Eisenhandel im vorindustriellen Steyr

- 229 - Proben hatten ganz ähnliche Funktionen wie Muster: Stellte ein/-e Verkäufer/-in eine Probe bereit, mussten deren Eigenschaften mit der gesamten Lieferung übereinstimmen, wenn sich der/die Käufer/-in zur Abnahme entschied – vor Bezahlung ging das Kaufstück nicht in das Eigentum des/-r Käufers/-in über. 1294 Die Firma Johann Michael Offner sel. Witwe & Erben in Wolfsberg bot beim erstmaligen Geschäftskontakt mit den Koller im Jahr 1787 an, eine Stahl- probe zu einem Preis von 88 ½ Gulden je 1.000 Pfund franko Judenburg zu schicken. Damit wollten die Wolfsberger die Koller von der guten Qualität ihres Stahls überzeugen, nachdem sie gehört hatten, dass die Koller zur Feilenfabrikation 1295 sehr viel Stahl gebrauchen könn- ten. 1296 Auch Johann Tobias Kießling aus Nürnberg übersandte ein Fass echten, alten Jamaica Rhum zur Probe, wofür er 20 Gulden in Rechnung stellte und betonte, dass dessen Qualität eigentlich einem Wert von über 30 Gulden entspreche. 1297 Michael Poll aus Braunau, selbst ein bürgerlicher Nagelschmiedmeister, forderte im Jahr 1806 die Preise oder eine Probe von etli- chen Tausend Stück Schuh- oder großen Pieflnägeln an, damit er sich ein Bild davon machen könne . 1298 Probelieferungen waren vor allem dann sinnvoll und üblich, sobald es um technisch aufwen- digere Produkte ging (z. B. Sensen), damit sich die Käufer/-innen sowohl von der Form, als auch von der Materialgüte überzeugen konnten. 1299 Insbesondere die Qualität von Nägeln (z. B. Größe, Gewicht, Härte bzw. Haltbarkeit) konnte stark schwanken – je nachdem ob ein guter Rohstoff verwendet wurde oder nicht und ob die Hersteller/-innen gut gearbeitet hatten. Hoch- wertige Nägel durften nicht zu spröde oder zerbrechlich sein, weshalb es sich empfahl, sie vor dem Kauf zu testen, indem man mehrere Nägel zerbrach. Fiel dies leicht und der Bruch sah körnig aus, war der Rohstoff von schlechter Qualität. Bei guter Qualität hingegen, war das Zer- brechen schwer und das Eisen sah splittrig aus wie bei einem Stück Holz. 1300 Eine Probe vor der Abnahme größerer Mengen dürfte daher nichts Ungewöhnliches gewesen sein. Sinnvoll war sie aber nur, wenn die anschließende Lieferung von dem/der gleichen Hersteller/-in stammte. 1294 Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (DRW). Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache (Retrodigitalisierung), http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw-cgi/zeige , Bd. X, Sp. 1331 f. 1295 Wahrscheinlich war damit die Funktion der Koller als Verleger gemeint. 1296 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wolfsberg (29.12.1787), Kasten XII, L3/1 FXXV 1–62 Nr. 7. 1297 Die Maut- und Frachtkosten bis nach Linz zu Karl Anton Hafferl, von wo Koller den Weitertransport nach Steyr selbst organisieren musste, übernahm aber Kießling; siehe StA Steyr, Geschäftsbrief aus Nürnberg (30.1.1806), Kasten XII, L3/4 FXXI 1–142 Nr. 16. 1298 Von den Schueh oder gros Pifl möchte ich den Preiß oder etliche tausent mit sendten das ich doch weiß wie sie ausfallen […]; siehe StA Steyr, Geschäftsbrief aus Braunau (12.1.1808), Kasten XII, L3/4 FVIII 1–135 Nr. 30. 1299 G ORIßEN , Handelshaus, 220. 1300 Die Güte des Nagels konnte man außerdem erkennen, wenn alle vier Flächen völlig eben und genau keilförmig waren; siehe K RÜNITZ , Encyclopaedie, Bd. 100, 596–629. Proben Nägel zur Probe

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