel (heute Istanbul, beide Türkei), Palermo und Messina (beide auf Sizilien), Albi und Béziers (beide Süd- frankreich), Paris, Amsterdam und Brody (Ukraine) ansässig. 1306 Zum Kontaktaufbau war es nicht nötig, dass sich die Koller persönlich an diese Orte begaben, um dort Käufer/-innen an- zuwerben, sondern sie arbeiteten mit Unternehmen zusammen, die sich auf die Vermittlung von Handelsgeschäften spezialisiert hatten. Bei Ludovici werden Kommissionshandlungen auch als Faktorei-Handlung bezeichnet und wie folgt beschrieben: Kommissionshandlung … […] heißt diejenige Handlungsart, da eine Person an dem Orte ihres Aufenthalts, einer an einem andern Orte wohnenden Person, gegen Genießung einer ordentlichen Provi- sion, das ist Belohnung wegen der Mühwaltung, bedienet ist. Es bestehe nun solcher Be- dienung in Disponirung baarer Gelder, Wechselbriefe, Ein- und Verkaufen gewisser Waaren, oder derselben Spedirung, und dergleichen mehr […]. 1307 Ein Kommissionshaus wickelte demnach als eine Art Stellvertreter für seine andernorts nie- dergelassenen Auftraggeber/-innen Geschäfte in deren Namen bzw. auf deren Rechnung ab, wofür es eine Provision erhielt. Diese Geschäfte konnten im Ein- und Verkauf von Waren be- stehen, aber auch den Zahlungsausgleich und die Organisation des Transports umfassen. Mit letzterem befasste sich auch der Speditionshandel, der nicht immer eindeutig vom Kommissi- onshandel abzugrenzen war. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts wurde so ein Kommissionär, der sich um den Versand der Waren kümmerte, als Spediteur bezeichnet. Zu seinen Hauptaufgaben gehörte die „komplizierte Suche nach so genannten ‚Schiffsgelegenheiten‘ ebenso wie der manchmal nötige Abschluss eines Versicherungsvertrages, etwa für den mit nicht unerhebli- chen Risiken behafteten Seetransport.“ 1308 1306 Die am weitesten entfernten Handelsorte der Koller – zwischen 800 und ca. 1.500 Kilometer Luftlinie um Steyr. 1307 Carl Günther L UDOVICI , Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Zweyter Teil: C bis G, Leipzig 1753, 471. 1308 Stefan G ORIßEN , Differenzierung und Spezialisierung im Fernhandel des 17. und 18. Jahrhunderts. Zur Bedeu- tung des Kommissions- und Speditionshandels, in: Susanne Hilger / Achim Landwehr, Hg., Wirtschaft – Kultur – Geschichte: Positionen und Perspektiven, Stuttgart 2011, 45–63, hier 49 f. Vermittelnde im Handelsgeschäft Aufgaben
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