Eisenhandel im vorindustriellen Steyr
- 226 - Muster wurden aber nicht nur von den Koller-Kaufleuten an potentielle Kunden/-innen ver- sandt, damit sich diese von der Güte der Waren überzeugen konnten. Sie wurden wiederum von diesen Kunden/-innen verwendet, um den Koller exakt mitzuteilen, in welcher Qualität sie die bestellten Güter erwarteten. Als B. Debellack aus Venedig im November 1806 bei Koller unter anderem die Preise von verzinnten Angelhaken anforderte, fädelte er kurzerhand ein Muster davon in das Briefpapier ein und übersandte die Anfrage auf diese Weise an Josef von Kol- ler. 1284 Muster dienten nicht nur auf der Absatzseite als Mittel, um die Kommunikation zwischen Verkäufern/-innen und Käufern/-innen über die Waren zu erleichtern, sondern sie fanden auch auf der Produktionsseite Gebrauch, z. B. wenn es um Auftragsarbeiten ging. Nachdem Josef von Koller bei Christoph Weinmeister aus Wasserleit bei Prank (heute Sankt Marein-Feistritz, Steiermark) angefragt hatte, ob er türkische Sensen herstelle, bot der Sensenschmied an, solche in größerer Menge anzufertigen, wenn Koller ihm ein Musterstück davon zukommen lasse. 1285 Wahrscheinlich hatte ein Kunde Kollers um türkische Sensen angefragt, weshalb er sich da- raufhin nach einem Meister umsah, der diese herzustellen in der Lage war. Ähnlich gestaltete sich ein Auftrag der Firma Gianoli & Canes in Turin, welche am 17. Juli 1723 drei oder vier Stück flache Feilen vom ordinary Schnitt als Muster bei Koller bestellte. Die Turiner richteten an Koller die Bitte, den Meistern aufzutragen, die Feilen ganz subtil (fein, zart) zu machen, den disse Feillen müessen dienen, die Räder wie die Uhren einzuschneiden, deßwegen müessen auch subtil sein. 1286 Durch die Anforderung von Mustern vor dem Kauf konnten die Abneh- mer/-innen überprüfen, ob Koller Feilenschmiedmeister vermitteln konnte, welche die ge- wünschte Qualität bzw. Feinheit der Feilen herzustellen vermochten. Erst wenn sich Gianoli & Canes anhand der drei oder vier Muster-Feilen von der Fertigkeit der Meister überzeugt hätten, wollten sie eine größere Bestellung aufgeben. Nicht immer reichte die Beschreibung der gewünschten Waren aus und nicht immer war es aufgrund der Größe der Artikel möglich, Muster in natura zu versenden, sodass der Korrespon- denz auch Zeichnungen beigelegt wurden. So klebte Johann Paul Luber aus Nürnberg die Zeichnung eines Messers in seinen Geschäftsbrief an Koller ein, nachdem er von einem Triester Handelshaus die Bestellung von einem Fass Brittole di Caravane mit Holzstiel erhalten hatte. Da Luber diese Artikel aber nicht führte, erkundigte er sich im Mai 1806 bei Josef von Koller, ob die Taschenfeitel in Steyr hergestellt wurden. Falls Koller die Meßerlein liefern könne, solle er 10.000 Stück davon direkt nach Triest zu Lubers Kunden schicken, wofür er einen Preis von 1284 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Venedig (12.11.1806), Kasten XII, L3/2 FXXXVII 1–62 Nr. 59. 1285 StA Steyr, Geschäftsbrief aus Wasserleit (24.3.1806), Kasten XII, L3/1 FXX 1–131 Nr. 17. 1286 StA Steyr, Briefkopierbuch (Juni bis August 1723), Kasten XII, L2 FIV 1–9 Nr. 4, fol. 13 f. Überlieferter An- gelhaken Muster als Vor- lage für die Produzierenden Muster- Zeichnungen
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