Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 230 - Bis circa 1770 war es üblich, Muster in natura zu versenden, was bei einem ausgedehnten Handel nicht mehr ausreichte, zumal auch die Angebotspalette breiter wurde. So entstanden Musterbücher, die von Musterreitern oder -reisenden zu den potentiellen Käufern/-innen ge- bracht wurden. Die früheste Überlieferung von Musterbüchern von Metallwaren stammt aus England aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie waren eine Konsequenz aus dem Be- deutungsverlust des traditionellen Messehandels auf dem europäischen Festland (z. B. Leipzig und Frankfurt/Main) sowie des gesteigerten Produktionsniveaus, aufgrund dessen neue Ab- satzinstrumente nötig waren. Mithilfe von Musterbüchern konnten sich Großhandels- und Ver- lagshäuser sowie Manufakturunternehmen direkt an die Endverbraucher/-innen sowie Groß- und Einzelhandelskaufleute wenden. Muster von kleineren Metallwaren wie Nadeln und Knöpfe konnten in natura in den Musterbüchern auf Pappe gezogen werden, wohingegen grö- ßere Gegenstände nur als Abbildungen Einzug fanden. 1301 Die früheste Überlieferung eines Musterbuches aus dem westdeutschen Metallgewerbe stammt aus dem Jahr 1784 und wurde von einem Kaufmann aus dem Bergischen Land (wahrscheinlich aus Remscheid) als Ab- satzinstrument verwendet. Das kleinformatige Buch wurde vermutlich auf Verkaufsreisen mit- genommen und enthält über 1.000 farbige Zeichnungen von Werkzeugen und anderen Produk- ten wie Scheren und Bestecke. 1302 Da gezeichnete Musterbücher von modeunabhängigen Me- tallwaren lange Zeit im Umlauf sein konnten, findet man darin keine Angaben zum Preis. Die- ser wurde über separate Preiscourants mitgeteilt, sodass beide Absatzinstrumente aufeinander verwiesen. 1303 Im Koller-Archiv gibt es keinen Hinweis auf die Verwendung derartiger Musterbücher. Bei den Harkorts in Nordrhein-Westfalen hingegen, die ebenso mit Massenwaren aus Metall für den Export handelten, gab es diese sehr wohl. Ab den 1780er Jahren verwendeten sie standar- disierte Musterkarten, die das Sortiment abbildeten, und ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- derts auch Musterbücher. 1304 Die Handelsfirma Harkort bestellte die Bücher bei der Fabrik für Reit- und Fahrgeschirre Löbbecke & Co. und gab sie ihrem eigenen Handelsreisenden F. W. Schüren mit, der sie Groß- und Einzelhandelskaufleuten in Norwegen und Schweden vorlegte. Kam es zur Bestellung, erfolgte diese bei Harkort und nicht bei Löbbecke, denn die Harkorts übernahmen die Funktion von Zwischenhandelsleuten. 1305 1301 R EININGHAUS , Musterbücher, 169. 1302 Ebd., 170. 1303 Ebd., 173. 1304 G ORIßEN , Handelshaus, 220. 1305 In Auftrag gegeben wurden die Musterbücher von der Fabrik für Reit- und Fahrgeschirre Wilhelm Friedrich Löbbecke & Co; grafisch umgesetzt und hergestellt wurden sie vom auf Musterbücher spezialisierten Lithografen Robert Hüser; siehe R EININGHAUS , Musterbücher, 171. Musterbücher für Metallwaren Musterbücher bei Harkort
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